Duisburg-Bergheim. Nach dem gescheiterten Antrag auf ein Lkw-Durchfahrtsverbot starten Anwohner der Jägerstraße in Bergheim eine Protestaktion. Was sagt die Stadt?

Was geht in Eltern vor, die morgens ihr Kind auf den Schulweg verabschieden und mit ansehen, wie gewaltige 40-Tonner mit viel zu wenig Abstand an ihrer Tochter vorbeidonnern, die mit dem Fahrrad unterwegs ist? Frank Behrmann stößt einen tiefen Seufzer aus. „Die Situation hier ist untragbar für uns alle geworden“, sagt er und spricht damit für die Anwohner der Jägerstraße, die seit mehr als zehn Jahren gegen den Schwerlastverkehr vor ihren Haustüren kämpfen und sich mit vereinten Kräften in der Bürgerinitiative „Lebenswertes Bergheim“ zusammengetan haben.

Nachdem es im vergangenen Jahr wie berichtet einen heftigen Rückschlag im Ringen um ein Durchfahrtsverbot für Lkw auf der Jägerstraße gegeben hatte, bekommt die nachbarschaftliche Initiative immer mehr Zulauf und will jetzt mit einer großen Plakataktion noch deutlicher auf die Misere aufmerksam machen.

Wie ein Erdbeben in der Nacht

Große Banner hat die Bürgerinitiative mit ihrer Forderung „Stoppt den Lkw-Verkehr auf der Jägerstraße“ bedrucken lassen. Immer mehr Anwohner hängen die Protest-Plakate an Hauswände und Balkone. „Wir wollen zeigen, dass es hier nicht um einzelne Bürger geht, sondern dass es der gesamten Nachbarschaft endgültig reicht mit dem Lkw-Verkehr.“

Alltag auf der Jägerstraße in Duisburg-Bergheim: Kinder radeln im Schatten der Sattelzüge, die hier durchs Wohngebiet rollen.
Alltag auf der Jägerstraße in Duisburg-Bergheim: Kinder radeln im Schatten der Sattelzüge, die hier durchs Wohngebiet rollen. © Behrmann

Seit dem Jahr 2000 wohnt Frank Behrmann an der Jägerstraße. Damals war der Logistikstandort Logport noch im Aufbau. „Für uns war das nicht absehbar, wie schlimm das mit dem Verkehr hier werden würde.“ Bei der jüngsten Verkehrszählung am 20. August 2020 wurden insgesamt 10.700 Fahrzeuge innerhalb von 24 Stunden registriert, darunter waren 250 Lkw und 130 Busse. Der Bergheimer ist verzweifelt. Er schildert, wie seine Familie Nacht für Nacht aus dem Schlaf gerissen wird, wenn die Laster an seinem Haus vorbeifahren. „Das ist jedes Mal wie ein Erdbeben“, sagt er. Der zermürbende Lärm sei das eine. Viel schlimmer aber sei die Gefahr, die von den Lkw ausgehe.

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Behrmann hat eine 13-jährige Tochter, die mit dem Rad zum Krupp-Gymnasium fährt. Immer wieder beobachtet er, dass die Lkw-Fahrer den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1,50 Metern zu Fahrrädern nicht einhalten. „An einigen Häusern ist der Bürgersteig weniger als 80 Zentimeter breit“, sagt er. „Sicherheitsabstände für Fahrradfahrer und Fußgänger sind hier gar nicht vorhanden. Das ist unzumutbar und unzulässig!“ Außerdem sei die Fahrbahn zu eng und die Laster würden bei Gegenverkehr häufig nicht anhalten und abwarten, sondern einfach über die Bordsteinkante auf den Fahrradweg ausweichen.

Fotos vom Lkw beim Ausweichmanöver auf dem Radweg

Eine Situation, die neulich auch der Umweltaktivist Ulrich Scharfenort von der Bürgerinitiative Saubere Luft zum wiederholten Mal an der Jägerstraße beobachtet hat. Er schickte unserer Redaktion eine Kopie seiner E-Mail an den Oberbürgermeister mit dem Betreff „Stadt Duisburg duldet weiterhin rechtswidrige Zustände auf der Jägerstraße“.

Im Anhang ist eine ganze Serie von Fotos, die zeigen, wie am 13. Mai ein Laster wegen eines entgegenkommenden Sattelzugs mit zwei Rädern auf den Fahrradstreifen ausweicht. „Es gibt viele weitere Zeugen für ähnliche Vorfälle“, schreibt Scharfenort. „Und dennoch hat die Stadt Duisburg bisher nichts getan, um eine belegbar akute Gefährdung mit regelmäßiger Wiederholung zu beseitigen.“

„Muss denn hier zuerst ein schlimmer Unfall passieren, bevor sich etwas tut?“, fragt Familienvater Frank Behrmann. 2020 waren die Anwohner der Jägerstraße noch voller Hoffnung gewesen, als die Bezirkspolitiker beantragt hatten, die Jägerstraße und den Flutweg für den Lkw-Verkehr zu sperren.

Ein Jahr später folgte die Ernüchterung, als die Stadt den Antrag ablehnte – mit einer Begründung, die Frank Behrmann und seine Mitstreiter nicht verstehen. „Welche Voraussetzungen braucht man denn, um eine Straße für Lkw zu sperren? Gibt es dafür keine objektiven Kriterien?“, fragt Behrmann, der sich wundert, warum Städte wie Krefeld oder Dortmund ihre Anwohner mit solchen Sperrungen vor den Zumutungen des Schwerlastverkehrs in Wohngebieten schützen können.

Die Sache mit den Sicherheitsabständen zwischen Lastern und Radfahrern

Laut Stadt Duisburg sind auf der Jägerstraße „die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrszeichen zum Durchfahrtsverbot für Lkw“ nicht gegeben. Zitiert wird in der Erläuterung zur Ablehnung des Antrags auch der Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung. Dieser besagt unter anderem, dass aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs und zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm eine Straße für bestimmte Verkehrsarten gesperrt werden kann. Nach „Abwägung“ des Falls Jägerstraße ist man im Rathaus aber offenbar der Meinung, dass hier keiner der möglichen Gründe zutrifft. Auch nicht das Thema Sicherheit.

Allerdings, so ein Pressesprecher, wolle man sich das Thema Sicherheitsabstände aufgrund der geschilderten Umstände vor Ort dann doch noch einmal anschauen. Wenn die Fachleute der Stadt vor Ort sind, dürfen sie gerne bei Frank Behrmann klingeln. „Ich lade sie ein, sich mal anzuhören, was bei uns im Haus los ist, wenn ein Lkw vorbeifährt.“

>>> WAS MACHT DIE POLITIK?

Nachdem die Stadt 2021 den Antrag der BV abgelehnt hatte, Jägerstraße und Flutweg für Lkw zu sperren, hatte die SPD angekündigt, dass man das so nicht hinnehmen werde. „Die Stadt kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen“, hatte der Fraktionsvorsitzende Mehmet Aslan gesagt. Die Bürgerinitiative wartet auf die Umsetzung dieses Versprechens. Auch vor dem Hintergrund, dass mit dem neuen „Mini-Logport am Borgschenweg bald noch mehr Lkw durch die Jägerstraße rollen könnten.