Duisburg-Bruckhausen. Mal machen die Knochen nicht mehr mit, mal ist es ein Unfall – und man kann nicht mehr in seinem Job arbeiten. Das bietet Thyssenkrupp dann an.
Wechselschichten können ganz schön an die Substanz gehen: „In jungen Jahren merkt man das nicht“, sagt Salih Yildirim (55). Wenn dann aber auch die Knochen nicht mehr mitspielen und ein Bandscheibenvorfall für Schmerzen sorgt, steht man plötzlich vor der Frage: Wie geht es beruflich weiter?
An diesem Punkt war Yildirim vor etwa drei Jahren. „Ich habe 1985 bei Thyssen angefangen und war zuletzt 17 Jahre lang in der Brammenadjustage in Beeckerwerth beschäftigt“, erzählt er. Als klar ist, dass er nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann, macht ihm Thyssenkrupp ein Angebot: Vielleicht findet er in der Inklusions-Werkstatt eine neue Aufgabe?
Inklusions-Werkstatt in Duisburg-Bruckhausen: Für viele eine zweite Chance
Seit zwei Jahren arbeitet Yildirim nun schon dort in der Schlosserei. „Es war die beste Entscheidung in meinem Leben. Ich bin jetzt wieder wie am Anfang meines Berufslebens Schweißer und mir geht es gut. Hier in der Inklusions-Werkstatt wird viel mehr auf die Mitarbeiter und ihre Probleme eingegangen“, lautet sein Fazit.
Die Inklusions-Werkstatt in Duisburg-Bruckhausen gibt es schon seit 30 Jahren, rund 110 Thyssenkrupp-Mitarbeiter haben dort einen „festen Hafen“ gefunden, wie Werkstattleiterin Vera Hillen es ausdrückt. „Bei uns geht es nicht um eine Beschäftigungstherapie.“ Auf diese Feststellung legt Christian Ott, Leiter der Inklusion, großen Wert.
Es geht nicht um Beschäftigungstherapie. Es werden Dinge hergestellt, die gebraucht werden
„In unseren Werkstätten werden Dinge hergestellt, die wir auf der Hütte brauchen.“ Letztlich möchte man den Mitarbeitern, die teilweise Jahrzehnte bei Thyssenkrupp auf dem Buckel haben, Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen, „indem wir sie an der Wertschöpfung beteiligen“, so Ott. Das sei den Mitarbeitern enorm wichtig: „Es macht sie stolz und sie können weiterhin sagen: Ich geh auf die Hütte.“
Viele der Beschäftigten in der Inklusions-Werkstatt sind schon älter. Aber manchmal wirft es auch Junge aus der Bahn, zum Beispiel durch einen schweren Motorradunfall oder eine plötzliche Nierenschwäche, die zur Dialyse zwingt.
Oft findet sich ein neuer Job in einer anderen Abteilung
„Wer zu uns kommt, durchläuft eine sechswöchige Phase, in der er sich ausprobieren kann. Hier wurde schon so manches Talent entdeckt – auch noch nach 35 Jahren“, berichtet Vera Hillen. Eine Option ist, zu schauen, ob der Mitarbeiter in einer anderen Abteilung des Unternehmens arbeiten kann. Bei etwa 30 Prozent gelingt das. „Manchmal, aber das passiert eher selten, kommen wir zu dem Entschluss, dass jemand tatsächlich arbeitsunfähig ist“, so Hillen.
Oder aber man findet eine neue Aufgabe in der Inklusions-Werkstatt. Die besteht aus den drei Abteilungen Textil, Leder, Druck und Gravur, Schlosserei und Schreinerei. Thomas Theis ist an der Druckmaschine gelandet. „Ich bin 1979 mit meiner Ausbildung zum Hüttenfacharbeiter im Unternehmen eingestiegen. Zuletzt war ich Walzwerker im Grobblechwalzwerk in Hüttenheim.“
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Das wurde zum einen vor zwei Jahren geschlossen, zum anderen bekam Theis Probleme mit den Gelenken: „Ich habe zwei künstliche Knie und künstliche Hüften. Da ist nichts mehr mit hinknien oder lange in die Hocke gehen.“ Seine berufliche Laufbahn wird der 60-Jährige daher in der Druckerei beenden.
„Ich habe mich schon immer für 3D-Druck und Lasertechnik interessiert, mein Hobby also zum Beruf gemacht – da hatte ich echt Glück.“ Mit seinen Kollegen stellt er für alle Standorte des Unternehmens Schilder und Prüfetiketten her. „Die Inklusions-Werkstatt ist wie eine Familie. Bei uns gibt es noch richtige Kameradschaft“, freut sich Theis.
>> Inklusions-Werkstatt schneidert auch für das soziale Modelabel „august & alfred“
- Auch in der Textilwerkstatt werden Dinge hergestellt, die im Werk gebraucht werden, zum Beispiel Vorhänge, Gürtel oder Wäschesäcke. Die Nähmaschinen summen aber auch für das Modelabel „august & alfred“, eine Kooperation mit der Marke Grubenhelden.
- Aus ausgedienten Gießermänteln, die die Mitarbeiter am Hochofen vor Hitze schützen, entstehen Kulturbeutel oder Taschen. Der glitzernde Stoff landet aber auch als Hingucker auf T-Shirts oder es entstehen daraus schicke Grillschürzen.