Duisburg-Rheinhausen. Die Installation erinnert an die Takelage eines Segelbootes. Jens J. Meyer sieht in dem „Seh-Zeichen“ den Impuls für ein verlorenes Lebensgefühl.
Tuche und Segel flattern fließend im Wind, festgezurrt mit drahtigen Tauen. Man weiß nicht, ob man sich Steuerbord oder Backbord wenden soll. Auf der Wiese vor dem Rheinhauser Bezirksamt sieht so es aus, als würde man die restaurierte Takelage der alten Gorch Fock in einem neuen, weißen Gewand präsentieren – etwas verkleinert im Maßstab.
Doch es handelt sich um ein „Seh-Zeichen“, eine ‚Landmarke der Leichtigkeit‘, wie sie der Essener Künstler Jens J. Meyer selbst umschreibt. „Eine Landmarke kann einen topographischen Orientierungspunkt in einer Stadt oder Landschaft darstellen. Durch das Wehen und Flattern in dieser Installation soll damit die Leichtigkeit versinnbildlicht werden, die uns allen in der Corona-Krise etwas abhanden gekommen ist und zu der wir wieder finden sollten“, sagt Jens J. Meyer. Nicht nur wie eine Takelage eines Schiffs wirkt es: Von weitem betrachtet, könnte man einen schreitenden Riesen mit wehenden Kleidern in der Figur vermuten.
Hochelastische Materialien
„Es ist natürlich auch ein Wortspiel im Titel enthalten, genau so gut könnte man es auch als See-Zeichen betrachten“, überlegt der Künstler. Etwa fünf Meter hoch ist sein ‚Seh-Zeichen‘ bei einer Grundfläche von fast acht Quadratmetern, das jetzt noch bis zum 19. Oktober vor dem Körnerplatz in Rheinhausen steht.
Acht Segel aus UV-beständigem Polyester, die mit stabilen Glasfaserstäben und Tauen mit Zeltheringen im Boden verankert sind, umfasst die Installation, die der gebürtige Hamburger in seinem Atelier in Essen-Steele konzipierte. „Ich habe extra Dreiecksformen für die Tuche gewählt, weil das die fließendsten geometrischen Figuren sind“, meint der 62-Jährige. „Und sie sind hochelastisch.“ Zu Meyers Maximen in seinen Werken zählt der Einklang zwischen Kunst, Natur und Architektur.
Bei der Installation hat der Künstler auch die bestehende Architektur am Ort ins Visier genommen, denn etwa zehn Meter von seiner Skulptur entfernt befindet sich ein Kunstwerk von Ulrich Rückriem, eine monolithartige, massive Steinskulptur. „Ich wollte erreichen, dass meine Installation in einen leichtfüßigen Dialog mit dem massiven Felsen treten kann und zugleich noch mit dem Turm des Bezirksamtes, einem alten Bergfried, korrespondiert inmitten dieser schönen, parkähnlichen Natur“, erklärt Meyer, der seit 30 Jahren als freier Künstler unterwegs ist. „Das natürlich mit einem Corona-mäßig gebührenden Abstand“, sagt er mit einem Lächeln im Gesicht.
Ein Schritt zurück in die Normalität
Ute Schramke ist Projektmanagerin für diese Kunst vor den Bezirksämtern, wobei Rheinhausen die sechste Station ist. „Für uns ist das wieder ein Schritt zurück in die Normalität nach der Corona-Krise. Der öffentliche Raum macht Kunst für die Menschen wieder erfahrbar, die Kunstwerke sind ein Dankeschön an die Bürger für ihr umsichtiges Verhalten in der Krise. Die Menschen müssen also nicht unbedingt ins Museum gehen – im gleichen Zuge unterstützen wir damit die von der Krise betroffenen Künstler.“
Eine witzige Anspielung auf die Corona-Krise
Vor sechs Bezirksämtern sind schon schöne, teils witzige Skulpturen oder Malereien entstanden. Den Abschluss bildet der Duisburger Süden. „Die dort entstehende Plastik beinhaltet eine witzige Anspielung auf die Corona-Krise“, verrät Schramke.
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Künstler Jens J. Meyer, der ursprünglich Wirtschaftsingenieurwesen studierte, freut sich, wieder in Duisburg arbeiten zu dürfen, denn schon im Kulturhauptstadtjahr 2010 war er bei den Duisburger Akzenten mit einer begehbaren Videoinstallation dabei. „Da konnten die Besucher richtig in die Figuren, auf denen die Video-Sequenzen liefen, eintauchen. Bei meinem Seh-Zeichen kann man sich bei sonnigem Wetter auch darunterlegen und entspannt in den Himmel schauen.“ Vielleicht mit einem Buch auf der Wiese liegend und das Flackern der Segel – oder das Rauschen des Meeres - dabei hörend...
>>>>>>Aufträge in China und in der Karibik<<<<<<
Vielleicht ist es seine norddeutsche Heimat, die Jens J. Meyer zu den maritim anmutenden Materialien greifen lässt. Noch heute pendelt er zwischen Essen und Hamburg. Mit seinen Kunstwerken ist er auf der ganzen Welt ein gefragter Künstler.
Meyer realisierte Projekte in Italien, den USA, China und der Karibik. Er arbeitet sowohl in der freien Natur, unter anderem im Wald, als auch in geschlossen Räumen, etwa in Kirchen. Videos seiner Arbeiten sind im Internet zu sehen: www.jj-meyer.de