Duisburg-Wedau. Die Kirche St. Joseph ist eine der letzten offenen Kirchen und trotz damit dem Vandalismus. Der Pastor: Geschlossene Türen wären viel schlimmer.
„Es gibt hier viel, was man in dieser nüchternen Kirche gar nicht vermuten würde.“ Christa Schneider kennt als Gemeindemitglied von Anfang an ihre Kirche mit all den großen Bedeutungen und den verborgenen Kleinigkeiten. Dann läuft sie auch schon voran, zeigt und erzählt und läuft schon wieder weiter, zur nächsten Sehenwürdigkeit. Und in der Tat gibt es viel zu zeigen, viel zu erzählen.
Zum Beispiel von dem kleinen Gebetsort gleich am Eingang der Kirche, Maria zur immerwährenden Hilfe heißt er: Es ist ein Ort der Ruhe in einem Ort der Ruhe. Ein Ort, an dem Gläubige die Mutter Gottes um Hilfe ersuchen. Eine Frau hat ein kleines Keramikschälchen an die Wand geklebt: „Danke für all’ Deine Hilfe“, steht darauf, und: „Mir geht’s schon viel besser.“
Im Totenbuch werden handschriftlich die Namen der Verstorbenen notiert
Die St.-Joseph-Kirche ist eine Kirche, die den Dialog mit ihren Gläubigen pflegt, mit den Lebenden wie den Toten. Ein Totenbuch – laut Christa Schneider selten in Kirchen zu finden – erinnert an die Menschen, deren Leben in der Gemeinde geendet hat: Jeder Tag im Jahr hat eine Seite, auf der die Hinterbliebenen die Namen ihrer Verstorbenen notieren. Handschriftlich. Über dem Totenbuch prangt eine Holzinschrift an der Wand, die in der Behindertenwerkstatt gefertigt wurde: „Freut Euch, dass Eure Namen im Himmel verzeichnet sind.“
Das Totenbuch ruht auf einem Ständer, der, wie so viele Kirchenwerke aus Metall im Duisburger Süden, der HKM-Lehrwerkstatt entstammt. „Der wird im Laufe der Zeit rosten“, kündigt Schneider an. Gewollt, natürlich. Die altgriechischen Worte Phos und Zoe, Licht und Leben, sind aus dem Metall geschnitten und stellen eine Verbindung her zum Tabernakel, den dieselbe Inschrift ziert. Licht und Leben – „Das ist der ganze Glauben in Kurzform“, sagt Pastor Werner Goeke.
Der Künstler Hans Büning hat sich in der Kirche verewigt
Der Tabernakel selbst ist ein Werk des Duisburger Goldschmiedemeisters Claus Pohl. Ansonsten hat sich hier künstlerisch vor allem ein Wedauer verewigt: Hans Büning, selber langjähriges Gemeindemitglied. Von ihm stammt der Bilderzyklus in der Seitenkapelle, der die sieben letzten Worte Jesu illustriert. Auch der dort befindliche Altar mit seiner Darstellung des brennenden Dornbuschs aus Stahl und der Gesetzestafeln aus Messing wurde nach seinem Entwurf gefertigt. In der HKM-Lehrwerkstatt.
Überhaupt, sakrale Kunst. Davon hat die Kirche St. Joseph noch mehr zu bieten. Da ist der Namenspatron, St. Joseph, dargestellt als Handwerker mit der Axt in der Hand. Das Ambo mit Symbolen der vier Evangelisten, oder, wie Pastor Goeke erklärt: „Die vier Wesen, die Gott umgeben, der geheimnisvoll und nicht darstellbar ist.“ Das Vortragskreuz aus der ehemaligen Notkirche, fast 100 Jahre alt, verschollen – und wiedergefunden. Die drei Knäufe aus Bergkristall auf dem Kupferdeckel des Taufbeckens, von denen jeder ein christliches Symbol in seinem klaren Inneren birgt: Fisch, Dreifaltigkeit, Heiliger Geist. Und über allem prangt das große, das zentrale Kreuz: mit einem Jesus ohne Krone, ohne Dornen, der Kopf aufrecht – kein leidender Jesus.
St. Joseph hat ein Problem mit Vandalismus – und bleibt bewusst trotzdem offen
Ein anderes Kreuz hat seinen ursprünglichen Ort an der Kirche verlassen müssen und gegen einen Ort in der Kirche eingetauscht: Der Jesus am Totenbuch „ist zweimal mutwillig zerstört worden“, ärgert sich Christa Schneider. Drinnen ist das Kreuz nun sicher geborgen. Draußen hat es einen Nachfolger bekommen. „Das Kreuz draußen ist aus Kunstfaser, das kann man nicht zerstören.“
Auf andere Weise trotzt die Kirche dem Vandalismus, vor dem die meisten Gotteshäuser inzwischen längst ihre Türen verschlossen haben: Täglich ist St. Joseph geöffnet, von 9 bis 17 oder 18 Uhr. Die offene Kirche, sie liegt Pastor Goeke am Herzen. Für ihn gibt es etwas, vor dem ihm weitaus mehr graut als vor den Spuren des Vandalismus: „Wenn mal eine Lampe kaputtgeht, das ist nicht so schlimm. Schlimmer ist, wenn die Leute hier beten wollen, und die Tür ist zu.“