Essen. . Michael Brand vom DRK Essen wollte Weihnachten daheim feiern. Daraus wurde nichts. Sein Einsatz im Flüchtlingscamp von Al Azraq dauert länger.
Heiligabend ist ein Tag für die Familie. Das ist bei Michael Brand nicht anders. Doch heute wird der 44-jährige Stoppenberger nicht Zuhause im Kreise seiner Lieben feiern. Der DRK-Helfer bzw. Delegierte, wie es korrekt in der DRK-Sprache heißt, ist zurzeit gut 3300 Kilometer Luftlinie entfernt in Jordanien im Einsatz. Dort betreut er technisch das Krankenhaus für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge des Internationalen Roten Kreuzes im Camp Al Azraq.
„Als ich den Anruf aus Berlin bekam, musste ich nur drei Sekunden überlegen“, erinnert sich Michael Brand. Die Freistellung durch seinen Arbeitgeber war Formsache, arbeitet der gelernte Elektroinstallateur doch als Hausmeister beim DRK-Kreisverband Essen. „Nun galt es nur noch, es meiner Familie beizubringen“, so Brand.
Der 44-Jährige ist es nicht das erste Mal weltweit im Einsatz. Vor drei Jahren half er auf den Philippinen, im vergangenen Jahr auf Haiti. „Das waren Naturkatastrophen. Da ging es darum, mit mitgebrachtem Material alles möglichst schnell wieder aufzubauen“, erzählt Michael Brand. In Jordanien sei alles anders. Alles sei vorhanden. Dafür gibt es bürokratische Hürden. „Man muss für jedes Teil, was man ins Krankenhaus bringen will, eine Genehmigung der Polizei haben. Und das dauert 48 Stunden.“
Im Tatendrang durch nichts zu bremsen
Kanadier, Norweger, Finnen und Deutsche helfen vor Ort
Das Camp in Al Azraq, das am 30. April 2014 eröffnet wurde, beherbergt – Stand Heiligabend – 10 879 Flüchtlinge aus Syrien. Ausgelegt ist es für 130 000 Flüchtlinge. Das Krankenhaus des Camps ist für 130 Patienten ausgelegt und mit einem deutschen Kreiskrankenhaus vergleichbar. Im Hospital wird alles behandelt – vom Beinbruch über Verbrennungen, chirurgische und internistische Fälle. Und es gibt Geburten. „Kürzlich hatten wir ,unser’ 50. Kind“, erzählt Michael Brand. Das Krankenhaus wird durch das Internationale Rote Kreuz – vertreten durch Finnland, Kanada, Norwegen und Deutschland – betreut.
Als Michael Brand Mitte November in Al Azraq (ca. 100 km östlich der Hauptstadt Amman und 80 km südlich der syrischen Grenze) eintraf, waren noch 18 Delegierte vor Ort. Durch die schrittweise Ausbildung jordanischer Kräfte sind zurzeit nur noch zehn Delegierte nötig.
Campsprache ist Englisch. „Ein Problem ist es schon, wenn das medizinische Personal mit englischen Fachbegriffen und wir mit technischen arbeiten“, sagt der Essener. Probleme seien aber da, um überwunden zu werden. „Es gibt ja Hände, Füße und Papier und Stifte.“
Der normale Arbeitstag des Stoppenbergers beginnt um 9 Uhr mit einer Besprechung mit den lokalen Vorarbeitern. Danach muss zunächst die Büroarbeit (Berichte, Anträge bei der Polizei etc.) erledigt werden. Neben den „handwerklichen“ Aufgaben – wie die Reparatur eines großen Sterilisators – steht am Nachmittag meist eine kleine Fortbildung der Mitarbeiter auf dem Programm. Themen sind unter anderen das Rote Kreuz/Roter Halbmond oder der sichere Umgang mit Werkzeugen. Um 16.30 Uhr ist Feierabend für die Mitarbeiter. Für Michael Brand beginnt dann die Rufbereitschaft.
Klimatisch hat es der 44-Jährige zurzeit etwas besser als wir. Tagsüber steigt das Thermometer auf 25 Grad. Mit der Klimaanlage sei das aber auszuhalten. Und sollte sie mal ausfallen, muss wohl keiner lange schwitzen. Michael Brand würde das Problem sicher lösen.
In seinem Tatendrang lässt sich Michael Brand dadurch nicht bremsen. Eine seiner wichtigsten Aufgaben sei es, die lokalen Arbeiter zu schulen, dass sie zukünftig den technischen Bereich des Hospitals allein aufrechterhalten können. „Das wohl wichtigste Projekt für die Flüchtlinge, das ich hier umgesetzt habe, ist der Bau eines neuen Zahnarztgebäudes – vom Fundament bis zur Einrichtung“, sagt Michael Brand. Ein für ihn persönlich sehr wichtiges Projekt, der Aufbau einer Löschleitung und einer kleinen „Krankenhaus-Feuerwehr“, stehe kurz vor dem Abschluss.
Das Freizeitangebot im Camp ist überschaubar. „Ich gehe schon mal einfach nur zur Ablenkung in den Supermarkt oder ich backe für das komplette Personal Kuchen.“ Immerhin 130 Menschen.
Heiligabend ist für Brand ein normaler Arbeitstag. Der 25. Dezember ist in Jordanien hingegen auch Feiertag. Die einheimischen Mitarbeiter des Krankenhauses wünschen sich ein typisch deutsches Essen. Michael Brand wird dem Koch assistieren. „Für die Delegierten kochen die Jordanier Mansaf, ein lokales Gericht aus Schaffleisch in einer Soße aus Ziegenkäse und Buttermilch mit Reis“, erzählt Brand.
Eigentlich war geplant, dass der 44-Jährige zu Heiligabend wieder zurück sein würde. Doch seine Ablösung aus Finnland kann aus privaten Gründen erst zum Jahresende kommen. „Meine Familie war nicht gerade erfreut, als sie davon erfuhr, aber sie versteht es auch, dass die Menschen hier Hilfe brauchen.“ Bis dahin hält er weiterhin per Internet – wenn es denn funktioniert – Kontakt mit daheim.
Entspanntes Wannenbad
Seine Vorfreude auf das Wiedersehen, auf ein schönes Schweinkotelett und ein entspannendes Wannenbad muss er sich ein paar Tage länger bewahren. „Aber wenn ich mich im Camp so umsehe, denke ich, die Familie ist wichtig – und alles andere ist Luxus. Man lernt hier, mit wenig glücklich zu sein.“
Und das werde er aus Jordanien mit nach Hause nehmen.