Essen. Die spektakuläre Razzia Ende Oktober in einer Häuserzeile an der Gladbecker Straße war nicht die einzige in Essener Problemhäusern: Es gab schon 15 Kontrollen. Die WAZ hat hinter die Kulissen dieser überwiegend von Armutsflüchtlingen bewohnten Schrottimmoblie an der B 224 geschaut. Ins Visier rückt zunehmend der Eigentümer.

Die Problemhäuser auf der Gladbecker Straße geben nicht nur an diesen trüben Novembertagen ein tristes Bild ab: Fenster sind herausgerissen, alle Haustüren stehen sperrangelweit offen, Müllcontainer quellen über und der Sperrmüll türmt sich auf dem mit Scherben übersäten Hinterhof. Armutsflüchtlinge aus Rumänien und Bulgarien hausen in dieser Schrottimmobilie. Die Häuserzeile an der B 224, nur wenige Autominuten entfernt von der Lichtwochen hellen Essener City, droht umzukippen. Der wohl finsterste Schandfleck der Stadt, er ist eine tickende Zeitbombe.

„Zigeunerhaus“ nennen die wenigen verbitterten Alteingesessenen diese Skandal-Immobilie. Ein verstörender Fall, der jede Mengen Fragen aufwirft: Bahnt sich hier dieselbe explosive Entwicklung an wie „In den Peschen“, dem berüchtigten Duisburger Horrorhaus? Oder: Wer hat Schuld an der drohenden Gettoisierung? Und vor allem: Wie ist dieser schleichende Zerfall zu stoppen?

Spitzenbeamter im Rathaus nennt Eigentümer „Halb-Mafioso“

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© Grafik: Helge Hoffmann

Auf den ersten Blick scheinen die Übeltäter schnell gefunden: die Bewohner selbst. Undurchsichtige Typen mit Stoppelbärten sowie Kopftuchfrauen in Folkloreröcken mit Kindern auf dem Arm. Doch je intensiver man hinter die Kulissen der Problemhäuser Gladbecker Straße 305 bis 309 und De-Wolffstraße 2 nebenan schaut, desto mehr rückt ein anderer in den Mittelpunkt: Yalcin D. (40), der sich als Hauseigentümer vorstellt. Ein umtriebiger und erfolgreicher Geschäftsmann aus Gelsenkirchen, den ein Spitzenbeamter im Rathaus hinter vorgehaltener Hand unverblümt einen „Halb-Mafioso“ nennt. Laut Grundbuch ist zwar Vater Zekeriya D. der Eigentümer. Aber Yalcin D. kümmert sich ums operative Geschäft des Clans.

Melderecht dient Ordnungsdezernat als Hebel

„Die Stadt tut ja nichts“. Wer genervte Anwohner der Schrottimmobilie befragt, wird diese Klage immer wieder hören. Richtig ist dieser Vorwurf allerdings nicht. Im Gegenteil: Als das Duisburger Horrorhaus in die Schlagzeilen kam, wurde im Ordnungsdezernat eine Strategie entwickelt, damit dergleichen nicht in Essen passiert. Das Motto: Wehret den Anfängen. Um potenzielle Problemhäuser auszuleuchten, hat Dezernent Christian Kromberg einen pfiffigen juristischen Hebel gefunden: das Melderecht.

In aller Stille hat die Stadt in letzter Zeit 15 Häuser unter die Lupe genommen. Die Razzia in der Gladbecker Straße am 23. Oktober um 5.45 Uhr zählte zu den spektakulärsten. Neben Mitarbeitern von Meldeamt, Bauordnung, Ordnungs- und Jugendamt kam zu deren Schutz auch ein beachtliches Polizeiaufgebot zum Einsatz. Bemerkenswert im Fall Gladbecker Straße: Hier wurden 46 gemeldete Personen, darunter komplette Familien, gar nicht angetroffen. Eine eklatant hohe Zahl, die umgehend Nachforschungen auslöst.

Die Stadt hat inzwischen den Hauseigentümer angeschrieben und um Aufklärung gebeten. Eine denkbare Konsequenz: Kann er das Melde-Chaos in seinen Häusern nicht zufriedenstellend begründen, werden die Falsch-Melder „von Amtswegen“ abgemeldet.

Ein böser Verdacht drängt sich auf: Sind hier skrupellose Geschäftemacher am Werk? Abzocker, die sie in Holland „huisjesmelker“ nennen – „Häusermelker“? Leute, die marode Immobilien zum Spottpreis aufkaufen und daraus maximalen Profit schröpfen? Dann wären die Armutsflüchtlinge nicht nur Täter, sondern noch mehr sogar Opfer.

Letztere zum Sprechen zu bringen, ist so gut wie unmöglich, nicht nur, weil sie kein Wort Deutsch verstehen. „Sie werden eingeschüchtert und sind misstrauisch gegenüber jedem, der nach Staat aussieht“, sagt ein Streetworker. Einen anderen, der seinen Fuß in die Problemhäuser setzte, flehten sie sofort an: „Holt uns hier raus, wir wollen Arbeit und eine anständige Wohnung.“

Ob im Rathaus oder bei den Stadtwerken: Die Causa Gladbecker füllt längst ganze Aktenordner – darin Ordnungsverfügungen und Gerichtsakten, Bußgeldandrohungen und Mahnbriefe. Anfang Mai stellten die Stadtwerke in der De-Wolffstraße 2 nebenan das Wasser ab, weil Eigentümer D. die Rechnung nicht bezahlt hatte. Zeugen berichten von beklemmenden Szenen, wie man sie eigentlich nur aus Dritte-Welt-Slum-Dokus kennt. „Die Leute haben sich mehrere Tage lang das Wasser in Kanistern von der nächsten Tankstelle geholt“, berichtet ein Zeuge.

Alteingesessene Anwohner klagen: „Das ist ein Slum“

Die 78 Jahre alte Dame aus der Gladbecker Straße ist in Altenessen geboren und aufgewachsen. Ein Stadtteil, in dem sie tief verwurzelt ist. Und den sie manchmal nicht mehr wiedererkennt. „Wir halten unser Haus in Schuss, aber rund herum geht alles den Bach runter“, sagt die resolute Hauseigentümerin. Und fügt verbittert hinzu: „Ich bin sauer, dass man meine Heimat so absacken lässt.“

Zu den Problemhäusern schräg gegenüber hat die alte Dame übrigens eine besonders innige Beziehung. „Anfang der sechziger Jahre hat mein Mann in einem dieser Häuser gewohnt, hier haben wir uns kennengelernt“, erzählt sie. Seit 1963 sind die beiden ein Paar, letztes Jahr war Goldene Hochzeit. Damals, erinnert sich die Altenessenerin, sei dieses überwiegend von Bergleuten bewohnte Quartier völlig intakt gewesen. Sonntags sei der wohlige Duft von Schweinebraten und Rotkohl durch die Treppenhäuser der Zechenhäuser gezogen. „Heute stehen die Haustüren von morgens bis abends offen.“ Die Altenessenerin will die verwahrlosten Häuser nicht mehr sehen. „Die müssen abgerissen werden, das ist ein Slum.“

Thomas Rüth vom Jugendhilfe Netzwerk der Arbeiterwohlfahrt kennt die widrigen Lebensbedingungen der Roma in ihrer rumänischen Heimat aus eigener Anschauung. Der Essener hat im Sommer Roma-Gettos bei Bukarest und Sibiu (Hermannstadt) besucht und schockierende Eindrücke mitgenommen. 60 Prozent würden dort in Blechhütten ohne Strom und fließendes Wasser leben. „Wir haben Kinder gesehen, die mit verklebten Haaren und in Lumpen unterwegs waren.“ Die meisten Armutsflüchtlinge würden von obskuren Schlepperbanden mit phantastischen Versprechen nach Deutschland gelotst. „Die machen ihnen weis, dass bei uns gebratene Hähnchen vom Himmel fallen.“ So mancher würden sich dafür verschulden und die letzten Ersparnisse aufbringen.

„Betreuer“ sind ein wichtiges Glied im Geschäftsmodell der „Häusermelker“

Einem Mitarbeiter des Hausbesitzers rutscht im Gespräch mit der WAZ heraus, dass so genannte „Betreuer“ sich um die Bewohner kümmern würden und besonders bei Behördengängen behilflich seien. Experten wissen, dass solche „Betreuer“ ein wichtiges Glied im Geschäftsmodell der „Häusermelker“ darstellen. In Dortmund etwa, einer Roma-Hochburg im Revier, vermitteln solche Betreuer den Neuankömmlingen in der nächstbesten Bruchbude ein Matratzenlager für 10 bis 15 Euro die Nacht. „Für eine Anmeldung im Rathaus kassieren sie schon mal 300 Euro“, heißt es. Ein absurder Preis für eine Leistung, die eigentlich unentgeltlich ist. Aber eine Anmeldung bedeutet für einen Armutsflüchtling - und mehr noch für den Profiteur dahinter - in der Regel bares Geld: Werden Kinder ins Melderegister eingetragen, fließt nämlich Kindergeld, mitunter sogar sehr viel. An vielen Meldeämtern im Revier spielen sich tagtäglich solche Szenen ab: Ein „Betreuer“ fährt mit einem vollbesetzten Sprinter vor und rückt mit einem halben Dutzend Leuten ins Amt ein.

Vermüllung – die Stadt Essen braucht einen langen Atem

Die Vermüllung der Problemhäuser bringt Nachbarn und Passanten regelmäßig in Rage. Seit Wochen türmen sich an der Hövelstraße Berge von Sperrmüll. Die Bewohner, sehr aktiv im Schrotthandel, schlachten Elektrogeräte aus und werfen den unnützen Rest auf den wachsenden Haufen. Aber auch Fremde fahren vor und bringen Müll mit.

Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die Stadt jetzt einen wichtigen Teilerfolg erzielt. Der Richter stellte fest, dass der Eigentümer für den Müll auf seinem Grundstück verantwortlich ist – egal, ob seine Mieter oder Fremde ihn dort hingeworfen haben. Noch vier Monate hat D. jetzt Zeit, um an der freien Flanke einen Zaun zu errichten. Die EBE fährt zu vereinbarten Terminen den Sperrmüll ab. Vor schnellen Erfolgen wird aber gewarnt. „Wir brauchen einen langen Atem“, heißt es.

Werden auch die Bewohner der Gladbecker mit krimineller Energie ausgenommen? Werden sie genötigt oder gar erpresst? Nun, dieser Verdacht besteht, und Indizien gibt’s inzwischen genug. „Womöglich werden die Mieter durch völlig überhöhte Nebenkosten abgezockt“, heißt es. Zeugen berichten, dass einmal im Monat ein „dicker Schlitten“ an der Gladbecker vorfahre und die Mieter Bargeld durchs Fenster steckten.

Ein Hinweis der Gelsenkirchener Stadtverwaltung scheint zu erhärten, dass Yalcin D. mit Problemhäusern auch anderswo ein florierendes Geschäftsmodell betreibt. „Er steht mit drei, überwiegend von Rumänen bewohnten Häusern, auf unserer Liste und wird vom Interventionsteam beobachtet“, bestätigt Stadtsprecher Martin Schulmann dieser Zeitung.

Vermüllte Problemhäuser

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Foto: Gerd Niewerth
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Eigentümer: „Ich tue der Stadt doch einen großen Gefallen“ 

Yalcin D., seit gut drei Jahren Mit-Eigentümer der Schrottimmobilien, ist ein ausgesprochener Wohltäter und Menschenfreund. So jedenfalls sieht sich der 40 Jahre alte Gelsenkirchener selbst. „Ich tue der Stadt doch einen großen Gefallen, wenn ich den Leuten eine Wohnung gebe“, betont er. „Die Stadt baut ja nichts für diese Leute.“

Der Geschäftsmann, ein Mann mit gepflegtem Dreitagebart, unruhigen kleinen Augen und schütterem Haar, will selbstsicher wirken. Wenn er mit seinen Armen lässig gestikuliert, fällt der Blick des Betrachters sofort auf den imposanten Edelstein an seinem Ring: sauerkirschengroß und rubinrot.

Strategie der Nadelstiche auch bei Baumängeln

Die Liste der Baumängel ist lang und provoziert einen weiteren Nadelstich: In Haus Nummer 309 hat die Bauordnung den Eigentümer per Ordnungsverfügung und unter Androhnung eines 2000-Euro-Zwangsgeldes aufgefordert, den nicht genehmigten Innenausbau auf dem Dachboden einzustellen. Ferner müsse er dafür sorgen, dass Mängel an der Elektroinstallation sowie Möbel und Kartons aus den Fluchtwegen geräumt werden.

Erfreulich aus Sicht der Stadt: Einige angemahnte Mängel (Räume unter Wasser; explodierte Toilette) sind beseitigt worden. Die neue Heizung sei allerdings noch nicht genehmigt. Das Foto zeigt eine renovierte Wohnung in Nummer 309.

D. weiß, dass die Stadt ihn im Visier hat und – bildhaft gesprochen – einen Fuß in seine Häuser gesetzt hat. Das Schmuddel-Image ist ihm deshalb lästig. Eigentlich habe er in den Häusern schicke Studentenwohnungen einrichten wollen – mit Laminatböden und Internetanschluss. Jetzt sind die Häuser fast ausschließlich von Rumänen bewohnt. Und D. sagt: „Es ist wichtig, dass sie alles sauber halten und die Miete zahlen.“ Gern wirft er mit Zahlen um sich, die Eindruck schinden und wohl auch einschüchtern sollen. 400 Mitarbeiter würde er in seiner Reinigungsfirma, den Restaurants und in der Immobilienverwaltung beschäftigen. „Und als Vorsitzender von Hedefspor in Hattingen stehen 1000 Leute hinter mir.“

Mesut Özil kenne er ebenso gut wie die beiden Altintops

Hedef ist türkisch und heißt Ziel. Und hohe Ziele verfolgt D., der in Gelsenkirchen-Bismarck einst Chef von Istanbulsport war, mit dem Fußball-Landesligisten viele. Er beschwört die Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen, ja sogar mit der Kirche. Öffnen wolle er den 1982 gegründeten Multi-Kulti-Klub, dem jetzt Menschen aus 23 Nationen angehören. Auch ein Frauen-Team will er auf die Beine stellen. Er selbst habe nie aktiv Fußball gespielt, er sei Kraftsportler, betont der 40-Jährige. Aber er lässt immer wieder durchblicken, dass er über ausgezeichnete Kontakte in die obersten Etagen des Fußballs verfüge. Gerne lässt er prominente Namen von Restaurantgästen fallen, wie etwa den von Nationaltorhüter Manuel Neuer („hat immer den Grillteller bestellt“). Mesut Özil kenne er ebenso gut wie die beiden Altintops, gebürtige Gelsenkirchener wie er. Er hoffe, dass sie demnächst bei Hedefspor vorbeischauen.

Wie ergeht es den Kindern in den Problemhäusern?

Wie ergeht es eigentlich den Kindern in den Problemhäusern? Anwohner berichten, dass sie im Sommer manchmal schon um 4.30 Uhr draußen herumliefen. Andere sind fassungslos, wenn sie die Kinder auf dem sehr schmalen Bürgersteig spielen sehen. „Manchmal laufen sie sogar auf die 224.“

17 Kinder sind amtlich erfasst, davon besuchen fünf einen Kindergarten. Von den übrigen zwölf würden die meisten beschult – in der Maria Kunigunda Grundschule und in den Hauptschulen Bischofstraße und Bochold. Aber einige, so heißt es, schwänzten den Unterricht. Die Stadt, auch hier am Ball, hat Beratungstermine für die Schwänzer und ihre Eltern anberaumt.

Es ist unübersehbar: Der Spross eines anatolischen Gastarbeiters bei Thyssen, aufgewachsen in kleinen Verhältnissen in Schalke, ist stolz darauf, es zu einem erfolgreichen, wohlhabenden und auch einflussreichen Mitglied dieser Gesellschaft gebracht zu haben. Bis 2004 hat er dem Ausländerbeirat Gelsenkirchen angehört, ferner ist er Mitglied der Christlich Demokratischen Union. „Ich muss kein Bier trinken und Schweinefleisch essen, um integriert zu sein“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ich bin beides: Türke und Deutscher.“

Seine Mieter nimmt er, ganz der gütige Patron, gegen alle möglichen Anwürfe in Schutz. Er sagt: „Das sind Menschen, die hier eingezogen sind.“ Und die Berge aus Sperrmüll? Der ganze Unrat? „Die Stadt hat den Sperrmüll nicht abgeholt und Fremde werfen über Nacht neuen Müll dazu“, erwidert er. Doch eine Passantin, die seit 40 Jahren auf der Hövelstraße wohnt, greift D. auf dem Bürgersteig frontal an. Beim Sprechen drückt sie ihren Zeigefinger energisch in seine Schulter und sagt: „Ihre Leute schmeißen den Müll aus dem Fenster und klauen. Das ist eine Schande.“ D. indes behauptet: „60 Prozent der Wohnungen sind schon renoviert, ich mache weiter.“

Essen berät Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien beim Einstieg in den Arbeitsmarkt 

Für Menschen aus den EU-Mitgliedsländern Rumänien und Bulgarien gilt seit Anfang dieses Jahres die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. In Essen leben inzwischen 2539 Rumänen und 1504 Bulgaren. Eine Zahl, die immer noch rasant steigt. Zum Vergleich: Im September 2013 waren es zusammen noch 3000.

„Schrotthändler“ wird oft als Beruf genannt

Wie bestreiten die Bewohner der Problemhäuser eigentlich ihren Lebensunterhalt? Bei der Anmeldung geben Armutsflüchtlinge oft Schrotthändler als Beruf an. Viele sind Tagelöhner und Schwarzarbeiter. Am Ende der Hövelstraße nimmt ein Metallgroßhandel Schrott an, der oft in geklauten Einkaufswagen herangekarrt wird. Für 100 Kilo gibt’s 10 und 15 Euro.

Seriöse Schrottsammler berichten, dass die Rumänen meist ohne Lizenz sammelten. Die Zeiten, als sie sich vor dem Recyclinghof Altenessen aufbauten und mit ziemlich rabiaten Mitteln private Anlieferer illegal abfischten, sind vorbei. Die EBE hat dieser Wegelagerei im April 2013 einen Riegel vorgeschoben, indem sie das Schild „Für Unbefugte verboten“ aufstellte. Das wirkte.

„Migranten in Arbeit“ heißt ein Projekt des Essener Diakoniewerks, das sich speziell um Zuwanderer aus diesen beiden Ländern kümmert. Flyer in den Landessprachen werben in Essen für diesen kostenlosen Dienst. „Cautati un loc de munca?“ heißt es darin: „Suchen Sie eine Arbeit?“.

Hinweise auf illegale Beschäftigungen

Doch die oft miserabel (oder gar nicht) ausgebildeten Bewohner von Problemhäusern – etliche sind Analphabeten – erfüllen nur in Ausnahmefällen die Voraussetzungen für den hiesigen Jobmarkt. Es gibt deutliche Hinweise, dass die Bewohner überwiegend illegalen Beschäftigungen nachgehen. Auch der Prostitution? „Dafür gibt es keine gesicherten Erkenntnisse“, heißt es ausweichend bei der Stadt. Doch Zeugen berichten sehr wohl, „leicht bekleidete junge Frauen“ in einem der Problemhäuser angetroffen zu haben. Auch der Mitarbeiter eines Cafés schräg gegenüber erzählt, dass Frauen aus den Problemhäusern auf dem nahegelegenen Straßenstrich (Alter Kirmesplatz Gladbecker Straße) anschaffen würden.

In punkto Straftaten sind die Problemhäuser der Polizei nicht aufgefallen. „Es gibt kein kriminelles Umfeld“, heißt es im Präsidium.