Duisburg-Homberg. . Der Homberger Archivar Reinhard Stratenwerth dokumentiert die Geschichte des Baulöwen. Der Name Josef Kun ist bis heute mit den Weißen Riesen verbunden.
Den (un-)aufhaltsamen Aufstieg des Josef Kun, der den gelernten Maurerpolier aus Homberg zwischen 1952 und 1973 zum „Baulöwen vom Niederrhein“ machte, begünstigten zwei erfolgreiche Strategien: Erstens gewann der smarte, joviale Selfmade-Man lange das Vertrauen der Banken, die ihm immer wieder Kredite, Bürgschaften und Hypotheken in Millionenhöhe gewährten. Zweitens pflegten das SPD-Mitglied Kun und seine Mitarbeiter jahrelang ein feines Netzwerk mit Entscheidungsträgern.
Kuns zahlreiche Kontakte reichten in Rathäuser und Ämter, Verbindungen gab es zu Kommunalpolitikern wie zu Beamten der Verwaltung, vor allem am Niederrhein, aber auch weit darüber hinaus. Doch am Ende trugen diese Strategien auch zum Fall des Bau-Imperiums bei: Im Juli 1973 musste die Kun GmbH Insolvenz anmelden, im Sommer 1979 wurde Kun zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Bauskandal hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt
Die Geschichte des Josef Kun ist in einem dicken Aktenordner im Archiv des Homberger Heimatmuseums dokumentiert. Darin hat Reinhard Stratenwerth, Archivar des Freundeskreises Historisches Homberg, zahlreiche Zeitungsartikel über den Bauskandal um Kun gesammelt, der Anfang der 70er Jahre bundesweit für Schlagzeilen sorgte.
Daraus ergibt sich folgendes Bild: Der Homberger Josef Kun war Sohn einer Bergarbeiterfamilie. Ehrgeizig und erfolgsorientiert, wie er war, gründete Kun um 1952 trotz Schulden ein eigenes Bauunternehmen. Die Branche boomte in Zeiten des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders. Der Bedarf an preisgünstigem Wohnraum war groß, die Auftragslage war gut. Kun baute vor allem im Altkreis Moers, dann am gesamten Niederrhein, später in ganz NRW.
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Das Volumen der Bauprojekte wurde immer größer. Gleichzeitig baute der Homberger seine Baufirma zur Unternehmensgruppe Kun aus, eine Holding von am Ende insgesamt 22 Firmen mit Sitzen in Homberg-Hochheide, Moers, Neukirchen-Vluyn und Horrem. Folgerichtig stieg auch die Zahl der Mitarbeiter der Kun-Gruppe auf zuletzt rund 3500 Arbeiter und Angestellte. Nebenbei leistete sich Kuns Familie, Ehefrau Wilma und Sohn Wolfgang, nahe dem Uettelsheimer See in Homberg einen Reitstall für 45 Sportpferde.
Kun plauderte offenherzig über seine Geschäftspraktiken
Doch die Erfolgsgeschichte hatte einen entscheidenden Haken: Die Unternehmensgruppe Kun verfügte meist über kein Eigenkapital, war fast immer auf Fremdkapital angewiesen. Die millionenschweren Kredite, Bürgschaften und Hypotheken, die Banken Kun gewährt hatten, konnte die Unternehmensgruppe immer weniger bedienen. 1973 türmten sich rund 560 Millionen Mark Schulden auf. Ein Düsseldorfer Bankhaus ging Ende Juni 1973 Pleite und gab auf. Wenige Tage meldete auch die Kun GmbHKonkurs an. Plötzlich standen rund 3.500 Arbeiter auf der Straße - und zahlreiche Rohbauten unfertig in der Landschaft, darunter die „Weißen Riesen“ in Hochheide.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der einst tadellose Ruf des Bauunternehmers Kun bereits Schaden genommen: Denn Kun hatte 1971 im Überschwang seines Erfolges in einem Zeitungsinterview allzu offenherzig über seine Geschäftspraktiken geplaudert, dabei über Politiker, Beamte und demokratische Gremien gelästert. Der SPD-Bezirksverband Niederrhein reagierte 1971 und schloss den Genossen Kun nach rund 20 Jahren aus der Partei aus. Der NRW-Landtag setzte 1972 einen Untersuchungsausschuss ein, nahm Kuns Nähe zu Politikern und Beamten in Nordrhein-Westfalen unter die Lupe.
Wirtschaftsstrafkammer wies dem Baulöwen Kun Bestechung nach
Sieben Jahre später konnte die Wirtschaftskammer des Landgerichts Krefeld dem Ex-Baulöwen einen Fall nachweisen und verurteilte Kun zu zweieinhalb Jahren Haft. Laut Urteil hatte Kun dem früheren Moerser Stadtdirektor Wilhelm Jansen bei einem Immobiliengeschäft 600.000 Mark Preisnachlass gewährt und damit Jansen bestochen.
Gegen Kun wurde im September 1978 das Verfahren eröffnet. Nach Ansicht der Staatsanwälte hatte Kun dem Stadtdirektor für ein Haus in Krefeld eine Quittung über 600.000 Mark ausgestellt, obwohl der Kaufpreis nie bezahlt wurde. Jansen, so die Anklage, habe Kun als Gegenleistung städtische Grundstücke zugeschanzt und dem Bauunternehmer zu Unrecht zu öffentlichen Mitteln verholfen. Jansen erhielt wegen Bestechlichkeit dreieinhalb Jahren Haft und fast 1,6 Millionen Mark Geldstrafe.