Duisburg-Wanheim.. Die evangelische Gemeinde Wanheim schreibt das Neue Testament ab – von Hand. Es ist ihr Beitrag zum Reformationsjubiläum 2017.
Akkurat, ohne Eile, bringt Bärbel Block sie zu Papier: Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Kapitel für Kapitel. Die Heilige Schrift erfährt sie mit ihren eigenen Händen. Bärbel Block ist eins von fast 50 Gemeindemitgliedern der evangelischen Gemeinde Wanheim, die sich einem besonderen Projekt verschrieben haben: Sie schreiben das Neue Testament ab. Es ist ihr Beitrag zum Reformationsjubiläum.
Am 31. Oktober 2017 wird es 500 Jahre her sein, dass Martin Luther seine berühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg schlug. Im September war Bärbel Block dort, ist durch Luthers Geburtshaus gelaufen. Auch aus diesen Eindrücken heraus hat sie sich sofort entschieden, diesem Projekt ihre Handschrift zu verleihen.
Mehrere hundert Kapitel
46 Menschen wie Bärbel Block haben sich schon als Schreiber gemeldet, seit das Projekt im März begonnen hat. Es sind Menschen wie die ältere Dame, deren Locken ebenso akkurat sind wie ihre Handschrift – und Menschen wie Alina Gladbeck, eine 15-Jährige mit Piercing über der Oberlippe. „Ich denke, dass ich mich besser in Martin Luther hineinversetzen kann, und dass ich mehr über die Bibel lerne“, begründet sie ihren Entschluss, ein Kapitel aus dem Neuen Testament abzuschreiben. Der zehnjährige Laurin Kuhfuß ist bis jetzt der jüngste Teilnehmer. „Das ist was Besonderes und schon ein bisschen cool“, findet er. Neunmal mehr Lebensjahre zählt die älteste Teilnehmerin: „Meine Mutter schreibt auch mit, die wird 90“, erzählt Presbyterin Regina Schrör, die das Projekt organisiert.
Mehrere hundert Kapitel umfasst allein das Neue Testament der Bibel, das Luther 1522 aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte. Die Leistung des Reformators will die Gemeinde würdigen. „Luther hat seine Übersetzung nicht in den PC getippt“, erinnert Schrör, gerade erst war ja der Buchdruck erfunden worden. Seine Übersetzung verfasste Luther von Hand – eben so, wie sich auch die Mitglieder der Wanheimer Gemeinde dem Buch der Bücher nähern. Es ist eine langsamere, eine intensivere Auseinandersetzung mit der Bibel, als die Teilnehmer sie aus dem Gottesdienst kennen, „man kriegt die Texte ganz anders mit“, bemerkt auch die Presbyterin.
Das ganze restliche Jahr über wird sie immer wieder tun, was sie an diesem Tag tut: Kapitel austeilen und Papier, dezent liniert und marmoriert, verbunden mit der Bitte: nicht knicken, nicht lochen, in Schwarz schreiben. Anfang des nächsten Jahres, des Lutherjahres 2017, wird sie die Blätter binden lassen. Am Ende steht so ein handschriftliches Neues Testament. Ganz wie zu Luthers Zeiten.