Essen. . Vor 115 Jahren wurde die Emschergenossenschaft gegründet – der erste Wasserwirtschaftsverband in Deutschland. Schon zum zweiten Mal baut sie das Emschersystem um.
Der 14. Dezember 1899 zählt zu den weniger bekannten Tagen im Geschichtsbuch des Ruhrgebiets. Dabei geschah vor 115 Jahren Epochales: Im Bochumer Ständehaus schlug die Geburtsstunde der Emschergenossenschaft, des ersten Wasserwirtschaftsverbandes in Deutschland. Eine Institution, die den eklatanten Abwassermissstand des boomenden Industriegebiets in den Griff bekam und sich seither als Klammer des Ruhrgebiets erwies.
Aktuell ist das Geburtstagskind erneut dabei, die Region umzukrempeln. Die Emschergenossenschaft verbannt Abwasser in unterirdische Röhren, damit grüne Ufer oben demnächst blaue Flüsse säumen.
Kohleabbau verhinderte Abwasserkanäle
Als sich die Städte und Landkreise zwischen Dortmund und Duisburg zusammenschlossen, übernahm der Essener OB Erich Zweigert eine federführende Rolle. Repräsentanten der großen Bergwerksgesellschaften wie Hibernia oder der Gelsenkirchener Bergwerks AG waren ebenfalls unter den Gründungsmitgliedern.
Der Abwasserkanal Emscher ist 51 Kilometer lang
Der 4,5 Milliarden Euro teure Emscher-Umbau dauert bis 2020. 285 von 400 Kanalkilometern sind schon verlegt worden, knapp 125 von 350 Kilometer Gewässerläufe wurden ökologisch verbessert.
Der Oberlauf der Emscher und ihre Nebenläufe in Dortmund sind seit 2010 auf 24 km Länge komplett abwasserfrei – und heute weitestgehend renaturiert, ebenso die früheren Emscher-Arme Alte und Kleine Emscher in Duisburg.
Herzstück des Emscher-Umbaus ist der 51 km lange und 10 bis 40 Meter tiefe Abwasserkanal, der nach 2017 das Schmutzwasser aufnimmt. Die Beton-Kanalrohre haben einen Durchmesser zwischen 1,60 und 2,80 Meter.
Der Zusammenschluss geschah auf Geheiß des Staates, nachdem Versuche einzelner Städte gescheitert waren, das „Emscher-Problem“ in den Griff zu bekommen. Dieses sah wie folgt aus: Mit der Industrialisierung ließen sich zahlreiche Fabriken nieder und auch die Haushalte der drastisch gewachsenen Bevölkerung produzierten immer mehr Schmutzwasser. Abwasserkanäle waren vonnöten, doch der Kohleabbau verhinderte dies: Wegen der Bergsenkungen wären unterirdische Leitungen beschädigt worden.
Also wurde alles Schmutzwasser in die Emscher und ihre Nebenarme eingeleitet. Doch schon bald war dieses eigenwillige Flusssystem völlig überfordert und uferte immer wieder aus. Ganze Stadtteile standen nahezu ständig unter Wasser, aufgrund der Fäkalien im Wasser breiteten sich auch Krankheiten wie Typhus und Cholera schnell aus. Lösungen mussten her. Doch die Städte scheiterten, denn Wasser macht an Stadtgrenzen nun einmal nicht Halt. Um das Kirchturmdenken in den Rathäusern zu überwinden, wurde Deutschlands erster Abwasserverband nach dem Prinzip der Genossenschaft gegründet: Jeder bringt etwas ein, damit alle davon profitieren.
Das Emscher-System wurde umgebaut
Dieses Prinzip gilt bis heute. „Auch im 115. Jahr der Gründung steht die Emschergenossenschaft für eine moderne, nachhaltige Wasserwirtschaft – in enger Kooperation mit der Industrie, den kommunalen Mitgliedern und unseren regionalen Partnern“, sagt Jochen Stemplewski, seit 1992 Vorstandsvorsitzender.
Unmittelbar nach der Gründung galt es, die Abwassermassen in den Griff zu bekommen. Dem Bergbau zuliebe opferte man schließlich das Emscher-System und baute es zu einem Netz offener Schmutzwasserläufe um. Um das Überleben des Ruhrgebietes zu sichern, ließ die Emscher sprichwörtlich ihr Leben.
Vom Abwasser befreit und naturnah gestaltet
In Essen hatte der erste Emscher-Umbau erhebliche Folgen. Die Emscher in Karnap und Altenessen wurde begradigt, Nebenläufe wie Berne, Borbecker Mühlenbach, Stoppenberger Bach, Schwarzbach oder Katernberger Bach wurden zu „Köttelbecken“ degradiert.
Seit der Nordwanderung des Bergbaus Ende der 1980er-Jahre sind keine Bergsenkungen mehr zu befürchten, so dass nun auch unterirdische Abwasserkanäle gebaut werden können. Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft den Emscher-Umbau um. Jedes Gewässer erhält ein unterirdisches Pendant, durch das die Abwässer zu den Kläranlagen abgeleitet werden. Die oberirdischen Bäche sind damit abwasserfrei und können naturnah umgebaut werden: Die Betonsohlschalen werden entfernt, die Böschungen weiter und vielseitiger gestaltet. Wo der Platz es zulässt, erhalten die einst begradigten Flüsse wieder einen kurvenreicheren Verlauf.
Und auch dieses Mal verändert der Emscher-Umbau das Stadtbild. Der Mittellauf des Läppkes Mühlenbachs (Stadtgrenze Oberhausen) ist bereits renaturiert. Auch der Oberlauf des Borbecker Mühlenbachs südlich der A40 ist komplett vom Abwasser befreit und naturnah umgestaltet. Nördlich der A 40 wurde 2013 der Abwasserkanal in Frohnhausen und Altendorf gebaut, um auch dort den Borbecker Mühlenbach vom Abwasser zu befreien. Weitere Baustellen: Katernberger Bach und Schurenbach.