Duisburg-West. Der ärztliche Leiter sieht die Arbeit trotz unkooperativer Behörden „auf dem richtigen Weg“. Auch an Vulkanstraße ist man im Einsatz.

Junkies, Huren, Trinker, Heimatlose - die Klientel von Dr. Gerd Heimann und seinem Team klingt wie die Besetzung eines Bukowski-Romans. Dass diese Welt in der Regel eben nicht wildromantisch, sondern von Not und Elend geprägt ist, weiß kaum einer besser als Heimann. Der pensionierte Internist aus Rheinhausen ist als ärztlicher Leiter der Duisburger Straßenambulanz regelmäßig in diesem Milieu unterwegs. Sein Jahresbericht weist Erfolge, aber auch Rückschläge auf.

Denen medizinisch zu helfen, „die es eigentlich gar nicht gibt“, hatte sich die Straßenambulanz 2008 auf die Fahnen geschrieben: Menschen, die in Armut am Rande der Gesellschaft leben, teils aus Scham, teils aus Angst vor Abschiebung jeden Kontakt mit Behörden meiden und denen deshalb das „offizielle“ Gesundheitswesen verwehrt bleibt. 356 davon suchten von Januar bis November 2011 die Hilfe der Straßenambulanz, bis Jahresende rechnet Heimann mit über 400.

„Aufsuchende Sozialarbeit“

Der Nordring in Neukirchen-Vluyn, der Bahnhof Moers, Bahnhofsvorplatz und Untermauerstraße in Duisburg-Mitte, der Bebel-Platz in Marxloh und das Hamborner Rathaus sind Treffpunkte dieser Menschen - und werden deshalb von der Straßenambulanz angefahren. „Aufsuchende Sozialarbeit“ nennt das der Fachmann. Nicht mehr Angefahren wird Walsum: „Die Menschen dort sind so weit versorgt, dass sie unsere Hilfe nicht mehr benötigen“.

Ein neuer Einsatzort seit Sommer 2011 ist die Vulkanstraße. Da regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen für Prostituierte nicht mehr vorgeschrieben sind, und viele der Sexarbeiterinnen nicht versichert sind, sieht der Verein eine „erhebliche Gefahr der Verbreitung schwerer Infektionen“. Mit Hilfe des Gynäkologen Dieter Flaskamp - wie Heimann, drei weitere Ärzte, drei Schwestern und ein Fahrer ehrenamtlich tätig - versucht die Straßenambulanz, gegenzusteuern. „Leider“, so Heimann, „können wir in unserem Ambulanzfahrzeug nur die nötigsten Untersuchungen vornehmen.“ Besser wäre ein fester Untersuchungs- und Beratungsraum. Der ist das nächste Ziel.

Karling kandidiert für den Vorsitz

Der Betreiber der Straßenambulanz, der Rheinhauser Armen-Selbsthilfeverein „Bürger für Bürger“, stellt am Dienstag, 13. Dezember, die organisatorischen Weichen für seine Zukunft. Ab 18 Uhr tagt im Vereinsheim an der Brahmsstraße die Jahreshauptversammlung. Zwar stehen „nur“ Regularien auf der Tagesordnung, eine davon könnte es allerdings in sich haben: Neuwahl des Vorstandes.
Der Gründer und langjährige Vorsitzende Rolf Karling hat bereits angekündigt, wieder für den Vorsitz zu kandidieren. Ob es Gegenkandidaten gibt, ist unbekannt. Karling hatte die Lebensmittelausgabe für Bedürftige initiiert, aus der später „Bürger für Bürger“ entstand. Er ist wegen seines Auftretens in der Öffentlichkeit, etwa im Zusammenhang mit der Loveparade-Initiative „Never Forget“ oder dem „Ketchup-Attentat“ auf Adolf Sauerland, umstritten. Um, wie er selber sagte, „den Verein aus der Schusslinie zu nehmen“, war er im Sommer vom Vorsitz zurückgetreten, Stellvertreterin Ute Muders rückte kommissarisch nach. Auf Drängen der Mitglieder ist Karling als ehrenamtlicher „Geschäftsführer“ aber wieder in leitender Position beim Verein aktiv.

Ebenfalls ein Problem: Die Zusammenarbeit mit den Behörden. „So wurden uns in Duisburg Standplätze zugewiesen, auf denen wir kaum sichtbar sind und die weit von den Treffpunkten unserer Patienten entfernt sind.“ Für das niederschwellige Konzept, die Menschen dort aufzusuchen, wo sie sich aufhalten, ein Rückschlag. Auch bei der Verzahnung mit anderen Institutionen zur Verbesserung der Beratung „treten wir noch auf der Stelle“, so Heimann.

Ermutigender sind Erfolge im sozialen Bereich: „Wir versuchen, Patienten in die Regelversorgung zurückzuführen, indem wir ihnen Anleitungen geben, Verbindungen anbahnen und auch einen leichten Druck ausüben.“ Laut Heimann mit Erfolg: Der Anteil der nicht Versicherten und wirklich Obdachlosen unter den Hilfesuchenden sei zurückgegangen.

Weniger Infektionen bei Drogenabhängigen

Gesunken ist auch die Zahl von Infektionen durch unhygienische Rahmenbedingungen beim Drogenkonsum. Den Konsum selber glaubt Heimann nicht bekämpfen zu können. „Das ist gar nicht das Ziel. Wir akzeptieren Gegebenheiten, sehen die Sucht als das, was sie ist - eine Krankheit - und helfen, mit dieser Krankheit zu leben, ohne dass sie all zu viele Komplikationen macht.“ Der Rückgang der Lokalinfektionen zeige, „dass wir auf dem richtigen Weg sind.“