Duisburg-Friemersheim. Nach schwieriger Recherche zeigt das Museum St. Laurentius den Expressionisten Peter Stermann. Die Geschichte einer geheimnisvollen Spurensuche.

Jeder, der schon mal ein Puzzle zusammengesetzt hat, kennt vermutlich das befriedigende Gefühl, wenn sich aus dem wirren Haufen der Einzelteile nach zähem Ringen endlich ein stimmiges Bild formt. Burkhard Biella hält ein solches Produkt in seinen Händen. Es ist der Katalog zur neuen Sonderausstellung des Friemersheimer Museums St. Laurentius: „Im Zwielicht. Peter Stermann 1903-1946.“

Dass diese 180 Seiten über das Lebenswerk des Duisburger Künstlers erst nach mehr als zwei Jahren Recherche, viel Spürsinn und noch mehr Durchhaltevermögen vollendet sein würden, das haben die „Freunde des Museums St. Laurentius“ nicht geahnt, als sie sich 2019 an die Arbeit machten.

Ausstellungen über die Gründer des Duisburger Künstlerbundes

Auf der Suche nach dem nächsten Künstler, dem der gemeinnützige Verein eine Ausstellung in seinem liebevoll geführten Museum widmet, waren Burkhard Biella und seine Frau Sabine Haustein auf Peter Stermann gestoßen. Mit ihm wollten sie nach Heinrich Seepolt und Heinz Kiewitz die Reihe der Ausstellungen über die Gründungsmitglieder des 1923 ins Leben gerufenen Duisburger Künstlerbundes fortsetzen.

In Antiquariaten und Archiven haben Sabine Haustein und Burkhard Biella kostbare Dokumente über den Duisburger Maler Peter Stermann gefunden.
In Antiquariaten und Archiven haben Sabine Haustein und Burkhard Biella kostbare Dokumente über den Duisburger Maler Peter Stermann gefunden. © Funke Foto Services | Volker Herold

Das Problem zeigte sich erst nach dem Beginn der Recherche – es gab so gut wie keine Veröffentlichungen über den 1903 in Duisburg geborenen Künstler, der es mit seinem eigenwillig markanten Pinselstrich so dicht heran an die großen unter den Expressionisten geschafft hat. Neben Werken von Max Ernst sollen seine damals zu sehen gewesen sein. Was noch schwieriger war: Es waren kaum Arbeiten von ihm zu finden. „Machen Sie mal eine Ausstellung ohne Bilder und Informationen über den Künstler“, sagt Sabine Haustein und lacht.

Rückblickend ist die Vorsitzende des Museumsvereins noch immer erstaunt, in welchem Zickzackkurs sie am Ende doch ans Ziel gelangt sind. Einer der Meilensteine auf dem Weg zur Ausstellung steht bei unserem Gespräch eine gute Woche vor der Eröffnung noch in ihrem Rheinhauser Esszimmer. Es ist „Die Sinnende“, 1924 von Peter Stermann mit Ölfarben auf der Leinwand verewigt. 1,30 Meter ragt das Bildnis der geheimnisvollen Dame in Blau in die Höhe. Mit einer eigenartig fesselnden Melancholie schaut sie aus dem Bilderrahmen.

„Die Sinnende“ kehrt zurück

Fast 100 Jahre nachdem „Die Sinnende“ in Duisburg gezeigt wurde, kehrt sie nun zurück. Burkhard Biella und Sabine Haustein haben sie im Privatbesitz in Gerolstein aufgespürt. Der Baerler Ahnen- und Heimatforscher Hans-Peter Stermann, der kürzlich die „Chronik der Sippe Stermann“ veröffentlicht hat, konnte den Kontakt zu Margret Roos (geborene Mandelartz) vermitteln, die gleich mehrere Werke aus dem Nachlass ihrer Familie besaß. Der Schriftsteller Carl Mandelartz war ein Freund von Peter Stermann. „Die Bilder sind in Duisburg richtig aufgehoben“, hat sie gesagt und dem Museumsverein kurz vor ihrem Tod vier Bilder und einen Katalog als Dauerleihgabe anvertraut.

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Ein Glücksfall! Auf den noch weitere Erfolgsgeschichten folgten. Bei einem Museumsbesuch in Soest stieß Burkhard Biella zufällig auf den Maler Josef Albert Benkert, der mit Peter Stermann gemeinsam in der Künstlergruppe „Der Norden“ war. Benkert war ein akribischer Sammler von Ausstellungskritiken aus Zeitungen, die die Duisburger Spurensucher schließlich in der Staatsbibliothek in Bamberg sichteten. Eine Fundgrube, die dabei half, Stermanns Werk einzuordnen. Die Kritiker – insofern sie nicht zu den Nationalsozialisten gehörten – bescheinigten dem Expressionisten aus Duisburg allesamt großes Talent und eine „Meisterschaft im Umgang mit Farben.“

Fast 100 Jahre nach der ersten Ausstellung kehrt „Die Sinnende“, 1924 von Peter Stermann gemalt, zurück nach Duisburg.
Fast 100 Jahre nach der ersten Ausstellung kehrt „Die Sinnende“, 1924 von Peter Stermann gemalt, zurück nach Duisburg. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Wobei diese bei den meisten der noch vorhandenen Werke doch recht düster ausfallen. „Er wird als psychisch angespannter Mensch beschrieben“, sagt Burkhard Biella, den das Geheimnisvolle der Werke fasziniert. „Die Bilder, die wir nach und nach entdeckten, ließen uns zunächst ratlos zurück“, schreibt er im Vorwort des Ausstellungskatalogs. „Was den Maler Peter Stermann zu seiner Motivwahl veranlasst und in welcher Beziehung er zu den porträtierten Personen gestanden hat, bleibt in den meisten Fällen im Verborgenen.“

Filme für die NS-Propaganda

Mal meint Biella, Spuren des Malers und Bildhauers El Greco in Stermanns Werk zu sehen. Mal scheint die Handschrift so eigen zu sein, dass sich bestimmte Details in vielen seiner Bilder zu wiederholen scheinen. Vor allem der Blick seiner Protagonisten ist besonders. „Sie schauen einen nie an“, sagt Sabine Haustein.

Auf ihrer Entdeckungsreise sind Haustein und Biella dem Duisburger Maler nach Berlin gefolgt, wohin es ihn Anfang der 30er Jahre gezogen hat. „Das war spannend für uns, weil wir in die Geschichte des Expressionismus zur Zeit der Nationalsozialisten eintauchen konnten.“ Auch die Frage, wie sich Peter Stermann durch diese politisch brisante Zeit manövriert hat, ist Teil der Ausstellung. Zwar wurden einige seiner Bilder als „entartet“ in der Kunstsammlung Duisburg beschlagnahmt und vernichtet. Aber auf der anderen Seite begann der Duisburger zu dieser Zeit Filme zu drehen und verdiente Geld mit dem Propaganda-Instrument der Nazis, der „Deutschen Wochenschau“.

Auch nach mehr als zwei Jahren Recherche bleibt Peter Stermann ein Künstler, den eine Aura des Rätselhaften umgibt. Das macht den Reiz der Ausstellung im Museum St. Laurentius aus, die ab dem 1. Mai sein düsteres Werk ins Licht der Öffentlichkeit rückt.

>>> INFORMATIONEN ZUR AUSSTELLUNG UND ZUM VEREIN

Vom 1. Mai bis zum 2. Oktober 2022 ist die Ausstellung „Im Zwielicht. Peter Stermann 1903-1945“ im Rheinhauser Museum St. Laurentius, Martinistraße 7, zu sehen. Das Museum öffnet jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, der Katalog kostet 13 Euro (Mitglieder 9 Euro). Für Kinder gibt es ein kleines Suchspiel zur Beschäftigung.

Wie immer gilt auch bei dieser Ausstellung das Angebot, Besichtigungstermine an einem anderen Tag zu vereinbaren. Dafür muss man keine Gruppe sein. Jeder, der die Werke sehen möchte, kann sich per Mail melden unter museum.st.laurentius@web.de.

Der Verein „Freunde des Museums St. Laurentius“ stemmt die Ausstellungen in der profanierten Kirche aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und mit viel Eigenleistung. Wer das Kulturprojekt unterstützen möchte: Der Mitgliedsbeitrag kostet 20 Euro pro Person, 30 pro Paar im Jahr.