Duisburg-Meiderich. In Duisburg werden Gästeführer gesucht, zum Beispiel im Landschaftspark Nord. Wie man an den Job kommt und was Gästeführer pro Führung verdienen.
„Irgendwann wird aus dem Duisburger Norden eine Seen- und Sumpflandschaft“, sagt Gästeführer Roland Wolf. Er steht auf der Aussichtsplattform des Hochofens fünf im Landschaftspark Nord. In 70 Metern Höhe erklärt er den 14 Teilnehmern seiner Führung, was theoretisch passieren könnte. Wenn die Deiche am Rhein nicht mehr halten. Oder wenn sich niemand mehr um das Abpumpen des Grundwassers kümmern sollte. Das ist nämlich notwendig, weil sich der Boden gesenkt hat. „Trotzdem würde ich ein Haus in Meiderich kaufen“, schmunzelt der 56-Jährige.
In seinem Job kommt es auf die Mischung an. Ein paar Anekdoten. Wissen über Geologie, Hüttenwesen, Bergbau. Wie entstand die Kohle in der Norddeutschen Tiefebene? Was ist Koks? Wofür wird sie im Hochofen gebraucht – heute wie damals, als der Landschaftspark noch Hüttenwerk war? „Ich habe als Kind eine Überdosis Hochofen abbekommen“, sagt der Duisburger.
Im Duisburger Landschaftspark Nord werden neue Gästeführer gesucht
Sein Vater und sein Opa arbeiteten als Ingenieure auf der Hütte. Der eine bei Krupp in Rheinhausen. Der andere bei Hoesch in Dortmund. „Deswegen musste ich was anderes machen“, sagt der Sozialarbeiter. Er kümmert sich für die Caritas um die Eingliederung von Menschen mit Behinderung.
Die Interessen und der Werdegang machen Roland Wolf zum idealen Gästeführer. Er hat neben Sprachen einige Semester Biologie und Geografie studiert, war im Kibbuz in Israel und Öffentlichkeitsarbeiter der Euregio Rhein-Waal. Seit mehr als zehn Jahren führt er Touristen durch den Landschaftspark, früher wöchentlich und aktuell alle zwei Wochen. Und zwar auf deutsch, englisch oder niederländisch.
Volkshochschule bietet Ausbildung zum Gästeführer mit IHK-Zertifikat an
Das Handwerk als Gästeführer lernte Wolf vor rund 20 Jahren bei Michael Weier, dem Vorsitzenden des Vereins der Gästeführerinnen und Gästeführer im Ruhrgebiet. Dieser ist quasi Vize-Pionier in Sachen Ruhrgebiets-Tourismus. Als Erstes bot die Tour de Ruhr GmbH mit Sitz im Landschaftspark ab 1989 Führungen zur Industriekultur an. Dann folgte Weier.
Der Geograf ist seit 30 Jahren als Gästeführer unterwegs. Zuerst in Essen und dann nach der Centro-Eröffnung in Oberhausen. Für die Industrie- und Handelskammer (IHK) entwickelte er einen Lehrplan zur Ausbildung von Gästeführern. Heute bietet der 66-Jährige auch Kurse an der Volkshochschule (VHS) Oberhausen an, die mit der VHS Duisburg kooperiert. In den Kursen erhalten Interessenten das Rüstzeug für den Job. Mit IHK-Zertifikat.
Auch in Duisburg haben sich während der Pandemie viele Gästeführer umorientiert
Der Bedarf ist da. „Während der Corona-Pandemie sind viele Gästeführer abgesprungen, weil es keine Führungen gab“, sagt Weier. Nun werden sie gesucht. Der Reiz: „Man ist viel unterwegs und trifft interessierte Menschen.“ Den meisten Besuchern aus Deutschland und den Niederlanden sei gar nicht bewusst, wie sehr es im Pott um harte Maloche ging. „Die kriegen große Augen, wenn sie im Landschaftspark stehen. Hier ist alles so monströs. Und es war gefährlich. Man brauchte Kraft und musste sich aufeinander verlassen können“, sagt Weier. Menschen, die in die digitale Welt geboren wurden, können sich das schwer vorstellen.
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Früher gab es noch Gästeführer, die selbst im Meidericher Hüttenwerk gearbeitet haben. Doch das ist Geschichte. Die Gästeführer von heute erhalten von der Tour de Ruhr GmbH Hintergrund-Wissen über den Landschaftspark und seine Vergangenheit. Sie hospitieren bei Führungen, schreiben das Konzept für eine Führung und absolvieren eine Prüfung.
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Wird die bestanden, kann es losgehen. Der Lohn: 55 bis 80 Euro pro Führung je nach Aufwand. „Wir suchen immer Nachwuchs, vor allem auch Interessenten, die Fremdsprachen mitbringen und Ahnung von der Eisen- und Stahlproduktion haben“, sagt Kirsten Mohr, Geschäftsführerin der Tour de Ruhr GmbH.
Roland Wolf hatte Glück. Ihm wurde viel in die Wiege gelegt. Den Rest hat er sich angelesen. „Während des Kriegs gegen Frankreich vor 150 Jahren sind hier mehr Menschen an Typhus und Cholera gestorben als Duisburger auf dem Schlachtfeld“, erklärt er den Gästen seiner Führung und zeigt auf die Gegend rund um den Landschaftspark, der jährlich eine Million Besucher anlockt. Mehr als 30.000 von ihnen buchen eine Führung.
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Die Emscher war damals eine Kloake. Wo früher Koks gebrannt wurde, verkauft heute Ikea Sofas und Regale. Viel ist den vergangenen Jahren passiert. Für die britische Tageszeitung The Guardian zählt das 180 Hektar große Gelände des Landschaftsparks zu den besten Stadtparks der Welt, neben der High Line in New York. Duisburg muss sich also nicht verstecken. Auch das können die Gästeführer vermitteln.