Essen. 11.000 Arbeitslose sind aus der Statistik der Agentur für Arbeit verschwunden. In Wirklichkeit schneidet Essen in der Bilanz besonders schlecht ab.

Es ist kein neues Phänomen auf dem Arbeitsmarkt, doch selten trat es so deutlich zutage wie in der jüngsten Statistik der Agentur für Arbeit: Während die Behörde am Berliner Platz für den November einen erfreulichen Rückgang der Arbeitslosen um 330 Essener und damit 0,9 Prozentpunkte meldete, waren tatsächlich 1.551 Bürger mehr ohne Job als im gleichen Monat des Vorjahres, kritisiert das Hartz IV-Netzwerk Essen (BG45). Die Zahl der Arbeitslosen liege damit um fast ein Drittel höher, und die tatsächliche Erwerbslosenquote habe bei 16 Prozent und nicht bei den gemeldeten 12,1 Prozent gelegen.

Dieses deutliche Dilemma taucht auf den offiziellen Deckblättern der Agentur für Arbeit nicht auf, sondern allenfalls in der weniger beachteten angehängten Bilanz der so genannten Unterbeschäftigung. „Seit Jahren werden ganze Gruppen von Erwerbslosen nicht mehr mitgezählt“, sagt Jörg Bütefür, Vorsitzender von BG45: Erwerbslose, die krank sind, einen Ein-Euro-Job haben, die, die an Weiterbildungen teilnehmen, oder älter als 58 Jahre sind. Auch wenn private Arbeitsvermittler mit im Spiel sind, werde ein Klient nicht als Arbeitsloser erfasst, obwohl er unter Umständen gar keinen Job habe.

Nachteil für ältere Menschen

Bütefür hat nachgerechnet, was das für Essen bedeutet: 11.218 Menschen spielten auf den ersten Seiten des Arbeitsmarktsberichts zuletzt keine Rolle. Darunter sind 2.537 Ein-Euro-Jobber, 2.927 Menschen in Maßnahmen und 3.889 Arbeitslose, die über 58 Jahre alt sind. Im September waren es noch 3.775. Die Zahl der Menschen, denen in den vergangenen zwölf Monaten kein einziger Job angeboten wurde, steigt also weiter.

Zuletzt hatten auch Wohlfahrtsverbände die „geschönte Statistik“ zum Nachteil vor allem der älteren Menschen ohne Job deutlich kritisiert. Andreas Meiwes, Caritas-Direktor im Bistum Essen hatte es als skandalös bezeichnet, dass ältere Hartz IV-Empfänger am stärksten vom Langzeitleistungsbezug betroffen sind, aber kaum arbeitsmarktpolitische Förderung erhalten“. Ludger Jutkeit, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen kritisierte, dass „die in unzähligen Sonntagsreden hochgeschätzte berufliche Kompetenz und Erfahrung unserer älteren Mitbürger ad absurdum geführt wird“.

Essen schnitt besonders schlecht ab

Fakt sei: Ältere Hartz IV-Empfänger haben ein überdurchschnittlich hohes Risiko einer langfristigen Hilfebedürftigkeit. Zudem werden erwerbsfähige Leistungsberechtigte über 50 Jahre seltener gefördert, heißt es in einem Report, den die Wohlfahrt zusammen mit dem Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz herausgegeben hat. Darin schnitt Essen besonders schlecht ab: Die Zahl derer, für die sich seit mehr als einem Jahr kein Arbeitgeber interessiert hat und die folglich nicht vermittelt werden konnten, war zuletzt mit 3.775 die höchste im ganzen Land. In Duisburg zum Beispiel waren mit 2.389 rund 1.400 über 58-Jährige weniger davon betroffen.

Die BG45 will künftig regelmäßig die ungeschminkten Arbeitslosenzahlen veröffentlichen: www.bg45.de.