Duisburg-Serm. . LVR-Archäologen nennen Fundstätte aus Duisburg-Serm „überregional herausragend“. Handelsplatz bewiesen. Darum gibt’s trotzdem keine Ausgrabung.
- Die Ergebnisse der Ausgrabung vom Herbst 2016 liegen jetzt vor – und sie sind aufsehenerregend
- Die Sermer Fundstätte ist nahezu unberührt, das ist im Rheinland einzigartig
- Die Funde stammen aus der Zeit unmittelbar nach dem Abzug der Römer – das macht sie so besonders
Heute fertigen Duisburger Stahlkocher Präzisionsbrammen für Windräder; im 1. Jahrtausend schmolzen Handwerker Reste des römischen Imperiums ein. Da, wo zwischen St.-Dionysius-Kapelle und der heutigen Sermer Siedlung Bauern ihre Felder beackern, war einst ein frühgeschichtlicher Handelsplatz. Herausgefunden, herausgegraben haben dieses Wissen Archäologen des LVR.
Im Spätsommer waren sie mit Spaten und Pinsel ihrem Verdacht nachgegangen, unter den Ackerfurchen könnte sich Historisches verbergen. Seitdem haben die Mitarbeiter des Landesverbands Rheinland ihre Fundstücke untersucht, haben gewaschen, sortiert und eingeordnet. Und sind jetzt sicher: Die Fundstätte ist „überregional herausragend“.
Archäologe: Fundstätte ist „überregional herausragend“
Der das sagt, ist Grabungsleiter Klaus Frank. Unter dem Sermer Acker liegt ein sogenannter Zentral-Platz. „Da waren Kaufleute unterwegs.“ Und zwar ganz schöne Strecken: Einige Funde aus dem 5., 6. Jahrhundert lassen sich der Töpferstadt Mayen zuordnen – 150 Kilometer weit weg im heutigen Rheinland-Pfalz. Auch Glasperlen lagen in der Erde. Und sozusagen die Vorläufer der heutigen Stahlindustrie. Schlacken sind der Beweis: „Da wurde Eisen in Öfen geschmolzen und weiter verarbeitet“, sagt Frank. Zudem wurde Buntmetall – etwa Kupfer, Zinn und Blei – zu Legierungen weiterverarbeitet. Verwendung fanden diese Legierungen zum Beispiel als Gürtelbeschläge oder Schmuck.
Die Händler in Serm betrieben Recycling im Mittelalter
Sozusagen Recycling im Mittelalter: Denn das Buntmetall, das am Platz weiterverarbeitet wurde, stammte etwa aus dem römischen Kastell Krefeld-Gellep am anderen Rheinufer. „Die haben sich aus den römischen Ruinen jahrhundertelang mit Rohmaterial versorgt.“
Die Funde nämlich stammen aus der Zeit nach dem Abzug der Römer, und gerade das macht sie so bedeutend: Aus der römischen Antike gibt es viele Funde – die Römer bauten aus Stein. Im Mittelalter aber wurde vornehmlich aus Holz und Stroh gebaut – Werkstoffe, die im Gegensatz zu Stein verrotten. Und was im Laufe der Jahrhunderte nicht vermoderte, wurde überbaut. Das macht die Sermer Siedlung zu einer archäologischen Rarität. „So eine fast unberührte Siedlung haben wir kaum noch im Rheinland“, freut sich der Archäologe. Erst aus dem Hochmittelalter gibt es wieder zahlreiche Siedlungsfunde.
Die Funde sind bedeutend – aber sie bleiben vergraben
Doch so selten, so bedeutend die Funde auch sind: Einstweilen bleiben sie in der Erde. Es fehlt an Geld für eine Ausgrabung. So bleibt unsichtbar, was sich dort noch unter der Sermer Erde verbirgt – obwohl das eine Menge sein dürfte, denn Frank sagt: „Wir haben vielleicht ein Promille der Siedlung anschauen können.“ Immerhin: Trotz Ackerbau liegt der frühgeschichtliche Handelsplatz dort sicher: geschützt von der Erde, die das historische Erbe bedeckt.
In ihrem Abschlussbericht werden die Archäologen des LVR die Stadt bitten, ein Bodendenkmal auszuweisen. Denn so viel Schutz die Erdschicht auch bietet, er allein wird auf Dauer nicht reichen. Die Stadt, so Frank, werde dieser Bitte wohl nachkommen. Für den Grabungsleiter eine Erleichterung: „Dieser Platz muss geschützt werden für nachfolgende Generationen.“