Altendorf/Essener Süden. . Irmgard S. erinnert sich an den Festtagen an ihren Vater, der 1939 bei einem Unglück auf der Zeche Hagenbeck lebendig begraben wurde.

An den besinnlichen Weihnachtstagen ist auch die Familie von Irmgard S., immer zusammengerückt. Ein Platz aber blieb in all den Jahrzehnten frei: Der von Vater Hermann, der im Dezember 1939, vor 75 Jahren, bei einem Grubenunglück auf der Zeche Hagenbeck in Altendorf lebendig unter Tage begraben wurde. „Die Erinnerung schmerzt bis heute. Auch an diesen Weihnachtstagen 2014“, sagt Irmgard S. (die nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen will).

Essen vor 75 Jahren: Die kleine Irmgard, gerade fünf Jahr alt geworden, lebt mit ihren Eltern und der älteren Schwester Elfriede in Borbeck. Deutschland ist in einer – unheilvollen – Aufbruchstimmung: Der 2. Weltkrieg hat gerade begonnen. Mitte Dezember wird das Weihnachtsfest im Haus der Familie Schweitzer vorbereitet. „Die Geschenke lagen versteckt im mächtigen Schlafzimmer-Holzschrank meiner Eltern“, erinnert sich Irmgard S. heute. Die Präsente sollten niemals ausgepackt werden.

Irmgard S. verlor vor 75 Jahren nach einem Grubenunglück ihren Vater.
Irmgard S. verlor vor 75 Jahren nach einem Grubenunglück ihren Vater. © Michael Korte

Als die Fünfjährige am Abend des 16. Dezember vom Spielen nach Hause kommt, liegt ein Schleier aus stiller Trauer in der Wohnung der Familie. „Meine Mutter hat mich mit tränengeröteten Augen in den Arm genommen. Ich habe danach den ganzen Abend im Bett gelegen und geweint“, erinnert sich Irmgard S. Auf der Zeche Hagenbeck hat es am Morgen ein Grubenunglück gegeben. Die Hoffnung auf eine Rettung der sechs verschütteten Bergleute, darunter Irmgards Vater Hermann Schweitzer, schwindet schnell. Sie bleiben im Flöz Sonnenschein lebendig begraben, ruhen bis heute in der Tiefe. „Weihnachten ist für mich immer mit der Erinnerung an dieses schreckliche Unglück verbunden. Auch in diesem Jahr“, sagt die 80-Jährige, die im Essener Süden lebt. Als sie das erzählt, kriecht feine Gänsehaut auf ihre Arme.

Mit der Kinderlandverschickung verbringt die kleine Irmgard die Kriegsjahre fern von Essen und dem Bombenkrieg in Crailsheim und im Sauerland. 1945 kehrt sie in ihre zerstörte Heimatstadt zurück, der sie bis heute treu geblieben ist. Sie absolviert eine kaufmännische Ausbildung, heiratet und gedenkt immer wieder ihres Vaters. Mit Blumen am Bergarbeiter-Denkmal „Steile Lagerung“ am Hauptbahnhof. Mit Anzeigen in der Zeitung. Mit Besuchen in der Hagenbeck in Altendorf. Ihr Vater Hermann hat inzwischen, symbolisch, seine letzte Ruhe gefunden. Im Familiengrab in Frintrop an der Seite seiner Witwe Elfriede, der Mutter von Irmgard S.