Duisburg. Der Notdienst der Tierklinik Duisburg ist überlastet. Konsequenz: Die Behandlung von Wildtieren kostet nun Geld. Wer zahlen muss und wer nicht.

Ihr Einsatz für einen verletzten Igel wird für eine Duisburgerin teuer: 180 Euro stellt die Tierklinik am Kaiserberg ihr in Rechnung. Die Ehrenamtliche hat dafür kein Verständnis. Die Tierklinik sagt: „Es ist ein Hilferuf.“

So dick ist der Ordner der Tierklinik Duisburg für Aufnahmen von Wildtieren im Notdienst allein in den ersten Monaten 2023.
So dick ist der Ordner der Tierklinik Duisburg für Aufnahmen von Wildtieren im Notdienst allein in den ersten Monaten 2023. © Funke Foto Services | Monique de Cleur

„Jeder Fuchs, jede Gans, jedes Kaninchen landet bei uns“, sagt Klinikleiter Dr. Jan-Gerd Kresken. Nach Feierabend, an Wochenenden und Feiertagen bringen die Finder Wildtiere zur Tierklinik, und zwar so viele, dass der oft ohnehin schon ausgelastete Notdienst der Tierklinik überlastet wird. „An Pfingsten hatten wir 17 Annahmen“, nennt Kresken ein Beispiel. Das Problem: „In den letzten zehn Jahren sind 80 Prozent der notdienstleistenden Tierkliniken und Tierärzte in NRW aus dem Notdienst ausgestiegen.“

Kaum Notdienste für Tiere: Tierklinik in Duisburg ist einer der letzten neun in NRW

Das hat Konsequenzen. „Die Möglichkeiten bei denen, die Tiere retten, werden gesprengt“, sagt Kresken. Nachdem Asterlagen den Notdienst aufgegeben hat, ist die Tierklinik am Kaiserberg die letzte in Duisburg, in ganz NRW sind es nur noch neun.

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„Selbst die Stadt Dortmund hat schon hier angerufen“, erzählt Kresken, nur kann die Duisburger Tierklinik nicht Wildtiere aus dem ganzen Ruhrgebiet aufnehmen. Dieses „Anspruchsdenken“ anderer Städte verärgert Kresken ebenso wie die Reaktion mancher Menschen, die ihre Fundtiere in den Duisburger Notdienst bringen: „Wir sind fast die Einzigen, die überhaupt noch einen Notdienst anbieten. Und wir müssen uns rechtfertigen.“

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Rechtfertigen zum Beispiel dafür, warum eine Igelfinderin 180 Euro für dessen Einschläferung zahlen muss. Zum konkreten Fall äußert sich der Tierarzt nicht, nur so viel: „Das ist vermutlich eine institutionelle Igelhilfe, die sammeln Spenden.“ Eins stellt er klar: „Eine kostenlose Behandlung von Tieren ist nach den Vorgaben der Gebührenordnung der Tierärzte verboten.“

Tierklinik Duisburg: Privatleute zahlen nichts für Wildtiere

Trotzdem behandelt die Tierklinik viele Wildtierpatienten kostenlos – aber eben nicht für institutionelle Einrichtungen. „Wenn der Privatmann kommt und uns ein Wildtier bringt, zahlt er im Regelfall nichts“, betont Kresken. „Das ist unser Beitrag zum Tierschutz, den wir aus eigenen Mitteln und diversen Spenden leisten.“

Dr. Jan-Gerd Kresken ist einer der Leiter der Tierklinik Duisburg. In diesem Käfig päppeln die Mitarbeiter der Tierklinik Wildvögel auf, hier eine junge Dohle.
Dr. Jan-Gerd Kresken ist einer der Leiter der Tierklinik Duisburg. In diesem Käfig päppeln die Mitarbeiter der Tierklinik Wildvögel auf, hier eine junge Dohle. © Funke Foto Services | Monique de Cleur

So wie das Vogelfutter, mit dem die zahlreichen Vögelfinder kostenfrei ausgestattet werden. „Das bestellen wir im Frühjahr extra, kiloweise.“ Für Fundvögel haben die Mitarbeiter Volieren gebaut, auch für Igel gibt es selbstgebaute Käfige. Aber Kresken stellt klar: „Wir sind kein Wildlife Sanctuary.“ Der Platz ist begrenzt, erweitern könne sich die Tierklinik an ihrem Standort nicht.

Leiter der Tierklinik macht Tierliebhabern ein Versprechen

Wildtiere behandeln, pflegen, den Findern Futter mitgeben: All das leistet die Tierklinik ebenso ehrenamtlich wie die Menschen, die mit Fundtieren zu ihr kommen. Für Igel, Eichhörnchen und Co. gibt es kein Geld, sagt Kresken, „von der Stadt haben wir insgesamt etwa 500 Euro bekommen für seltene Tiere in 20 Jahren“.

Kein Platz, kein Geld, ein überlasteter Notdienst und Menschen, die sich über die Tierklinik beschweren: „Die einfachste Lösung wäre, den Notdienst auch aufzugeben“, sagt Kresken. Doch das kann er mit seinem Berufsethos nicht vereinbaren. Verständnis verlangt er für die Nöte der Tierklinik. Und verspricht trotz aller Probleme: „Solange ich hier bin, wird es auch einen Notdienst geben.“

>> WILDTIER GEFUNDEN: TIERE SIND OFT NUR SCHEINBAR IN NOT

  • Viele Tierärzte behandeln Wildtiere kostenfrei für den Finder oder zu einer niedrigen Gebühr, auch die Tierklinik am Kaiserberg. Dr. Jan-Gerd Kresken stellt aber klar: „Wer ein verletztes Wildtier bringt und es, auch wenn keine Chance auf Wiederauswilderung gibt, operieren lässt, muss für die Kosten aufkommen. Als Finder wird man Eigentümer und muss das Tier danach auch pflegen.“
  • Die Stadt Duisburg wies im Juni darauf hin, dass zurzeit vermehrt „scheinbar hilflose oder vermeintlich verletzte Wildtiere“ zum Tierarzt gebracht würden. Diese benötigten tatsächlich aber oft keine Hilfe. Duisburgs Artenschutzbeauftragter Randolph Kricke appelliert: „Wildtiere sollten in ihrer natürlichen Umgebung belassen und aus dem Nest gefallene Jungvögel in das Nest zurück oder zum Schutz vor Katzen auf einen Ast oder in einen Strauch gesetzt werden.“