Essen. Die Kreisbauernschaft wehrt sich gegen den Vorschlag der Planungsverwaltung, landwirtschaftlich genutzte Flächen aufzugeben, um sie für den Wohnungsbau oder die Ansiedlung von Gewerbebetrieben zu erschließen. Ackerland dürfe nicht zu Bauland werden.

Seit mehr als 200 Jahren beackert die Familie Ridder ihre Scholle an der Rodenseelstraße in Kray. So viel Familientradition macht gelassen. Auch deshalb stand Christoph Ridder nicht gleich der Schweiß auf der Stirn, als er dieser Tage in der Zeitung lesen musste, dass die Stadt erwägt aus Ackerland Bauland zu machen.

„Irgendwie lag das ja in der Luft“, sagt der Vorsitzende der Kreisbauernschaft und tippt mit dem Zeigefinger auf ein internes Papier der CDU aus dem Jahre 2001. Die sprach sich schon damals dafür aus, 200 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in bebaubares Land umzuwidmen. Ausgerechnet die CDU, der die Landwirte politisch doch eher nahestehen. Christoph Ridder schüttelt den Kopf. Nun liegt der Vorschlag erneut auf dem Tisch – eingebracht von der Planungsverwaltung: 136,3 Hektar für neue Wohn- und Gewerbeflächen, geschätzte zwei Drittel davon sind Ackerflächen. Alter Wein in neuen Schläuchen könnte einem Winzer dazu einfallen. „Leider ist das aus Sicht der Stadt die einfachste Lösung“, sagt Ridder und rechnet vor, dass Essen in den vergangenen 35 Jahren 450 Hektar landwirtschaftliche Fläche eingebüßt hat. 1800 Hektar seien übrig geblieben. Jedes Jahr gingen weitere 12 bis 15 Hektar verloren. Und leider falle bei der Diskussion über die Frage, wo gebaut werden dürfe, stets unter den Tisch, dass jeder Eingriff in die Landschaft planungsrechtlich ausgeglichen werden muss – in der Regel zu Lasten der Landwirtschaft. Die Landwirte seien nicht bereit, dies hinzunehmen, betont Ridder. Ackerland dürfe nicht zur „planerischen Verfügungsmasse“ werden.

Bauern stehen auf mehreren Standbeinen

Verfügungsmasse – das sind landwirtschaftliche Flächen im Ruhrgebiet seit Beginn der industriellen Revolution. Dass Ackerbau und Viehzucht ökonomisch betrachtet auch im postindustriellen Revier keine große Rolle spielen, überrascht nicht. 80 Betriebe verdienen damit ihr Brot, zwei von drei Landwirten haben sich auf Pferdehaltung verlegt oder besetzen andere Nischen, indem sie Hofläden betreiben oder Erdbeeren züchten. Viele Bauern stehen auf mehreren Standbeinen, weiß der Kreisvorsitzende und hebt deren Bedeutung für die Nahversorgung hervor. „Es ist doch gewollt, dass aus der Region für die Region produziert wird.“

Ja, Bauern, die ihr Ackerland nur allzu gerne versilbern würden und denen die Überlegungen der Planungsverwaltung sehr gelegen kommen, auch die gibt es, räumt Ridder ein. „Es ist legitim zu verkaufen und mancher möchte auch verkaufen.“ Doch das sei eine Minderheit angesichts eines Pachtanteils von 80 bis 85 Prozent. Unter den Pächtern geht die Sorge um, dass Eigentümer der Flächen – allen voran die Rechtsnachfolger der früheren Zechengesellschaften – sich nur zu gerne von ihrem Land trennen werden. Hans Wortberg, Landwirt aus Kettwig, wird grundsätzlich: „Die Stadt muss sich die Frage stellen, ob Landwirtschaft in Essen noch gewünscht wird.“