Duisburg-Marxloh. . Vor rund drei Wochen ist Muhammed Al in seinem Amt als Vorsitzender der Marxloher Ditib-Gemeinde in Duisburg bestätigt worden. Nun spricht er über Sarrazin, Islamphobie und Erdogan.
Zwar darf man als Journalist keine Geschenke annehmen, es gibt aber Ausnahmen: Etwa, wenn der neue Vorstand des Vereins, der seinen Sitz in der größten deutschen Moschee hat, zum Pressefrühstück einlädt.
Eine feine Medaille mit dem Konterfei des Gotteshauses an der Warbruckstraße übergab Muhammed Al ganz herzlich und feierlich der Redaktion. Klar, dass die dort einen Ehrenplatz bekommt.
Vor rund drei Wochen ist Muhammed Al in seinem Amt als Vorsitzender der Marxloher Ditib-Gemeinde bestätigt worden. Die Begegnungsstätte in der Ditib-Moschee wird von einem separaten Vorstand repräsentiert.
"Wunder von Marxloh"
„Das Wunder von Marxloh läuft auf Hochtouren“, sagt Al, der stolz darauf ist, wie er sagt, dass Thilo Sarrazins Buch und die damit verbundenen Äußerungen den Vereinsvorstand und die Gemeindemitglieder nicht demoralisiert hätten: „Zu Herrn Sarrazin kann ich nur sagen, dass wir nach wie vor und mehr als jemals zuvor an einem guten Zusammenleben interessiert sind“, sagt Al: „Diese Diskussion hat uns zusätzlich motiviert, uns noch nachhaltiger für Integration einzusetzen.“
Es dürfe nicht sein, dass so ein Mensch so viel Arbeit zunichte mache: „Herr Sarrazin lässt sich über die Gemüsehändler aus. Will er wirklich kollektiv 60.000 türkische Kleinunternehmer und Mittelständler diffamieren, die mehr Umsatz machen, als die Audi AG? Die tausende Arbeitsplätze schaffen und ihre Steuern in diesem Land zahlen?“
Nein, sagt Al, geärgert hätten sich die wenigsten Gemeindemitglieder über Sarrazin: „Alle vier, fünf Jahre kommt einer wie Sarrazin. Der verdient dann ganz viel Geld mit seinen Provokationen und verschwindet irgendwann wieder.“
Islamphobie sei Ausprägung von Intoleranz und Nationalismus
Die viel diskutierte „Islamphobie“, sagt Al, sei ohnehin nichts anderes als eine Ausprägung von Intoleranz und Nationalismus. Auf Konfrontation dazu werde man in der Ditib-Gemeinde nicht gehen, sondern dagegen arbeiten: „Unsere Türen und Tore sind jederzeit für alle offen, die uns kennenlernen wollen“, sagt Al, der mit seinem neuen Vorstandsteam eine „Qualitätsoffensive“ starten will: „Wir gliedern einen Akademikerbund bei uns ein, wir gehen auf dem Fundament, das uns die Generation unserer Eltern hinterlassen hat, konsequent weiter“, sagt Al, dem es nicht gefällt, das Politiker aus dem Integrationsthema Profit schlagen wollen: „Integration muss überparteilich bleiben.“
Angesprochen auf Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der zu Amtsantritt sagte, dass die Muslime wohl, der Islam aber nicht Teil von Deutschland sei, bleibt Al relativ gelassen: „Ist diese Moschee etwa nicht Teil von Duisburg? Kann man fünf Millionen Muslimen ernsthaft sagen, dass ihr Glaube nicht Teil des Landes ist, in dem sie leben? Das wäre doch ein Widerspruch in sich“ sagt Al. Er sei fest davon überzeugt, dass der Minister das ganz anders gemeint habe: „Man darf die Menschen, die es betrifft, nicht so verletzen.“
Ob Muhammed Al es denn verstehen könne, dass es viele Menschen in Deutschland verletze, wenn der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan, als Gast in diesem Land, die türkische Diaspora auffordere, sich nicht zu integrieren?
Al fordert billinguale Spracherziehung
Das habe der Ministerpräsident gar nicht getan, sagt Al, ganz im Gegenteil: „Er hat gesagt: ,Ihr müsst die deutsche Sprache lernen, eure Muttersprache aber müsst ihr auch beherrschen’. Bilinguale Spracherziehung“, sagt Al, „die fordern und fördern wir auch. In der Familie muss beides gesprochen werden, zuerst die Muttersprache und dann die deutsche Sprache.“ Sprach-Defizite bei Migranten könne man nur in einem ehrlichen Dialog angehen. Die Frage, ob es denn nicht zuerst die Aufgabe türkischer Eltern sei, ihre Kinder nachdrücklich zum Deutschlernen anzuhalten, bringt den ruhigen Muhammed Al dann doch auf die Palme. Es schwinge ein unfaires Vorurteil in der Frage mit, sagt Al: „Es ist fatal und falsch, so zu denken. Es gibt keine türkischen Eltern, die Kindern verbieten, Deutsch zu lernen.“ Das Gegenteil sei der Fall. Es gebe, sagt Al, sogar ein Koran-Zitat, in dem die Gläubigen zum Erlernen möglichst vieler Sprachen aufgefordert würden: „Wenn du zwei Sprachen sprichst, kannst du zwei Menschen ersetzen.“
Die Existenz dieser Vorurteile, sagt Al, habe damit zu tun, dass viele Menschen nicht zwischen Religion und Tradition unterscheiden könnten: „Wie bei der schlimmen Tradition des sogenannten Ehrenmords. Die hat mit unserer Religion nichts zu tun.“