Essen. . Mit Hilfe der Spieletonne hat die „Neue Arbeit“ der Diakonie erfolgreich Kontakt zu den scheuen Bewohnern der Schrott-Immobilie Gladbecker Straße aufgebaut.
Dass die muntere Kinderschar jetzt bei Spekulatius und Kakao eifrig spielt und bastelt, ist für die Leute von der „Neuen Arbeit“ der Diakonie eine kleine Sensation. Denn es sind die Kinder aus der Schrott-Immobilie Gladbecker Straße 305-309. Jenem Problemhaus in Altenessen, das in den letzten Wochen monströse Schlagzeilen von Müll, Verwahrlosung und noch mehr von skrupelloser Ausbeutung lieferte. „Ich bin baff, dass so viele zu uns ins Paul-Humburg-Haus gekommen sind“, lacht Sozialarbeiter Florin Chiru, der aus Rumänien stammt und ihre Sprache spricht.
Sie heißen Vasile, Ion, Tudor Pablo, Nicolas Antoniu, Narcis, Mirela, Florentina und Christiano. Die Mehrheit dieser Roma-Kinder ist mit den Eltern vor Demütigung und bitterer Armut in der Heimat geflüchtet, um sich im vermeintlichen Wohlstandsparadies Essen in neuem Elend wiederzufinden. Es ist ein scheuer, ja misstrauischer Menschenschlag, der normalerweise allen aus dem Wege geht, die nach Behörde und Obrigkeit aussehen. Doch den Leuten von der „Neuen Arbeit“ scheint das schier Unmögliche zu gelingen: nämlich die meterhohen, dicken Mauern zu den Roma-Familien einzureißen.
Mit der Spieletonne auf dem Hinterhof
„Wir sind im Oktober einfach mit der Spieletonne auf den Hinterhof gegangen“, erzählt Chirus Kollegin Kirsten Agricola. Sie hatten Bälle und Wurfspiele dabei, Springseile – und den entwaffnenden Spruch: „Leute, wir beißen nicht.“ Das saß. Mal kamen an den Dienstagen zehn Kinder, mal nur fünf. Doch seitdem das Spieletonne-Team wegen des kalten Wetters in das Paul-Humburg-Haus umgezogen ist, passiert genau das, was von vornherein beabsichtigt war: dass mit den nun 20 Kindern auch die Eltern kommen – aus freien Stücken wohlgemerkt. „Das war vor vier Wochen noch undenkbar“, sagt Gabriele Baumgart, Fachbereichsleiterin der „Neuen Arbeit“.
Die Spieletonne und „Migranten in Arbeit“
Die Spieletonne will die Kinder im Wohnblock Gladbecker Straße in ihrer Entwicklung fördern. Ferner will man die Isolierung der Menschen durchbrechen und so die Erwachsenen erreichen.
Das Kommunale Integrationszentrum hat 2014 mit der Neuen Arbeit das zweijährige Projekt „Migranten in Arbeit“ gestartet. Gefördert wird es mit EU-Mitteln des Europäischen Sozialfonds.
Die Spieletonne ist Teil des EU-geförderten Projekts „Migranten in Arbeit“ (MiA). Doch die Männer aus der Schrott-Immobilie Gladbecker Straße in sozialpflichtige Beschäftigung zu vermitteln, ist zurzeit quasi unmöglich. „Denn kaum jemand hat eine Berufsbildung und fast niemand spricht Deutsch“, sagt Günter Blocks vom Kommunalen Integrationszentrum. Die meisten verdingen sich deshalb als Schrottsammler oder Tagelöhner.
MiA-Projekt bietet Sprachkurse für Armutsflüchtlinge
Das MiA-Projekt der „Neuen Arbeit“ päppelt die rumänischen Armutsflüchtlinge nun langsam auf – zum Beispiel mit Sprachkursen. „Die bieten wir im Paul-Humburg-Haus drei Mal in der Woche an“, sagt Gabriele Baumgart. Ihre Hoffnung: Wer Deutsch spricht, kann eher Behördengänge erledigen und eines Tages gar Bewerbungsgespräche führen. Überhaupt: Je besser gerüstet für das Leben in Essen, desto unabhängiger sind die Rumänen von jenen „Halb-Mafiosi“, die aus Schrott-Immobilien ein Geschäftsmodell machen und sie auspressen. Nach drei Monaten schöpft Sozialarbeiter Chiru Hoffnung, dass der Samen, den sie säen, aufgeht: „Ich bin glücklich, dass die Kinder froh sind und ihre Eltern uns angenommen haben“, sagt er. Und fügt hinzu: „Die Kinder sind der Schlüssel.“