Duisburg-Homberg. Wegen seiner Nazi-Vergangenheit wurde der ehemalige Generaldirektor von Rheinpreußen per Ratsbeschluss von der Liste der Ehrenbürger gestrichen.

Ein Erfolg für die Forschung vor Ort: Heinrich Kost, ehemaliger Generaldirektor von Rheinpreußen und Neumühl, ist kein Ehrenbürger der Stadt Duisburg mehr. Auf einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hin votierte der Rat bei seiner jüngsten Sitzung dafür, den ehemaligen Bergwerksdirektor von der Liste der verdienstvollen Duisburger zu streichen. Kost, 1978 in Kapellen im Alter von 88 Jahren verstorben, war NSDAP-Mitglied und „ausgewiesener Antidemokrat“, so steht es in der Vorlage. Und darüber freut sich nicht zuletzt der Homberger Historiker Dirk Lachmann, der diesen Schritt gefordert hatte: „Das ist doch endlich eine klare Aussage.“

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Der Ratsbeschluss stützt sich auf die Erkenntnisse lokaler Forschungen wie sie Lachmann seit Jahren in seiner Reihe „Homberg unter dem Hakenkreuz“ betreibt. 2020 veröffentlichte er ein Kapitel zum Thema Zwangsarbeit, das sich mit dem Bergbauingenieur und Manager Heinrich Kost beschäftigte. Lachmann kritisiert darin, dass ein nachweislich eng mit den Nazis verbandelter Unternehmer, mitverantwortlich für das Unrecht, das Bergleuten während der NS-Zeit angetan wurde, seit den 70er Jahren Ehrenbürger der Stadt Duisburg ist.

Und nicht nur das. Kost, einer der Großen im Bergbau, wurde gleich zweimal mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland geehrt, 1953 und 1964. Offenbar war es ihm gelungen, sich im Entnazifizierungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg an seiner Rolle im Nationalsozialismus vorbei zu schlängeln, so dass seine Karriere weiterlaufen konnte. Er galt gemeinhin als verdienter Bürger.

Heinrich Kost war Vorsitzender des sogenannten Russenausschusses

Damit macht die Entscheidung des Stadtrats zumindest in Duisburg Schluss. Heinrich Kost habe als Generaldirektor der Zechen und ihrer Nebenbetriebe die Hauptverantwortung für die gesamten Arbeitsabläufe und für die Unterbringung der im Bergbau Beschäftigten getragen, heißt es in der Begründung. Sein unmenschliches Verhalten gegenüber Häftlingen und Zivilarbeitern sei in den Archiven von Moers und Duisburg und im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf beurkundet und unter anderem von dem Moerser Historiker Dr. Bernhard Schmidt und dem pensionierten Homberger Lehrer Dirk Lachmann aufgearbeitet worden.

Seit Jahren widmet sich Dirk Lachmann den Forschungen über die NS-Zeit in Duisburg-Homberg.
Seit Jahren widmet sich Dirk Lachmann den Forschungen über die NS-Zeit in Duisburg-Homberg. © FUNKE Foto Services | DANIEL ELKE

Dabei sei besonders Kosts Tätigkeit als Vorsitzender des sogenannten Russenausschusses im Steinkohlenbergbau an der Ruhr hervorzuheben, der Zentrale für die völkerrechtswidrige Zwangsarbeit durch Kriegsgefangene. 1941 war er von höchster Stelle zum „Wehrwirtschaftsführer“ ernannt worden und übernahm im April 1942 die Leitung.

Russische Kriegsgefangene wurden wie Sklaven behandelt

In dem Ausschuss wurden etwa Überlegungen beschlossen, wie die Leistungsfähigkeit der russischen Kriegsgefangenen unter Tage gesteigert werden könnte, führt Dirk Lachmann in seinen Untersuchungen aus: „Diese Input-Output-Strategie zeigte auf, dass der russische Kriegsgefangene nicht als Mensch, sondern wie ein Sklave behandelt wurde.“ Die Rolle, die Heinrich Kost dort nachweislich gespielt habe, sei in seinen „heroisierenden“ Biografien nie thematisiert worden, gibt auch die Vorlage zu Bedenken. Sie wirft ihm „Geschichtsdeutung in eigener Sache“ vor.

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Der zentrale Vorwurf betrifft Kosts Mitgliedschaft bei der regionalen NSDAP. Als „überzeugtes Parteimitglied“ war er dort von 1934 bis zum Kriegsende in leitender Funktion aktiv, als Mitglied des Kreisausschusses ebenso wie als vom NSDAP-Kreisleiter berufener Stadtverordneter im Rat der damals selbstständigen Stadt Homberg (1934 bis 1937). Somit sei Kost keinesfalls ein Mitläufer gewesen, sondern „Mittäter in leitender Position“, wie es in der Vorlage heißt. Als „Kopf im System der Zwangsarbeit“ im westdeutschen Steinkohlenbergbau habe er von den tödlichen Konsequenzen gewusst und Verantwortung für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der ihm unterstellten Bergleute getragen.

Keine weitere Begutachtung nach der Eingemeindung zu Duisburg

Dabei habe er mehrfach in persönliche Lebensumstände von Gefangenen und Zivilarbeitern eingegriffen, indem er Anzeige bei Kripo und Gestapo erstattete, obwohl er gewusst haben musste, dass diese voraussichtlich ihren Tod zur Folge hätte: „Er nutzte die Machtmittel des nationalsozialistischen Unrechtsstaates als Mittel der Disziplinierung von Untergebenen.“

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All diese Aspekte seien 1964 bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde durch die damalige Stadt Homberg nicht beachtet worden. Mit der Eingemeindung im Jahr 1975 sei die Ehrung dann ohne weitere Begutachtung in eine Ehrenbürgerschaft der Stadt Duisburg übergegangen.

Verdienst des „Homberger Ehrenbürgers“ blieb rätselhaft

Diese folgt jetzt über 45 Jahre später. Ergebnis: „Der Rat der Stadt Duisburg sieht in Heinrich Kost keinen verdienstvollen Bürger mehr.“

Richtig so, urteilt Dirk Lachmann. „Gegen ihn hätte seinerzeit ein öffentliches Anklageverfahren eingeleitet werden müssen“, kritisierte er 2020 in seinen Ausführungen. Inwiefern sich Kost um das Wohl der Stadt Homberg verdient gemacht habe, sei ohnehin nirgendwo nachzulesen.