Duisburg-Rheinhausen. Marayle Küpper und Wilfried Weiß laden zum Tête-à-Tête mit der Kunst der Radierung. Hier spielt Beuys Cello und Fische sehen wie Tanten aus.

Manchmal gehören ungeplante Begegnungen zu den schönsten. Ein solches Rendezvous kann zum Beispiel so aussehen: Da will man mal eben in der Bibliothek nach Urlaubslektüre stöbern und plötzlich hat man Blickkontakt zu einem höchst seltsamen Seeteufel. Mit breitem Maul grinst einen der aufgeplusterte Fisch aus einem Bild heraus an. Sein riesiges Kullerauge hat etwas Schelmisches. Er ist in guter Gesellschaft und schwimmt mit Hammerhaien, Clownsfischen und dem fantastischen Geisterpfeifenfisch (ja, den gibt es wirklich!) zwischen den Bücherregalen herum.

Und während man noch darüber sinniert, dass der Geisterpfeifenfisch doch irgendwie Ähnlichkeit mit Tante Hubertine hat, da entdeckt man plötzlich die schwebende Tänzerin, bei deren Anblick es einem angenehm leicht ums Herz wird. Sind das Seifenblasen, mit denen die grazile Frau jongliert? Der große Joseph Beuys kann einem diese Frage nicht beantworten. Er blickt stumm und durchdringend aus einem Bilderrahmen heraus, in dem der Duisburger Künstler Wilfried Weiß ihn mit einem Cello verewigt hat. Das Instrument umspielt die Konturen der markanten Wangenknochen von Beuys mit sanftem Schwung.

Ein intimes Tête-à-Tête mit der Kunst der Radierung

Zwischen Regalen mit Fachbüchern zur Mathematik, Science-Fiction Romanen und dem Prickeln der Abteilung Liebe & Erotik hat die Bezirksbibliothek Rheinhausen eine wunderbare Einrichtung installiert, die sich „Kabinett“ nennt. Das Wort stammt aus dem Französischen und stand ursprünglich für ein kleines, intimes Zimmer. Ein solches ist hier als Raum im Raum mit Stellwänden als Ort für die Kunst eingerichtet. Wer mag, kann in diesen vier Wänden zurzeit ein spannendes Tête-à-Tête mit der Kunst der Radierung erleben.

In einer Vitrine im Kabinett der Bezirksbibliothek Rheinhausen ist das Handwerkszeug zu sehen, das die Künstler für ihre Radierungen benötigen.
In einer Vitrine im Kabinett der Bezirksbibliothek Rheinhausen ist das Handwerkszeug zu sehen, das die Künstler für ihre Radierungen benötigen. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

30 ihrer eigenen Werke haben Marayle Küpper und Wilfried Weiß für das Kabinett zusammengestellt. Dabei eint die Kunststücke, dass sie allesamt Druckgrafiken sind. Dieser Technik wollen die beiden mit ihrer Gemeinschaftsausstellung den roten Teppich ausrollen. „Wir finden es so schade, dass sich in unserer Zeit der schnellen Medien viele nicht mehr für die alte Kunst der Radierung interessieren“, formuliert Marayle Küpper die Idee der Ausstellung. „Wir sind dankbar, dass wir hier in der Bezirksbibliothek die Chance haben, die Druckkunst einem größeren Publikum zu präsentieren“, sagt Wilfried Weiß, der sich mit Künstler-Kollegin Küpper eine Druckwerkstatt teilt.

Für die aktuelle Ausstellung hat sich das Duo den Titel „Menschen, Tiere, Stillleben und die Suche nach dem Paradies“ ausgesucht. „Wir wollten neugierig auf die Technik der Druckgrafik machen und eine möglichst große Bandbreite zeigen“, beschreibt Marayle Küpper das Motto. Dabei wollten sie inmitten der Leselandschaft der Bücherei keine abstrakten, sperrigen Kunstwerke zeigen, sondern etwas, was auch zu dem Ort mit seinen vielfältigen Besuchern passt.

Eindrücke aus der Unterwasserwelt

„Ich habe unter anderem Werke zu den Themen Reise und Tiere mitgebracht“, sagt Marayle Küpper. Die 56-Jährige ist leidenschaftliche Taucherin und verarbeitet als Künstlerin Eindrücke aus der Unterwasserwelt. Die Fische, die sie in der Druckpresse schwimmen lässt, entstehen nach Fotos, die ihre Schwester beim gemeinsamen Tauchen in den Tiefen der Ozeane macht. Marayle Küpper gibt den Tieren im Duisburger Atelier mit ihrer ganz eigenen Handschrift ein einzigartiges, fast schon menschliches Aussehen.

Wilfried Weiß, der sich schon seit 1975 mit Druckgrafik beschäftigt, hat sich diesmal auf Gesichter und menschliche Figuren fokussiert. Dabei spiegeln die Arbeiten auch sein Faible für Theater und Tanz wider. Der 66-Jährige liebt an seinem künstlerischen Handwerk, dass kein Druck wie der andere ist. Und dass er so vielfältig mit den Farben spielen kann. Bis zur Pensionierung hat Weiß als Beamter bei der Bahn im Stellwerk gearbeitet. Kreativität hatte in diesem Job keinen Raum. „Andere haben zum Ausgleich einen Schrebergarten, ich mache Kunst“, sagt er.

Eine Leidenschaft mit einer enormen Reichweite an Emotionen. Mal ist der Arbeitsprozess meditativ, mal ähnelt er einem Vulkanausbruch. „Wenn ich Farbe und Kraft in meinen Bildern haben will, dann lasse ich die Säure die Druckplatte zerfressen.“ Dann wird gekratzt, geätzt und mit der Stahlbürste geackert. „Die Kupferplatten müssen manchmal wirklich leiden“, sagt Marayle Küpper und lacht. Je nach Stimmung des Schöpfers ist das Ergebnis am Ende knallig und farbenfroh oder mystisch und düster. In der aktuellen Ausstellung im Kabinett ist die ganze Vielfalt vertreten.

„Menschen, Tiere, Stillleben und die Suche nach dem Paradies“, zu sehen bis zum 13. August im „Kabinett“ der Bezirksbibliothek Rheinhausen, Händelstraße 6, zu den üblichen Öffnungszeiten: di bis do 10-13, 14-18.30 Uhr, sa 10-13 Uhr.

>>> NEUE KURSE ZUR DRUCKGRAFIK BEI DER VHS:

In Zusammenarbeit mit der VHS bietet Wilfried Weiß zwei Veranstaltungen zum Thema Druckgrafik an der Steinschen Gasse 32a an. Vom 31. August bis zum 14. Dezember gibt es mittwochs von 17 bis 20 Uhr einen Druckgrafik-Kurs für Anfänger und Teilnehmer mit geringen Vorkenntnissen. Am Sonntag, 6. November, bietet der Künstler von 10 bis 15 Uhr einen Workshop zur Druckgrafik an. Mehr Information www.vhs-duisburg.de; 0203/283-2616.