Duisburg-Rheinhausen. Das Bezirksamt in Duisburg-Rheinhausen wird (fast) nur von Frauen regiert. Ein Interview mit Elisabeth Liß, Kirsten Blaschke und Daniela Lehmann.
Immer noch sind Frauen in vielen kommunalen Verwaltungen unterrepräsentiert. Nicht so in Rheinhausen. Mit Elisabeth Liß als Bezirksbürgermeisterin, Kirsten Blaschke als Leiterin der Bezirksverwaltung Rheinhausen und Daniela Lehmann als Mitarbeiterin der Bezirksverwaltung führen dort drei Frauen den Stadtteil an. Zum Weltfrauentag hat Reporterin Nina Meise mit dem Führungs-Trio über Vorteile von Frauen in leitenden Positionen und die Wichtigkeit eines solchen Tages gesprochen.
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Wie wichtig ist Ihnen als Frau und als Politikerin der Weltfrauentag am 8. März?
Liß: Solange wir immer noch ein Ungleichgewicht in der Welt zwischen Männern und Frauen haben und Frauen verfolgt und umgebracht werden, ist er mir natürlich sehr wichtig. Auch, um der Nachfolgegeneration ins Gedächtnis zu rufen, wie viele interessante, wichtige und starke Frauen wir in der Geschichte hatten. Ich habe zum Beispiel gelesen, dass sich eine Frau bereits um 400 für Frauenrechte eingesetzt hat. Es gab und gibt in der Welt immer starke Frauen. Diese Erinnerung kann man mit einem solchen Tag gut ins Leben rufen.
Lehmann: Wie wichtig der Tag ist, zeigt sich in der Hauptstadt, denn in Berlin ist der 8. März sogar ein Feiertag.
In Duisburg ist Rheinhausen nicht der einzige Stadtteil mit einer Bezirksbürgermeisterin, Frau Liß. Ist es überhaupt noch ein so großes Thema, dass Frauen einen Bezirk anführen?
Liß: Für mich ist das normal. Ich bin sehr selbstbewusst erzogen worden. Ich habe mir über so etwas nie Gedanken gemacht. Mein Vater hat mir immer beigebracht, selbstbewusst zu sein und mich auch durchzusetzen.
Haben Sie das Gefühl, sich mehr beweisen zu müssen als Ihre männlichen Kollegen?
Liß: Ich hatte einen Vater, der zum Glück sehr fortschrittlich war und nichts davon gehalten hat, dass Frauen sich nur um den Haushalt kümmern. Er hat mich immer unterstützt. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich mich mehr behaupten musste. Wer an sich glaubt, kann alles schaffen, egal ob Mann oder Frau. Frauen müssen diesen Glauben an sich selbst nur mehr verinnerlichen, denn ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland genügend starke Frauen haben.
Worin sehen Sie Stärken, wenn Frauen einen Bezirk anführen?
Liß: Frauen haben bewiesener Maße mehr emotionale Intelligenz. Deswegen wollen viele Unternehmen heutzutage auch Frauen in Führungspositionen, weil sie ein anderes Händchen haben, mit Mitarbeitern umzugehen und sensibler in bestimmten Situationen agieren. Das, finde ich, ist eine große Fähigkeit, die Frauen haben. Auch wir in Rheinhausen bekommen oft Rückmeldungen, dass sich der Umgangston positiv verändert hat, seit Kirsten Blaschke hier Bezirksmanagerin ist.
Blaschke: Ich würde sagen, die Unterschiede sind sehr marginal mittlerweile. Wir arbeiten alle in einem Boot in der Verwaltung. Es gibt bei uns keinen klassischen Männer- oder Frauenberuf. Wobei es immer noch heißt, dass Frauen mehr mit Softskills arbeiten und Männer eher die sind, die die Ellbogen ausfahren. Ich finde aber auch, dass das eine Charakter- und Erziehungsfrage ist, egal ob Mann oder Frau.
Sie sind drei Frauen an der Spitze von Rheinhausen. Haben Sie das Gefühl, dass dadurch auch vermehrt Frauen mit stadtteilspezifischen Belangen an Sie herantreten?
Liß: Bis jetzt haben wir das noch nicht gemerkt. Es kommen sowohl Frauen als auch Männer zu uns. Unabhängig vom Geschlecht sind es auch ähnliche Probleme, die die Rheinhauser beschäftigen. Da geht es um mehr Parkmöglichkeiten, mehr Sicherheit im Stadtteil oder Beschwerden über wilde Müllkippen. Ich höre immer wieder von Frauen, dass sie verlässliche Kitaplätze für ihre Kinder benötigen, weil sie sonst nicht arbeiten können. Wenn wir darüber sprechen, dass mehr Frauen höhere Positionen bekleiden sollen, dann muss eine verlässliche Kinderbetreuung her. Es ist leider immer noch so, dass mehr Frauen die Rolle der Kinderbetreuung zu Hause übernehmen. Sie halten den Männern, die Karriere machen, den Rücken frei.
Für viele Familien ist das auch eine logische Entscheidung, weil Männer in vielen Bereichen immer noch mehr verdienen als Frauen.
Liß: Was ich in den vergangenen Jahren erlebt habe ist, dass Frauen, die Karriere machen wollten, auch erst später Kinder bekommen haben, weil sich immer noch viele Berufe nicht mit Kindern vereinbaren lassen.
Blaschke: Ja, es braucht einfach mehr Unterstützung. Die Gewissheit, dass genügend Personal da ist und die Kita oder auch die Schule nicht geschlossen wird, könnte schon helfen.
Bedingt durch jahrelange Kinderbetreuung ist auch die Altersarmut bei Frauen höher als bei Männern.
Liß: Genau. Es muss sich einfach gesellschaftlich mehr verändern. Nehmen wir ein anderes Beispiel, die Pflege. Menschen werden immer älter und die häusliche Pflege übernimmt in den meisten Fällen die Frau. Sie verzichten auf ihren Beruf und wissen genau, dass am Ende die Rente nicht mehr ausreicht.
Frauen sind in Leitungsämtern von Kommunen immer noch unterrepräsentiert. Wie könnte man mehr weibliche Kompetenz in die Bezirksämter holen?
Blaschke: Dass wir mit drei Frauen hier in Rheinhausen sind, ist ein Glückstreffer. Zudem verstehen wir uns großartig und so geht die Arbeit sehr gut von der Hand. Dafür können wir nur Werbung machen, Mut zu haben. Die Arbeit in den Bezirksverwaltungen ist sehr vielseitig und bedarf großer Flexibilität. Das ist nicht jedermanns Sache und mit „jedermann“ meine ich auch jede Frau. Deswegen ist die Frage nicht einfach zu beantworten. Festzuhalten ist, dass sich in der Verwaltung schon viele Frauen dazu entscheiden haben, Führungspositionen zu beziehen.
Lehmann: Ein Glück für uns. Ich bin seit dem 5. April 1988 in dem Haus. Ich habe lange Zeit unter verschiedenen männlichen Bezirksamtsleitern gearbeitet. Dass jetzt mit Kirsten Blaschke eine Frau die Bezirksverwaltung leitet, ist das Beste, was uns passieren konnte.
Fänden Sie eine Frauenquote sinnvoll?
Liß: Ich war zunächst gegen eine Frauenquote, denke aber, solange wir in vielen Bereichen eine hohe Benachteiligung haben, brauchen wir eine Frauenquote.
Blaschke: Ich glaube, dass der Bund da schon sehr viel tut. Es soll ja eine Gleichberechtigung in Führungspositionen nach paritätischer Verteilung geben. Wenn man das als Gesetzgeber erlässt, dann ist die Notwendigkeit gegeben. Auch bei uns in der Verwaltung ist die Frauenquote ein Thema. Bei Stellenausschreibungen werden Frauen speziell angesprochen. Aber auch hier achten wir auf Chancengleichheit, für beide Geschlechter.
Das zeigt sich auch durch die neue männliche Unterstützung, die Sie seit Dezember 2022 im Bezirksamt haben. Haben Sie sich als Frauen-Trio extra einen Mann ins Boot holen wollen?
Blaschke: Es fand ein Auswahlverfahren zu der ausgeschriebenen Stelle statt und der Kollege hat sich als der beste Bewerber entpuppt. Er hat im Vorfeld auch viele Gespräche mit uns dreien geführt, er wusste also, worauf er sich einlässt (lacht).