Wanheimerort. Bei der St. Sebastianus - Schützenbruderschaft von 1420 haben längst schon die Frauen das Sagen. Auch der neue Schützenkönig ist weiblich.
Drei Bewerber für die Königswürde gab beim Schützenfest der St. Sebastianus - Schützenbruderschaft von 1420. Den letzten Schuss gab auf der Anlage hinter der Eissporthalle am Freitagabend Birgit Rusch ab. Damit kommt es beim ältesten Schützenverein in Duisburg zu einem kuriosen Rollentausch.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Birgit Rusch, die als 2. Brudermeister auch ein Vorstandsamt bekleidet, tritt damit nämlich die Nachfolge ihres Ehemannes Jürgen an. Der hatte bei seinem Amtsantritt selbstverständlich seine Ehefrau zur Königin gewählt. Jetzt ist Jürgen Rusch ins zweite Glied zurückgetreten. Als Königinnen-Begleiter gehört er aber auch in diesem Jahr dem Thron an.
Seit vier Jahren führt eine Frau Duisburgs älteste Bruderschaft
Auch an der Spitze der Bruderschaft steht seit 2019 mit Heike Anger (1. Brudermeister) eine Frau. Damals war der Bestand des Vereins stark gefährdet, erinnert sich die 56-Jährige: „Niemand wollte das Amt übernehmen, die Herren haben sich alle weggeduckt.“ Um die Bruderschaft am Leben zu erhalten, übernahm sie den Vorsitz: „Wir hätten sonst unseren Verein abmelden müssen.“
Wenn Not am Mann ist, müssen die Frauen ran. Dabei gibt ihre Beteiligung bei manchen der kirchlich geprägten Bruderschaften immer noch Anlass zu Diskussionen. Die Wanheimerorter Schützenfrauen machten hingegen schon zeitig „Nägel mit Köpfen“. Bereits vor 20 Jahren wurde per Satzungsänderung die Aufnahme von Frauen ermöglicht. Dazu Heike Anger: „Wir haben im Vorfeld klar gemacht, wenn wir Mitglieder werden, dann aber mit den gleichen Rechten.“
Seit etlichen Jahren schießen die Frauen auch auf den Vogel. Mit Erfolg, denn 2012 und 2017 durfte sich die jetzige Vorsitzende in die Liste der Schützenkönige eintragen, 2019 war es Helma Meier. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas war am Samstag als Schirmfrau des Schützenfestes Gast beim Platzkonzert des Spielmannzugs der Wanheimerorter, dessen Nachwuchs bereits kräftig mitwirkte.
Rechnung für ein Fass Bier belegt das Gründungsjahr 1420
Duisburgs älteste Schützenbruderschaft nennt als Gründungsjahr das Jahr 1420. Schriftführer Tobias Stedem erläutert den Grund dafür: „Es gibt aus diesem Jahr eine an die Schützen adressierte Rechnung. Zu bezahlen war ein Fass Bier. Belegt ist auch, dass es zu der Zeit eine Schützengemeinschaft in Duisburg gab.“ Ob die daran geknüpft Hochrechnung, dass am Wochenende das 603. Schützenfest gefeiert wurde, aufrechtzuerhalten ist, scheint eher gewagt. Gesichert ist auf jeden Fall die Jahreszahl 1884, da kam es nämlich zur Neugründung.
Rückblickend hat die Bruderschaft schon bessere Zeiten erlebt, wie Heike Anger berichtet: „Damals hatten wir rund 400 Mitglieder, mehrere Kompanien. Zum Schützenfest vor dem Stadion gab es lange eine große Kirmes, das war schon für Duisburg ein echtes Ereignis.“ Jetzt zählt die Bruderschaft einschließlich der Dart-Abteilung knapp 80 Mitglieder. Aber gerade auf die jungen Dart - Sportler setzt Anger: „Sie können bei uns ihren Sport auszuüben. Wir hoffen, dass einige davon später auch bei den Schützen aktiv mitmachen. Auch der Schießsport ist bei uns ist eine interessante Option.“
Der feierliche Zapfenstreich fiel erstmals aus. Der durch Musiker der „IG Spielleute“ aufgefüllte eigene Spielmannszug hätte bereitgestanden. Allerdings konnte eine dazu passende Blaskapelle nicht verpflichtet werden, ohne die der traditionelle Festakt musikalisch nicht durchführbar ist. Die Schützen-Chefin Heike Anger: „Wir haben alles versucht, das ist schon traurig.“
>> DER URSPRUNG DER SCHÜTZENBRUDERSCHAFTEN
- Um sich vor Plündererbanden zu schützen, gründeten Städte Vereine, die einer Bürgerwehr ähnelten. Mit dem von König Heinrich I. im Jahr 924 erlassenen Gesetz zur Wehrverfassung der Städte wurden diese Bürgerwehren sanktioniert und offizieller Teil der Stadtverteidigung.
- Anlässlich der Übungen und der Musterungen für die Aufgebote wurden Feierlichkeiten, verbunden mit Umzügen, veranstaltet. Die militärische Bedeutung nahm über die Jahrhunderte ab und wurde mit der Aufstellung regulärer Truppen bedeutungslos. Die Schützenfeste und Schützenvereine blieben als heimatliche Tradition und regionale Brauchtumspflege erhalten.