Essen. . Der Lokführerstreik und die Folgen: Alle Taxis sind am Donnersag im Einsatz - ADFC rät Pendlern, möglichst aufs Rad umzusteigen - Mitfahrzerzentrale registriert deutlich mehr Buchungen - EVAG befürchtet Staus und Verspätungen
Endlich füllt sich wieder die Kasse. Die Flaute im Taxigewerbe hat ein jähes Ende gefunden. Wenn auch nur für kurze Zeit. Die Taxifahrer zählen zu den größten Gewinnern dieses Lokführerstreiks. Vier goldene Tage. „Alle unsere 350 Taxis sind im Einsatz“, kündigt Albert Mertes, Geschäftsführer von Taxi Essen, an. „Da lässt sich keiner bitten. Jeder weiß, danach kommt wieder ein Loch.“
Mertes rechnet in den nächsten Streiktagen mit einem regelrechten Ansturm und rät Kunden, möglichst frühzeitig vorzubestellen. Schon am Mittwoch nahmen die Mitarbeiter in der Telefonzentrale deutlich mehr Aufträge entgegen. Auch zum Flughafen Düsseldorf - wer will schon seinen Flieger verpassen? „Es fahren zwar Züge, aber man weiß nicht welche“, sagt der Taxi-Chef. Da geht man doch lieber auf Nummer sicher. Diejenigen, die auf dem Weg zur Arbeit spontan ein Taxi suchen, haben am Hauptbahnhof noch die größten Chancen. Auch S-Bahn-Haltepunkte in Essen behalten die Fahrer im Blick - falls möglich.
Mit dem Fernbus nach Köln
Michael Caspersen kümmert sich um Reisende, für die das Taxi zu teuer ist. Sein Büro im Parkhaus an der Freiheit liegt strategisch besonders günstig am Hauptbahnhof. Denn dort kann der Geschäftsführer der „Mitfahrzentrale Essen“ enttäuschten Bahnkunden vielleicht schnell weiterhelfen und Fahrten in Fernbussen oder Privatautos vermitteln. Der Bus sei die bessere Alternative. „Da kann man sich wirklich darauf verlassen, dass er kommt“, betont Caspersen und verweist auf das große Angebot mit fast hundert Fahrten am Tag.
Er prognostiziert bis Montag 50 Prozent mehr Buchungen. Doch für die meisten Berufspendler kommen die Fernbusse kaum infrage. Tickets für Ziele von unter 50 Kilometern Entfernung dürfen nicht verkauft werden. Das nächstmögliche Ziel ist also Köln. „Dorthin fährt alle zwei Stunden ein Bus“, so Caspersen. Für neun bis 14 Euro.
"Satteln sie auf das Fahrrad um!"
Für die kurzen Strecken hat Jörg Brinkmann, Vorsitzender des ADFC Essen, einen Tipp. „Satteln sie auf das Fahrrad um!“, empfiehlt er. Der Streik biete Gelegenheit, die Strecke zur Arbeit auszutesten. „Entfernungen von bis zu fünf Kilometern sind ideal. Aber auch zehn Kilometer kann ein normaler Radfahrer gut schaffen.“ Die Gruga-Bahntrasse durch den Süden ermöglicht einen relativ schnellen Anschluss nach Mülheim und auf der Rheinischen Bahntrasse von Borbeck in die Innenstadt.
Die Wege zu den Nachbarstädten werden für viele Pendler allerdings auf dem Radl doch zu anstrengend sein. Noch. „Wenn der Ruhrradschnellweg kommt, wäre das eine echte Alternative“, meint der Essener ADFC-Chef.
Nils Hoffmann scheint schon jetzt kein Weg zu weit sein. Streik - na und? Es läuft auch ohne S-Bahn. Der Mann schwingt sich am Donnerstagmorgen auf sein Rad und strampelt von Langenberg rund 25 Kilometer bis zu seinem Arbeitsplatz - zur EVAG-Zentrale. Dort wird der Unternehmenssprecher - wie erwartet - feststellen, dass etliche S-Bahnkunden auf die Züge der EVAG ausweichen werden, vor allem auf die U 18 nach Mülheim, auf die 107 nach Gelsenkirchen oder ab Steele auf die Tram-Linie 109 - parallel zur S9. Die EVAG geht davon aus, dass während der Streiktage die Zahl der Fahrgäste um rund zehn Prozent steigen wird.
Zusätzliche Staus wahrscheinlich
Doch zusätzliche Züge und Busse wird die EVAG deshalb nicht einsetzen, kann sie auch nicht. „Wir können nicht adäquat reagieren. Dafür bräuchten wir einen Generalauftrag von der Stadt, und zudem fehlen uns dafür Fahrzeuge und das Personal“, gibt EVAG-Sprecher Hoffmann zu bedenken.
Die Essener Verkehrsgesellschaft ist indirekt selbst vom Lokführerstreik betroffen, weil noch mehr Pendler mit dem Pkw fahren werden. Mit der Folge, dass es zusätzliche Staus auf Essens Straßen geben wird, und damit hier und da der Fahrplan der EVAG aus dem Takt geraten wird. Und das ausgerechnet im verkehrsstärksten Monat des Jahres. Hoffmann: „Wir müssen mit Verspätungen im Stadtgebiet rechnen.“
Am Stau vorbei
Also doch lieber aufs Fahrrad? Bei solch massiven Verkehrsbehinderungen, die befürchtet werden, haben Biker jedenfalls einen entscheidenden Vorteil: „Sie können am Stau vorbeiradeln“, erklärt Jörg Brinkmann vom ADFC.
Sogar das Wetter scheint da mitzuspielen. Nach den aktuellen Prognosen bleibt es bis zum Ende des viertägigen Streiks trocken - bei Spitzentemperaturen von elf Grad heute und bis zu 15 Grad am Wochenende.
Nur am Freitag muss der ein oder andere Radfahrer mit Gegenwind rechnen.