Duisburg-Homberg. Das Internet-Projekt „Homberg unterm Hakenkreuz“ bewegt mit Geschichten: Warum Emma Hölterhoff wegen eines einzigen Satzes sterben musste.

Die Geschwister Scholl, Dietrich Bonhoeffer, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Georg Elser – man kennt sie, die Großen unter den Widerständlern gegen das verbrecherische Regime der Nationalsozialisten. Aber was ist mit denen, die es nicht in die Geschichtsbücher und auf die Kino-Leinwände geschafft haben? Menschen, die hier vor Ort ihr Leben riskiert und verloren haben, um der Nazi-Diktatur die Stirn zu bieten? Dirk Lachmann hat sie aufgespürt. „Widerstand und Verfolgung in Homberg während der NS-Zeit 1933-1945“ heißt sein neuestes Werk, das kürzlich auf der Homepage des Internet-Projektes „Homberg unterm Hakenkreuz“ erschienen ist.

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Nach mehr als sieben Jahren Recherche darf man bei der Präsentation des letzten Kapitels auch mal erleichtert seufzen. „Ich fühle mich jetzt ehrlich gesagt doch etwas befreit“, sagt Dirk Lachmann, als er das daumendicke Manuskript über den Gartentisch schiebt. Mit seinen Recherchen über die Homberger Widerständler vollendet der Sozialdemokrat und pensionierte Schulleiter eine Idee, die er für den Freundeskreis Historisches Homberg im Internet verwirklicht hat. Auf der Seite www.homberg-unterm-hakenkreuz.de hat Lachmann die Geschichte des Nationalsozialismus im Stadtteil aufgearbeitet.

Das sind die Menschen, die das Fundament für die Demokratie gelegt haben

Nach umfangreichen Kapiteln über Juden, Zwangsarbeiter und Euthanasie rücken zum Abschluss die Widerstandskämpfer in den Fokus. Es war ihm ein tiefes Bedürfnis, die dunkle Geschichte seines Heimatortes zu beleuchten und auch denen ein Gesicht zu geben, die im Verborgenen gekämpft haben. „Diese Frauen und Männer verdienen es, dass ihre Geschichte im Bewusstsein unserer Gemeinschaft bewahrt bleibt“, schreibt Lachmann in der Einleitung. „Sie haben“, so sagt er, „damals mit ihrem Mut das Fundament für unsere heutige Demokratie gelegt.“

Dirk Lachmann, Vorsitzender des Freundeskreises Historisches Homberg, hat viele Jahre über den Nationalsozialismus in seinem Stadtteil geforscht. In seinem Garten blühen Blumen in den Überresten einer alten Fliegerbombe.
Dirk Lachmann, Vorsitzender des Freundeskreises Historisches Homberg, hat viele Jahre über den Nationalsozialismus in seinem Stadtteil geforscht. In seinem Garten blühen Blumen in den Überresten einer alten Fliegerbombe. © FUNKE Foto Services | DANIEL ELKE

Dirk Lachmann lässt den Blick durch seinen Garten schweifen. Die Reste einer alten Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg hat er zum blühenden Beet umfunktioniert. Ein Schild will er noch daneben hängen. „Blumen statt Bomben“, soll darauf stehen. Eine Friedensbotschaft, die wieder drängender geworden ist. „Erinnern“ und „mahnen“ – das sind die Leitworte, die den Homberger durch seine Geschichts-Studie gelotst haben. Und die er sich immer wieder selber gesagt hat, wenn die Arbeit des gewichtigen Themas ihm zu erdrückend auf den Schultern lastete. „Zwischendurch habe ich mich manchmal gefragt: Mensch, warum machst du das eigentlich?“

Grausames Erlebnis: die Leiche auf dem Heuhaufen

Jetzt, wo alles fertig ist, sieht Dirk Lachmann wieder klar, wie wichtig Projekte wie diese sind. Vor allem den jungen Menschen will er als Pädagoge bewusst machen, was sie aus der Geschichte lernen können. „Wenn unsere Jugend Vorbilder sucht, dann wäre es gut, wenn sie diese auch in den Reihen des deutschen Widerstands findet.“ Der Homberger Anton Burkeltz war einer von denen, die ihren politischen Widerstand mit dem Leben bezahlt haben. Er wurde zum Opfer, als die Nazis am 3. März 1933 in Homberg Jagd auf Kommunisten machten und in das Haus an der Hahlenerstraße 134 eindrangen, in dem ein Mitglied der KPD wohnte.

Der Homberger Widerständler Anton Burkeltz starb 1933 bei einer Schießerei zwischen Nazis und Kommunisten.
Der Homberger Widerständler Anton Burkeltz starb 1933 bei einer Schießerei zwischen Nazis und Kommunisten. © FHH

Lachmann hat dazu einen alten Zeitungsartikel aus dem „Grafschafter“ gefunden, der über die Schießerei zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten im angrenzenden Stall des Hauses berichtet. Hierbei, so stand es damals im Polizeibericht, wurde Anton Burkeltz von einer Kugel tödlich verletzt. Seine Leiche fand man auf einem Heuhaufen. Dirk Lachmann hat mit Nachkommen von Burkeltz gesprochen. „Einen Sohn kannte ich persönlich.“ Bis heute ist unklar, ob der Widerständler von den Nazis erschossen wurde oder ob er sich in dieser aussichtslosen Situation selbst getötet hat, um nicht unter Folter Namen preisgeben zu müssen.

Archive durchforstet und Protokolle der Gestapo studiert

Es sind Fälle wie diese, die das Projekt „Homberg unterm Hakenkreuz“ für alle öffentlich macht. Die stillen Homberger Helden heißen Anton Burkeltz, Alexander Ruland, Hermann Runge, Paul Schneider oder Emma Hölterhoff. Um ihre Geschichten zu erzählen, hat der Autor Zeitzeugen befragt, Archive durchforstet und Protokolle der Gestapo studiert. „Ich habe Ehrfurcht davor, was diese Menschen für uns alle auf sich genommen haben.“

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Auch die am 28. Mai 1904 in Homberg geborene Emma Hölterhoff musste sterben. Weil sie sich mit Worten auflehnte. Folgender Satz aus dem Todesurteil des Volksgerichtshofes ist auf der Internetseite nachzulesen: „Sie hat unsere Wehrmacht zu zersetzen gewagt, ist damit für immer ehrlose Magd unserer Feinde geworden und wird dafür mit dem Tode bestraft.“ Was hatte die Mutter von vier Kindern getan? Sie hatte im vierten Kriegsjahr zu Soldaten gesagt, sie sollten an der Font das Gewehr wegschmeißen und sich tot stellen. Die Vollstreckung ihres Todesurteils dauerte genau acht Sekunden.

>>> HOMBERG UNTERM HAKENKREUZ: EINE INTERAKTIVE PLATTFORM FÜR ALLE

Auf der Internetseite www.homberg-unterm-hakenkreuz.de hat Dirk Lachmann für den Freundeskreis Historisches Homberg die lokale Geschichte des Nationalsozialismus aufgearbeitet. Seine Idee war, hier eine interaktive Plattform zu schaffen, die viele Menschen erreicht, für alle frei zugänglich ist und an der auch andere mitarbeiten können. Auch von Schulen soll die Seite genutzt werden können.

Bisher ist Dirk Lachmann der Hauptakteur des Projekts. Er würde sich wünschen, dass das Angebot zur gemeinsamen Recherche und Information auch von anderen noch mehr genutzt wird. Wer Informationen, Fotos und Geschichten aus der eigenen Familie hat oder selber über das Thema forschen möchte, kann sich melden. Kontaktdaten sind im Impressum auf der Homepage zu finden.