Duisburg. Jetzt steht fest, wo die Trasse der Wasserstoffleitung von Dorsten nach Duisburg verläuft. Das kommt auf Anwohner und Grundstücksbesitzer zu.
Der Stahlkonzern Thyssenkrupp soll als Großabnehmer an die künftige Wasserstoff-Transportleitung vom westfälischen Dorsten nach Duisburg-Hamborn angeschlossen werden. Dieses Projekt setzt Deutschlands größter Gas-Transporteur Open Grid Europe (OGE) zusammen mit Thyssengas um. Jetzt hat der Regionalverbund Ruhr (RVR) entschieden, welchen Trassenkorridor diese H2-Leitung durch den Duisburger Norden und durch die übrigen beteiligten Städte nehmen kann.
Dieser Korridor ist 600 Meter breit, doch wo darin die Wasserstoffleitung genau verläuft, klären später die Bezirksregierungen Düsseldorf und Münster anhand aller Unterlagen für das notwendige Planfeststellungsverfahren. Festgelegt wird, betont Open Grid Europe, eine „zentimeterscharfe Trasse“, die eher ein bisschen im Zickzack als an der Mittellinie verlegt wird.
Wasserstoffleitung zu Thyssenkrupp in Duisburg: Behörden entscheiden über genauen Verlauf
Die Behörden entscheiden über die genaue Strecke, von der sie die wenigsten sogenannten Raumwiderstände erwarten. Fachleute bezeichnen damit, wie schwierig es ist, ein Infrastrukturprojekt durchzusetzen und berücksichtigen geologische, ökologische, bautechnische und soziale Belange. „Unser Projekt ist sehr anspruchsvoll und sehr ambitioniert, aber wir sind auf einem guten Weg“, sagt OGE-Projektleiter André Graßmann.
Dabei ist noch nicht über die letzten paar Hundert Meter der circa 42 Kilometer langen Leitungsstrecke zwischen Dorsten und dem Duisburger Norden entschieden. Laut OGE gibt es von einem sogenannten Gelenkpunkt in Hamborn zwei mögliche, aktuell gleichberechtigte Korridore zu Thyssenkrupp (siehe Grafik).
Jedoch ist einer rund 800 Meter kürzer, gibt Graßmann zu bedenken, und eine kürzere Trasse bedeute beim Leitungsbau auch immer weniger Eingriffe in die Umgebung und in die Natur. Später soll an die Bauarbeiten aber möglichst nichts mehr erinnern, so versichert der Gastransporteur mit Sitz in Essen; es würden keine nachhaltigen Eingriffe in die Natur geschehen. Die Trasse wird nach den Bauarbeiten renaturiert.
Bauarbeiten im Duisburger Norden bedeuten eine besonders schwierige Herausforderung
Jedoch stellt Duisburg die Projektbeteiligten vor besonders schwierige Herausforderungen, weil dort der Wasserstoff (H2) künftig durch bebautes Gebiet und nicht durch offene Felder oder durch Wälder geführt werden muss. „Wir werden in Duisburg nicht alles aufreißen und kaputtmachen. Wir reißen auch keine Gebäude ab“, möchte der Projektleiter mögliche Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner beschwichtigen.
Um einen Rohrabschnitt regulär zu verlegen, müssen die Fachleute pro Abschnitt elf Bauabläufe umsetzen. Angedacht ist derzeit, entweder ein Unternehmen zu beauftragen, das mit drei Baumannschaften mit Abschnitten von jeweils etwa 15 Kilometern unterwegs ist. Oder zwei Unternehmen anzuheuern, die die Bauarbeiten unter sich aufteilen.
Außerhalb des Baugrabens werden die Rohre gebogen und verschweißt, später mit großen Hebegeräten, die Seitenbäume heißen, abgesenkt, bevor der Arbeitsgraben wieder verfüllt wird. Von der Trassenvorbereitung bis zur Wiederherstellung vergehen knapp vier Monate. „Auf offener Strecke schaffen wir 300 Meter pro Tag und Gewerk“, erläutert Graßmann. Doch im Stadtgebiet geht alles langsamer.
Thyssenkrupp- So sieht die neue Duisburger Stahlstadt ausDort benötigt OGE spezielle Abläufe. Statt einen möglichst langen Rohrstrang zu verwenden, muss der Gas-Transporteur in Duisburg wohl oft auf kurze Einzelrohre zurückgreifen und kann die Seitenbäume voraussichtlich nicht neben dem Graben aufstellen, sondern muss sie obendrüber einsetzen. Teilweise wird die Leitung auch erst im bis zu zehn Meter breiten Arbeitsgraben statt außerhalb verschweißt.
Zudem werden große Straßen grabenlos unterquert, so dass die Fahrbahn nicht aufgerissen werden muss; dafür gibt es unterschiedliche Press- und Bohrverfahren. Tatsächlich existieren ausreichend viele Verfahren, um notfalls auch andere Hindernisse zu unterqueren – es sei nur eine Zeit- und Geldfrage. Natürlich möchten die Verantwortlichen lieber früher als später mit den Bauarbeiten beginnen und sie schnellstmöglich abschließen.
Damit im Spätherbst 2025 die Bauvorbereitungen beginnen, im Frühjahr 2026 die ersten Bagger rollen und ab Ende 2026 der Wasserstoff für grünen Stahl nach Duisburg fließen kann, müssen die Bezirksregierungen einen Planfeststellungsbeschluss fassen. Der entsprechende Antrag für dieses Verfahren wird derzeit ausgearbeitet.
Wie groß werden die Belastungen der Anwohner während der Leitungsarbeiten?
Sobald die Bauarbeiten laufen, erläutert Open Grid Europe, bedeute das Großprojekt für die Anwohner entlang der Trasse in etwa die gleiche Belastung, als wenn eine Abwasserleitung verlegt wird. „Die Baumaßnahme bringt Dreck und auch mal eine Ruhestörung. Aber nur so, wie man es kennt“, ordnet der Projektleiter ein und verspricht, dass alle Einschränkungen, etwa im Straßenverkehr, frühzeitig angekündigt und „Lärmbeeinträchtigungen auf ein mögliches Minimum reduziert“ werden sollen. Daher wolle das Unternehmen etwa nur die bestgeeigneten Baufirmen einsetzen. Diese müssen vorab einen Eignungsnachweis vorlegen.
Über den Zweck des Projekts und über die Auswirkungen des Leitungsbaus sollen im Sommer weitere Bürgerversammlungen, sogenannte Dialogmärkte, aufklären. Fest steht bereits, dass die Trasse mit möglichst großem Abstand an Häusern vorbeigeführt wird, normalerweise sind das mindestens 20 Meter.
Betroffene Hauseigentümer und Pächter können eine Entschädigung erwarten
Außerdem wird mit allen betroffenen Eigentümern und Pächtern, durch deren Grundstücke die zentimeterscharfe Trasse führen wird, ein eigener Vertrag geschlossen. Eine Versammlung mit diesen Betroffenen wird voraussichtlich im Januar 2024 abgehalten.
Sie bekommen eine Entschädigung, damit sie keine finanziellen Nachteile durch den Aufbau des Wasserstoffnetzes haben. Durch Vorgärten oder Hintergärten muss ein Bautrupp jedoch nur selten. Und nach Abschluss der Baumaßnahme soll möglichst nichts mehr an die Wasserstoffleitung erinnern – bis hin zum wiederaufgestellten Gartenzaun. Ein kleines, gelbes Warnschild zeigt höchstens an, was im Boden liegt.
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Anschließend gilt allerdings ein zehn Meter breiter Schutzstreifen, mit der Wasserstoffleitung in der Mitte. In diesem Bereich darfs nichts mehr gebaut werden. Pflanzen sind weiterhin erlaubt, aber keine Bäume, deren wachsende Wurzeln die Leitung beschädigen könnten.
„Der Schutzstreifen gilt der Leitung und nicht den Menschen und der Umwelt“, betont André Graßmann. Schließlich solle die Leitung als Teil eines großen Netzwerks die H-Versorgung für die Region sichern.
Wo genau die neue Wasserstoffleitung verläuft und welchen Endpunkt sie im Duisburger Norden tatsächlich bekommt, darüber muss die Bezirksregierung in Düsseldorf aber erst noch entscheiden.