Duisburg-Rheinhausen. Das Kom’ma-Theater in Duisburg-Rheinhausen startet in dieser Spielzeit eine neue Lese-Reihe. Der Auftakt bot starken Tobak fürs Publikum.
Er gilt als einer der am schwersten zu übersetzenden Texte in der Literaturgeschichte, trotzdem liegen verschiedene Übertragungen ins Deutsche vor. Mit „Finnegans Wake“ hat der irische Dichter James Joyce einen schier unaufhörlichen Redeschwall in Romanform geschaffen, der durch seine abrupten Gedankensprünge in die Welt- und Literaturgeschichte, aber genauso durch den willfährigen Ausbruch der Emotionen des Sprechenden gekennzeichnet ist. Dabei hat er verschiedene Metaebenen geschaffen, die dem Leser die Deutung erschweren. Joyce sagte mal über seinen Roman „Ulysses“: „Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe.“
Beim Leichenbegängnis durch Whisky wieder zum Leben erweckt
Das gleiche gilt für das Werk „Finnegans Wake“, das Joyce zwischen 1923 bis 1939 als „Work in Progress“, also fortschreitendem Arbeitsprozess, geschrieben hat. In einer musikalischen Lesung versuchten Patrick Dollas als Sprecher und Hans-Werner Fassbender als musikalischer Begleiter, sich diesem Mythos aus ur-irischer Tradition innerhalb der neuen Reihe „Ohne Punkt und Kom’ma“ im Rheinhauser Kom’ma-Theater anzunähern.
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Immer wieder schimmert der rote Faden kurz durch – nämlich, die Geschichte des Dubliner Kneipenwirts Humphrey Chimpden Earwicker und seiner Frau Anna Livia Plurabelle, sowie seiner beiden Söhne und Tochter. Vorlage dazu ist der Todessturz des Baumeisters Tim Finnegan von einer Leiter herab, der bei seinem Leichenbegängnis wieder zum Leben erweckt wird – durch den Fall einer Whiskyflasche auf den Sarg.
Videountermaltes Klanggewitter
In einen sprudelnden Redeschwall ergießt sich Erzähler Patrick Dollas, zieht die etwa 25 Zuhörer in seinen Bann. Wortschnipsel, die der Schauspieler am Moerser Schlosstheater knistern lässt, werden untermalt von schrillen Jazz-Improvisationen seines Mitstreiters Hans-Werner Fassbender, die dieser flüchtig mit Gitarrensamples und Geräuschen von Alltagsgegenständen (z.B. einer Salatschüssel) erzeugt und gezielt einstreut.
So schaukelt sich die Stimmung in der Lesung bis zur ekstatischen Katharsis hoch, wenn Dollas die Wortkaskaden von der Bühne herabstürzt, die teils aus verschlüsselten Beschimpfungen durch Neologismen und wild ausgestoßenen Ausrufen bestehen. Es entsteht ein Klanggewitter, das von kurz aufschimmernden Zellstrukturen oder Herzschlaglinien über eine Videoleinwand quasi wie mit Blitzen visualisiert wird.
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Die Pause leitet Dollas ironisch ein: „Sie haben jetzt ein paar Minuten Zeit über das Gelesene nachzudenken.“ Den versinnbildlichten Aufstieg und Fall der Menschheit, gespickt mit wunderbaren Personifizierungen der irischen Landschaft, meinten einige in den Worten Joyce’ entdeckt zu haben. Eine Zuschauerin fasste es knapp in einen Satz: „Das ist aber verdammt harter Tobak.“ Der Applaus war den beiden Moerser Künstlern gewiss, als Dollas beteuerte: „Nächste Woche werden wir die Lesung in Moers aufführen, wir wollten aber zuerst in Rheinhausen auftreten.“
Lesungen an jedem letzten Samstag im Monat
Die Reihe „Ohne Punkt und Kom’ma“ wird fortgesetzt. Die Lesungen sind immer am letzten Samstag im Monat. Weitere Informationen dazu und Karten gibt es unter www.kommtheater.de