Duisburg-Homberg. Der Freundeskreis Historisches Homberg erfreut sich einer konstant hohen Mitgliederzahl. Seit 36 Jahren setzt er sich für den Stadtteil ein.

Udo Vohl hat Fotos rausgesucht, ein Album mit Erinnerungen. Da ist die Gründungsversammlung: 20. Februar 1985, 3. Stock des Kultur- und Freizeitzentrums. Hochkonzentriert sehen sie aus, die sieben Männer und Frauen, die angetreten waren, um dem alten Homberg einen Platz im kollektiven Gedächtnis zu sichern. Vorn im Bild: Vohl selbst, mit feschem schwarzen Schnäuzer. Dann ein alter Artikel, „Mit Schweiß und Schwielen. Freundeskreis Historisches Homberg arbeitet an einem ehrgeizigen Projekt“. Der Mitgliederstand hatte die 300er Marke flott überschritten, liest man - allerdings sei man vom Ziel, der Dokumentation der Lokalgeschichte, „aktuell ein Stück abgerückt“. Galt es doch, die neue Adresse in der Volkshochschule „vorzeigbar“ herzurichten. Der Dachboden musste renoviert werden.

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Auch ein altes Klassenzimmer mit Lehrerin findet Platz in der Sammlung des Heimatmuseums, das der Freundeskreis Historisches Homberg betreibt.
Auch ein altes Klassenzimmer mit Lehrerin findet Platz in der Sammlung des Heimatmuseums, das der Freundeskreis Historisches Homberg betreibt. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

An diesem Vormittag, 36 Jahre später, sitzen wir Corona-maskiert im Heimatmuseum des Vereins, das Treffpunkt ist, Historische Stube und kleine, feine Schatzkammer. Zwei verwinkelte Räume mit Exponaten: Wer rund geht, stößt auf Relikte der alten Stadt wie bleiverglaste Fenster aus dem Standesamt. Themenecken wie eine Schulstube wurden eingerichtet. Schaufensterpuppen mit Uniformen säumen den Weg. Die Polizei ist da, die Feuerwehr, eine Lehrerin. Außerdem: historische Fotos, Gemälde, Alltagsgegenstände, Porzellan und Bücher, darunter eine Bibel von 1644. Stunden-, nein: tagelang könnte man stöbern.

Einige Vereinsmitglieder in Homberg sind von Anfang an dabei

Dabei ist das Ziel, das sich der Freundeskreis gesetzt hat, Fluch und Segen. Udo Vohl, der den Schnauzbart der 80er heute quitt ist, den Vereinsvorsitz aber immer noch innehat, berichtet von den vielen schönen Ausstellungsstücken, die Homberger zutage fördern. Die Folge kennt jedes Museum: ein überquellender Fundus. Zurzeit nutzt der Freundeskreis einen Raum unter dem Dach des Bezirksrathauses für die Lagerung.

Ein Prost auf die Renovierung der neuen Vereinsräume. Dieses Repro eines alten Fotos zeigt Dirk Lachmann, Franz Gerd Gehnen und Reinhard Stratenwerth (v.l.n.r.) in den späten 80er Jahren.
Ein Prost auf die Renovierung der neuen Vereinsräume. Dieses Repro eines alten Fotos zeigt Dirk Lachmann, Franz Gerd Gehnen und Reinhard Stratenwerth (v.l.n.r.) in den späten 80er Jahren. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Erinnerungen. Los ging alles mit einem VHS-Kurs über industriegeschichtliche Entwicklung des Duisburger Westens. Einige von damals sind noch dabei, erzählt Vohl: Dirk Lachmann etwa, der die Idee hatte, die Treffen im Vereins-Rahmen fortzusetzen, und Archivar Reinhard Stratenwerth.

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Die Lobby für Homberg kam an. Ein Selbstläufer. Verbindend wirkte dabei die Unzufriedenheit mit der Situation der vormals selbstständigen Stadt. Ähnlich war die Stimmung in Rheinhausen, das 1975 ebenfalls eingemeindet worden war. Und so habe man sich anfangs auch am Verein Lebendige Grafschaft orientiert, schildert Vohl: „Das war unser Vorbild.“

Ein Ziel ist die Digitalisierung der Dokumente des Vereins

Bald waren 300 Mitglieder beisammen, was mit Abstrichen dem aktuellen Bestand entspricht. Im März 1988 eröffnete das Museum, zehn Jahre später kam Raum zwei hinzu. Aktuell verhandelt Vohl mit der Stadt über einen dritten: Er hofft, künftig die ehemalige Hausmeisterwohnung nebenan mit nutzen zu können. Wobei erst wieder umgebaut werden müsste. Aber das macht einen lebendigen Verein aus. Der Blick zurück und gleichzeitig nach vorn. Dazu passt ein weiteres Ziel, die Digitalisierung der Dokumente. Aktuell ist Vohl dabei, die vielen alten Homberg-Ansichten einzuscannen, über 15.000 Bilder.

Blick in die alte Hausmeisterwohnung neben dem Heimatmuseum. Die Räume möchte der Freundeskreis Historisches Homberg künftig gern nutzen. Die Wand mit dem Kreuz könnte hierfür weg.
Blick in die alte Hausmeisterwohnung neben dem Heimatmuseum. Die Räume möchte der Freundeskreis Historisches Homberg künftig gern nutzen. Die Wand mit dem Kreuz könnte hierfür weg. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Das Heimatmuseum samt Archiv ist nur ein Bereich. Auf dem Programm stehen Vorträge, Ausflüge, Veranstaltungen - also, sobald sie Corona wieder zulässt. Zig Projekte haben die rührigen Homberger initiiert, viel Kunst im öffentlichen Raum. Darunter der Mühlstein und der Marktbrunnen, der 1990 samt eines Nachbaus der verschollenen Skulptur des Künstlers Carl Brose eingeweiht wurde. Auch die Errichtung der Seilscheibe des ehemaligen Förderturms, die an die Bergwerke erinnert, die Bismarckeiche und die Skulpturen „Erinnerung“ und „Gleisdreieck“ zählen zu ihren Verdiensten. Seit 1997 kümmern sie sich um die Restaurierung der Grabsteine auf dem alten Friedhof.

Homberg - das sind Landwirtschaft, Verwaltung, Schifffahrt und Bergbau

Wieso er so lang dabei ist, kann Vohl schnell beantworten. „Es macht einfach Spaß.“ Dazu kommt ein großes Geschichtsinteresse. Außerdem ist er Homberger seit der Kindheit. Und eingefleischter Duisburger ist er ohnehin; als Vorsitzender des Kulturausschusses ist der SPD-Politiker oft im Rathaus.

Am Ende noch mal die Bronzereliefs des Marktbrunnens. Vier Platten spiegeln die Säulen wider, auf denen Hombergs Geschichte steht und die dem Museum als Richtschnur dienen. Landwirtschaft, Verwaltung, Schifffahrt, Bergbau. Ein weites Feld. Vohl wirkt inzwischen etwas unruhig. Wir haben lang geredet, allmählich muss er los. Es gibt viel zu tun, auch im Hier und Jetzt.