Duisburg-Friemersheim. Rund 100 drogenabhängige Straftäter werden im Niederrhein Therapiezentrum Duisburg therapiert. Zwei Patienten erzählen ihre Geschichten.
Der Weihnachtsmann sieht fröhlich aus. Mit seinen vielen Geschenken in der Hand grinst er den Besuchern entgegen, die das Gebäude an der Dahlingstraße in Friemersheim betreten. Rechts neben ihm, ebenfalls auf die dicke Glasscheibe geklebt, die Silhouette eines Rentiers. Die Weihnachtsfeiertage stehen kurz bevor. Für viele das Fest der Liebe, die Zeit, in der Familie einen besonderen Stellenwert einnimmt. Und eine Zeit, die viele emotionaler werden lässt.
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Das ist hier, im Niederrhein Therapiezentrum (NTZ) in Duisburg, nicht anders. Rund 100 Männer leben hinter den hohen Mauern. Und sie alle verbindet eine Gemeinsamkeit: Aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit sind sie zu Straftätern geworden. In der Forensik bietet sich ihnen die Chance auf ein geregeltes Leben. Garantiert? „Nein“, sagt Dr. Dita Zimprichová, Maßregelvollzugsleiterin und Chefärztin im NTZ. „50 Prozent der Leute, die hier sind, gehen anschließend wieder in Haft.“ Darunter auch ein Teil, der mit schweren Rückfällen zu kämpfen hat.
Niederrhein Therapiezentrum Duisburg: Körperverletzung und harte Drogen
Michael Beier hat ein Lächeln auf dem Gesicht. Die Feiertage wird er zuhause verbringen. Zuhause, das ist für ihn dort, wo die Familie ist. Er ist wegen einer Gewalttat hier – „Körperverletzung“, konkretisiert er. Das war vor drei Jahren. Erst verbüßte er seine Haftstrafe in der JVA in Gelsenkirchen, seit rund einem Jahr ist er nun Patient in der Forensik. Ein Leben mit mehr Lebensqualität als im Gefängnis, wie er sagt. Beier wirkt offen, redet ohne Probleme über seinen Alltag zwischen Arbeit, Gruppentherapie und Ausgängen. „Das Leben hier ist ganz anders als in der JVA.“ Dirk Schlebusch nickt ihm zu. Der Kölner ist erst seit rund drei Monaten hier in Therapie. Vorher sei sein Leben durch harte Drogen – unter anderem Heroin – bestimmt gewesen. „Das ist komplett schiefgelaufen. Ich habe in meinem Leben viel Scheiße gebaut“, sagt er unverblümt.
Schlebusch verbringt auch die Feiertage hier. Die Option, die Einrichtung wie andere Patienten für einen begrenzten Zeitraum zu verlassen, hat er noch nicht. Sein drittes Weihnachtsfest in Gefangenschaft. „Sonst ist an Weihnachten immer die Familie gekommen“, erklärt er. Das geht nicht mehr. Im vergangenen Jahr ist sein Vater verstorben, seine Mutter lebt mittlerweile im betreuten Wohnen. Wo genau, das weiß er nicht.
Die Feiertage wird Schlebusch mit dem Team vom NTZ und den anderen Patienten verbringen, die über Weihnachten nicht nach draußen dürfen. „Wir werden zusammen kochen und sitzen dann zusammen.“ Neid, dass er nicht raus darf? Höchstens ein bisschen. „Ich weiß, dass ich das irgendwann auch darf. Ich freue mich für die anderen, die haben sich das ja auch erarbeitet.“ Schlebusch und Beier leben auf der gleichen Station, insgesamt 21 Patienten sind hier untergebracht. Neben den Zimmern mit Duschen gibt es eine Küche, die oft als Gemeinschaftsraum genutzt wird, ein Raucherzimmer und ein Foyer mit Kicker und Tischtennisplatte.
Forensik in Duisburg: Patienten wollen etwas verändern
Dankbar, dass sie in der Therapie lernen, mit ihrer Drogenvergangenheit umzugehen, sind beide. Sie empfinden die Zeit keineswegs als Strafe, auch, wenn es eine ist. „Man lernt hier damit umzugehen“, sagt Schlebusch. Und Beier ergänzt: „Man ist hierhin gekommen, um etwas zu verändern.“ Die Einsicht, dass das Leben in Abhängigkeit und gespickt mit Straftaten nicht lebenswert ist, teilen mittlerweile beide Herren.
Es sind nicht nur die Therapieansätze, sondern auch das Leben und die Gespräche mit- und untereinander, die eine heilsame Wirkung haben. Erfahrungsaustausch steht auf der Tagesordnung. „Mir ist bewusst, dass das hier meine letzte Chance ist. Ich habe das über 30 Jahre lang mitgemacht, habe nie einen anderen Weg gesehen“, sagt Schlebusch. „Ich kann den anderen Leuten hier erzählen, dass ich bis zum Hals in der Scheiße gesteckt habe.“ Auch Beier schätzt das Miteinander. „Ich denke jeden Abend viel nach“, berichtet er. „Und habe vieles aus den Gruppen mitgenommen.“
Forensik in Friemersheim: Patienten sind im Schnitt bis zu 15 Monate hier
Es sind Stützpunkte, die auf das Leben in Freiheit vorbereiten. „Im Schnitt verbringen die Männer hier zehn bis 15 Monate“, weiß Timo Heiber, der zuständige Bereichsleiter für die Pflegepädagogik. Ausgänge, also Tage, an denen die Insassen die Forensik verlassen dürfen, gibt es in einem ersten Schritt in Begleitung. Wer sich das Vertrauen erarbeitet hat, darf auch ohne Personal auf eigene Faust hinaus. Eine Einzelfallentscheidung.
Und: „Wer entlassen wird, für den gibt es das Angebot der Nachsorge“, ergänzt Dita Zimprichová. Ein Instrument, das auch nach der Zeit in der Einrichtung Kraft geben soll. Michael Beier weiß es zu schätzen. Er selbst hat seine Zeit hier eigentlich schon verbüßt, bleibt dennoch aktuell Teil der Wohngemeinschaft. Den Kontakt zum NTZ hält er auch nach seinem Weggang. „Das gibt Sicherheit“, sagt er. „Ich weiß, dass ich hierhin zurück kann.“ Er fühlt sich stark genug für das Leben außerhalb der Forensik. „Wenn ich draußen bin und Cannabis rieche, dann gehe ich der Situation aus dem Weg“, erklärt er. „Die Gedanken sind dann allein bei der Familie.“ So wie bei vielen an Weihnachten.
>>> DAS NIEDERRHEIN THERAPIEZENTRUM IN DUISBURG
- Laut eigenen Angaben werden im Niederrhein Therapiezentrum Duisburg seit Januar 2010 bis zu 100 männliche, drogenabhängige Patienten gleichzeitig therapiert. Die Klinik verfügt über fünf Stationen, aufgeteilt auf drei Häuser.
- Einen besonderen Fokus legt die Einrichtung auf schulische und berufliche Bildung. Patienten können im NTZ Schulabschlüsse sowie berufliche Qualifikationen erwerben, unter anderem in den Arbeitsbereichen Holz- und Metallbearbeitung, Druckerei und Buchbinderei.
- Weitere Informationen zum Therapiezentrum und seinen Aufgaben gibt es im Internet auf www.ntz-duisburg.de