Duisburg-Meiderich. . Die Meidericherin Christa Dautzenberg ist verzweifelt wegen des Aufzugs an der Singstraße: “Meine Mutter ist 86 Jahre alt und nicht mehr gut zu Fuß. Ich muss sie hier aber einmal die Woche abholen, das geht nicht anders.“

„Nehmen sie mir bitte den Wagen ab, sonst stürze ich hier wirklich runter“, sagt Bernhard Kipphard und klimmt schwankend und schwitzend Stufe für Stufe die steile, von glitschigem Vogelkot breit benetzte Meidericher Bahnhofstreppe herab.

Warum er trotz des defekten Aufzugs mit der S-Bahn gekommen sei, wollen wir wissen: „Der Umweg über Ruhrort hätte bis zu 90 Minuten gedauert und wäre sehr anstrengend für mich gewesen“, sagt Kipphard und arbeitet sich angestrengt im Zeitlupentempo die letzten Stufen hinab.

Gerade mal 60 Jahre alt ist Bernhard Kipphard und 60 Prozent beträgt der Grad seiner Schwerbehinderung. „Weiche Knochen, haben die Ärzte gesagt“, sagt Kipphard. Das rechte Kniegelenk des ehemals aktiven, sportlichen Oberhauseners wurde mit schweren Knorpel- und Knochenschäden in den vergangenen Jahre hoch komplizierten Operationen unterzogen. Letztlich kann er froh sein, dass ihm sein Bein erhalten blieb. Nun verschleißen nach und nach die Knochen seiner Füße und verschlechtern seine Bewegungsfähigkeit zusätzlich – „weiche Knochen“ halt.

Großes Hindernis kurz vor dem Ziel

Der unverheiratete Vorruheständler, der früher hart im Transportgewerbe arbeitete, war froh, als er in Meiderich die Zusage für eine kommunal geförderte barrierefreie Wohnung auf der Spessartstraße bekam. Ein Glück, das ihm in Oberhausen bis dahin nicht vergönnt war.

Im Vorfeld seines Umzugs nach Duisburg pendelte er oft zwischen den Revierstädten. Mit einem großen Hindernis kurz vor dem Ziel. Der Aufzug zu den Gleisen ist defekt. Dass nicht erst seit Wochen, wie Kipphard vermutete: „Seit mehr als einem Jahr geht das so“, sagt ein alter Herr, der von der Augustastraße Richtung Bahnhofsvorplatz geht.

Die Meidericherin Christa Dautzenberg ist verzweifelt wegen des Aufzugs an der Singstraße: „Meine Mutter ist 86 Jahre alt und nicht mehr gut zu Fuß. Ich muss sie hier aber einmal die Woche abholen, das geht nicht anders“, sagt die Meidericher Bürgerin und schaut die etwa 50 steilen (und ekelhaft dreckigen) Treppenstufen herauf.

Null Resonanz von Bahn und Beauftragter

„Ich bin ja nicht der einzige Mensch hier in Meiderich, der nicht mehr gut zu Fuß ist“, sagt Kipphard, „viele, viele Bürger können die S-Bahn hier de facto nicht mehr nutzen.“ Den couragierten Mann, dessen Herz nach eigener Aussage am Sozialstaat hängt, ärgerte der Zustand. Er erkundigte sich selbst bei der Bahn. Er kontaktierte den Regionalmanager der Nord-West-Bahn, deren Züge zwischen Oberhausen und Meiderich verkehren.

Schließlich sprach er das Büro der städtischen Behindertenbeauftragten Petra Stry auf das Problem an. Null Resonanz. Was eine mögliche Reaktion der Bahn angeht, da machen sich die geplagte Frau Dautzenberg und der couragierte Kipphard keine Illusionen: „Die werden es auf die bösen Vandalen schieben. Vandalismus oder nicht – das ist doch nicht mein Problem.“

Das Problem der Bahn sehr wohl. Reparatur ja. Aber ohne Eile und nur sehr widerwillig – so die Kernaussage des Bahnsprechers – für dessen Gehalt im Staatsbetrieb Bahn nach wie vor der Steuerzahler gerade steht.

Sachbeschädigungen erreichen Schmerzgrenze

„Die Auftragsvergabe an ein Unternehmen ist im Gange“, hieß es auf Nachfrage der Redaktion. Wann die Reparatur erfolge, könne er aber nicht sagen. Des Weiteren müsse sich der Bürger nicht wundern, wenn in Meiderich Behinderte und Alte in die Röhre schauten: „Der Bahnhof befindet sich inmitten eines sozialen Brennpunktes“, sagt der Sprecher der Bahn AG. Der Aufzug sei dort immer wieder Ziel von Sachbeschädigungen: „Das hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, dass wir sagen müssen, wir wissen nicht mehr, wie es weiter gehen soll.“ Die Schmerzgrenze der Bahn sei erreicht.

Auf die Frage, warum die viele anständigen Meidericher Bürger darunter leiden müssten, kommt vom Bahnsprecher weder Bedauern noch eine Entschuldigung an die Menschen im Rollstuhl oder an Krücken – im Gegenteil. „Wir wollen nicht alle fünf Minuten tausende Euro rausschmeißen, nur damit wenige Tage später wieder alles kaputt ist.“

Welche Schäden denn genau am Aufzug vorliegen, weiß der Sprecher der Bahn AG nicht. Auch nicht, wie teuer die Reparatur denn letztendlich wird: „Da müsste ich noch mal nachfragen.“