Duisburg-Wedau. Zum Abschied war die Kirche St. Joseph in Duisburg-Wedau ein letztes Mal voll. Der Streit um die Schließung ging im letzten Gottesdienst weiter.

Einen leisen, wehmütigen Abschied bereiteten die Wedauer Katholiken ihrem Gotteshaus. Nach über 100 Jahren Gemeindeleben schlossen sich im Anschluss an die letzte Sonntagsmesse die Türen der schlichten St. Joseph Kirche für immer.

Der feierliche Einzug von Generalvikar Klaus Pfeffer und Stadtdechant Roland Winkelmann in den Sakralbau mit der dunklen Holzdecke und den Ziegelwänden erfolgte ohne Geläut. Vielmehr waren es die Kinder des Kindergarten St Joseph, die mit ihren eingeübten Liedern den ersten Ton angaben. „Wir sind die Kleinen in den Gemeinden, ohne uns geht gar nichts, ohne uns geht alles schief,“ sangen sie.

Duisburger Stadtdechant verteidigt die Schließung der Kirche

Damit legten sie unbewusst schon ihre kleinen Finger in die große Wunde der christlichen Kirchen. „In unseren Gemeinden und Kirchen bleiben immer mehr Plätze leer“, nahm auch Generalvikar Klaus Pfeffer den Mitgliederschwund als Hauptverursacher der Kirchenschließungen in den Blick.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Aber zuvor verteidigte der Stadtdechant die Entscheidung zu den Schließungen aus den Pfarreientwicklungsplan gegen Angriffe von wütenden Wedauer Gemeindemitgliedern im Vorfeld. „Die Voten zur Schließung wurden von den demokratisch gewählten Gremien Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand verabschiedet“, betonte er.

Viele Wedauer nehmen ganz persönlich Abschied

Man habe der Gemeindeleitung der Pfarrei St. Judas Thaddäus in der Zeitung unmoralisches Handeln vorgeworfen, aber auf diesem Niveau dürfe man bei allem verständlichen Schmerz nicht miteinander umgehen. Der Gemeinde, die ihre Kirche noch einmal voll besetzte, bot der Gottesdienst reichlich Gelegenheit, persönlich Abschied zu nehmen.

Messdiener und Messdienerinnen räumen nach dem Abschiedsgottesdienst den Altar der katholischen Kirche St. Joseph in Wedau ab.
Messdiener und Messdienerinnen räumen nach dem Abschiedsgottesdienst den Altar der katholischen Kirche St. Joseph in Wedau ab. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Gemeindereferentin Renate Röttger ließ in kleinen Interviews die langjährig Aktiven zu Wort kommen. Die Katholische Frauengemeinschaft, die sogar schon vor der Gemeindegründung im Stadtteil aktiv war, wurde durch Margret Gebhard vertreten. „Wir haben uns im Juni diesen Jahres auflösen müssen, nachdem wir keinen neuen Vorstand mehr zusammenbekommen haben“, schloss sie traurig ihren Rückblick. Günter Freisem war mit einigen Altpfadfindern gekommen, um der Zeiten zu gedenken, als ihre Zelte noch aus zusammengeknoteten Planen bestanden und Luftmatratzen unerschwinglicher Luxus war.

Feier zum 100. Geburtstag der Gemeinde fiel wegen Corona aus

Familienkreis, Chorgesang, eigentlich sollten alle diese Erinnerungen auf der Feier zum 100. Gemeindegeburtstag ihren Platz haben. „Aber diesen Gottesdienst haben wir ja nun schon die ganze Pandemie vor uns hergeschoben“, erinnerte Renate Röttger. Nun hat die Zeit die Gemeinde eingeholt. Bald wird die Kirche abgerissen und weicht der neuen Wedauer Wohnbebauung.

Auch interessant

„Ich meine, man sollte keine Kirchen abreißen! Das sind besondere Orte für uns Menschen“, machte Joachim Wach seinen Gefühlen in einem Leserbrief an diese Zeitung Luft. Er war 1963 ein Kommunionkind der ersten Stunde in der frisch in den Dienst gestellten roten Kirche.

Mit den Füßen voran verließ der St. Joseph die Kirche

Nach dem Gottesdienstgeschehen wurden alle Kerzen gelöscht, die Leuchter davongetragen, das Altartuch zusammengelegt und das Allerheiligste aus dem Tabernakel geholt. Die Reihen der Gläubigen zeigten schon Lücken, ganze Familien waren früher gegangen. Sie wollten wohl nicht weiter zuschauen, wie das geistliche Leben aus St. Joseph verschwindet.

Eine Gruppe Pfadfinder lud die Statue des Heiligen Joseph auf einen flachen Wagen. Mit den Füßen voran verließ der Schutzheilige die Kirche. In einem gemieteten Bus mit der seltsam passenden Aufschrift „Dienstfahrt“ brachte eine Abordnung aus Geistlichen, Messdienern und Pfadfindern die Statue und den Hostienkelch nach Bissingheim zur knapp drei Kilometer entfernten Kirche St. Raphael.

>>>> LANGJÄHRIGER PFARRER BLICKT DENNOCH NACH VORN

Werner Goeke, der langjährige Pfarrer der Gemeinde, war beim Abschiedsgottesdienst nicht dabei. „Nein, das kann ich nicht, das wissen aber auch alle“, sagt der 90jährige.

Dennoch blickt er nach vor: „Wir werden neue Wege gehen, in kleineren Gruppen zusammenkommen. Damit beschäftige ich mich jetzt.“