Duisburg-Wedau. Die Orgel in der Wedauer Kirche St. Joseph wurde am Montag abgebaut. Für viele Gemeindemitglieder ein Nackenschlag. Sie wussten nichts davon.

Nur einen Tag nach dem letzten Gottesdienst in der Wedauer Kirche St. Joseph gab es für viele Mitglieder der Gemeinde einen weiteren Nackenschlag. Ohne dass der Wedauer Ortsausschuss informiert wurde, machten sich Arbeiter daran, die Orgel abzubauen. Sie wird demnächst im polnischen Tarnow die Messen musikalisch begleiten. Heinrich Rotering kann das Verhalten der Verantwortlichen der zuständigen Pfarrei St. Judas Thaddäus nicht verstehen.

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Als Wolfgang Hill vom Ortsausschuss die Kirche aufräumen will, ist er fassungslos. „Als ich hier ankam, stand die Tür offen und in der Kirche war eine polnische Handwerker-Truppe bereits damit beschäftigt, die Orgel abzubauen. Die sprachen kein Wort deutsch, ich wusste gar nicht, was los ist“, sagt er.

Die Einzelteile der Kirchenorgel aus St. Jospeh in Duisburg-Wedau werden gut verpackt.
Die Einzelteile der Kirchenorgel aus St. Jospeh in Duisburg-Wedau werden gut verpackt. © Volker Poley

Das Ganze geschah nicht einmal 24 Stunden nachdem der letzte Orgelton im Rahmen des feierlichen Profanierungs-Gottesdienstes am Sonntag verklungen war. Mit dem letzten Gottesdienst wurde St. Joseph aus dem Bestand genommen, nach dem Abriss der Kirche entstehen auf dem Gelände Wohnungen.

Die Kirchenorgel wurde bereits vor sechs Wochen von Vertretern der polnischen Gemeinde besichtigt.
Die Kirchenorgel wurde bereits vor sechs Wochen von Vertretern der polnischen Gemeinde besichtigt. © Volker Poley

„Wir wussten von nichts“, bestätigt konsterniert Helmut Rotering, der von seinem Ausschusskollegen Hill direkt alarmiert wurde. Die Verantwortlichen der Großpfarrei Judas-Thaddäus offensichtlich schon. Auch Andreas Ladach, ein international agierender Fachhändler für gebrauchte Pfeifenorgeln, war beim Abbau der Orgel dabei. Er schien irritiert über die Situation vor Ort, für ihn ist aber alles geklärt. Die Verantwortlichen von Judas-Thaddäus hatten im Vorfeld den Duisburger Kirchenmusiker Ulrich van Ooy beauftragt, sich um einen Abnehmer der Orgel zu bemühen. Über den Orgelpfeifen-Spezialisten Ladach kam es dann tatsächlich zu einem Vertragsabschluss.

Vertreter der polnischen Gemeinde waren bereits vor sechs Wochen in Wedau

„Es waren bereits vor sechs Wochen Vertreter der Gemeinde aus der südpolnischen Stadt Tarnow zur Besichtigung in Wedau“, sagt Andreas Ladach. Laut Heinrich Rotering war der Wedauer Ortsausschuss hingegen über die Entwicklung nie informiert worden. Er selbst hat den schmerzlichen Prozess der Schließung „seiner“ Kirche „immer loyal begleitet“, hat viele emotionale Gespräche mit enttäuschten und verzweifelten Gläubigen geführt. Jetzt kann er seinen Frust kaum verbergen: „Wir haben uns der Entwicklung ja nie entgegengestellt, vielen Menschen die Notwendigkeit von Kirchenschließungen erläutert. Ich erwarte aber auch von meiner Pfarrei, in den Prozess eingebunden und informiert zu werden.“ Der engagierte Katholik zeigt sich sehr enttäuscht: „Wir fühlen uns nicht wertgeschätzt, die Kommunikation kann nicht nur einseitig nach Gutdünken von oben nach unten verlaufen, diese Zeiten sollten längst vorbei sein. Wir erwarten einfach mehr Offenheit.“

Auch die Kirchenbänke werden demnächst in Polen stehen

Vor Ort waren auch Ursula Savarino, die Verwaltungsleiterin der Pfarrei St. Judas Thaddäus und ein Kamerateam der ARD, das für die Doku-Reihe „Menschen hautnah“ in der Kirche zu Dreharbeiten angerückt war. Nun bekam das TV-Team die Differenzen durch das zufällige Auftreten verschiedener Akteure aus der Gemeinde tatsächlich „hautnah“ mit, ein Aspekt, der dem zuständigen Redakteur offensichtlich nicht ungelegen kam. Ursula Savarino hingegen kam bei der Antwort auf die Frage, warum denn die Wedauer über die Entwicklung nicht informiert worden seien, in Erklärungsnot: „Da gab es wohl erhebliche Kommunikationsprobleme.“

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Auch unsere Redaktion hatte sich vor kurzem nach dem Stand der Verhandlungen wegen des Verbleibs des Kircheninventars erkundigt und erhielt die Antwort: „Es laufen noch Gespräche“. Zu diesem Zeitpunkt war offensichtlich zumindest bezüglich der Orgel bereits alles in trockenen Tüchern.

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Aber nicht nur die Orgel findet in Polen eine neue Bleibe, auch die Kirchenbänke werden noch im Laufe der Woche verladen. Sie bieten demnächst Gläubigen im prominenten polnischen Wallfahrtsort Tschenstochau eine Sitzgelegenheit. Ohne den alten Standort kleinzureden: das ist schon ein echter „Karrieresprung“ für die Kirchenbänke.

Für Heinrich Rotering ist zumindest diese Sache positiv zu werten: „Es ist gut, dass diese Gegenstände noch in anderen Gemeinden ihren Zweck erfüllen.“ Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens der Abrisstermin den Wedauer Ortsausschussmitgliedern bekannt gegeben wird und Wolfgang Hill nicht zufällig feststellen muss, dass plötzlich die Kirche weg ist.

>>UMZUG NACH POLEN

  • Mittlerweile hat die Gemeinde bestätigt, dass fast das gesamte Inventar von St. Joseph an die polnische Gemeinde in Tschenstochau gehen wird.
  • 28 Kirchenbänke, der Taufbrunnen, der vom Duisburger Goldschmied Claus Pohl gestaltete Tabernakel, das Kreuz und die Heiligenfiguren, aber auch Beleuchtung und Kerzenständer werden eingepackt.
  • Ende der Woche soll St. Joseph leer geräumt sein. Nur der Altar geht nicht mit nach Polen. Der ist für den Transport zu schwer. Aus der Platte müssen noch die darin befindlichen Reliquien entfernt und an einen anderen Kirchenort gebracht werden.