Duisburg-Homberg. Ein Homberger Arzt behandelt Kinder aus Kriegsgebieten, die über das Friedensdorf nach Duisburg kommen. Im Gespräch berichtet er über die Arbeit.
Ein längliches Bügelperlenbild liegt auf der Fensterbank im Büro von Andreas Hammacher. „Viele Danke Dr.“ steht darauf geschrieben mit schwarzen und weißen Perlen. Ein kleines Herz ziert den Rand des Bügelperlenbildes. Hammacher lächelt als er das Gebastelte in die Hand nimmt. „Das habe ich am letzten Behandlungstag von einem Mädchen geschenkt bekommen“, berichtet er. Seit 2005 behandelt der Chefarzt der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie an der Helios Klinik in Homberg Kinder zwischen vier und zwölf Jahren aus Kriegs- und Krisengebieten, wie Angola oder Afghanistan, die über das Friedensdorf international nach Duisburg kommen.
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Oft seien es angeborene Fehlbildungen oder nicht verheilte Kieferbrüche, mit denen die Kinder nach Deutschland kommen, so der Mediziner. Es seien eigentlich Krankheiten, die früh erkannt einfach behandelt werden könnten. Doch eine medizinische Betreuung in den Heimatländern sei oft aus verschiedenen Gründen nicht möglich, die Ärzte dort trauten sich an bestimmte Eingriffe nicht heran. „Dabei sind es oft kleine Eingriffe, die das Leben der Kinder verändern“, erklärt Hammacher.
Duisburger Mediziner behandelt Kind ohne Nase, Oberkiefer und Oberlippe
Komplexere Krankheitsbilder seien seltener. Er erinnert sich aber an einen Fall aus dem Jahr 2008. Ein Junge aus Angola sei zu ihm ins Krankenhaus gekommen, ohne Nase, Oberkiefer und Oberlippe. Die Behandlung sei „sehr aufwendig“ gewesen. Der Junge habe über ein Jahr im Homberger Krankenhaus gelegen, konnte jedoch mit einer Kunststoffnase und einem neuen Oberkiefer sowie neuer Oberlippe zurück in seine Heimat gebracht werden. Ein Schicksal, das auch für den erfahrenen Chefarzt nicht immer leicht zu verarbeiten ist. „Das nimmt einen natürlich mit. Man muss schon lernen nach der Arbeit abschalten zu können“, gesteht er.
Schließlich baue der Mediziner auch eine Bindung zu den Kindern auf, je länger er sie medizinisch betreut.„Wir merken immer, dass sie in den ersten 14 Tagen hier sehr ruhig sind, kein Wort Deutsch sprechen.“ Doch je länger die jungen Angolaner oder Afghanen in Duisburg sind, desto mehr blühten sie auf. Wichtig sei Hammacher immer, dass die Bindung zu den Kindern nicht zu intensiv wird, denn von Anfang an sei klar: „Sie gehen auf jeden Fall zu ihren Familien zurück.“ Kontakt bestünde insoweit, dass er ab und an Bilder gesendet bekomme, wenn die Eltern ihre Kleinen wieder in den Armen halten.
10 Friedensdorf-Kinder werden in der Duisburger Klinik jährlich betreut
Bis das so weit ist, vergehen mindestens jedoch sechs Monate, denn halbjährlich werden die Kinder vom Friedensdorf zu Behandlungen nach Deutschland geholt oder von dort aus zurückgebracht. Bis zu zehn Kinder pro Jahr betreut Hammacher im Schnitt - die Hälfte von ihnen ambulant, die andere Hälfte stationär. Die Kosten für die Behandlungen trage das Helios komplett selbst.
Welches Kind für welche Behandlung nach Deutschland geholt werde, entscheide Hammacher auch oft über Fotos, die die Friedensdorf-Mitarbeiter von den Krankheiten der Kinder bereits vor Ort in den Heimatländern machen. Doch nicht nur junge Menschen aus Afghanistan oder Angola haben Hilfe aus Homberg bekommen. Vor Corona sei Hammacher auch regelmäßig in Georgien oder Vietnam im Einsatz gewesen, um Operationen vorzunehmen. „Die meisten OPs dauern nicht länger als ein bis zwei Stunden. Sie bedeuten für die Kinder jedoch einen wichtigen Scheidepunkt in ihrem Leben.“