Duisburg. Viele Grundschulkinder in Duisburg können nicht Rad fahren. Jetzt gibt es eine neue Fahrradschule. Sie soll Spaß vermitteln und Unfälle vermeiden.
Alle 20 Minuten verunglückt in Deutschland ein Kind im Straßenverkehr. Nicht selten wird es dabei schwer verletzt oder kommt sogar zu Tode. „Als ich das las, habe ich mir gedacht, dass man da doch entgegenwirken muss“, sagt Pater Tobias, Gemeindepastor an Herz-Jesu in Neumühl. An der neuen Fahrradschule seines Projekts Lebenswert werden neben Grundlagen des sicheren Radelns auch die wichtigsten Verkehrsregeln vermittelt.
Immer dienstags von 16 bis 17.30 Uhr kommen Erst- und Zweitklässler der vier Neumühler Grundschulen auf einem geschützten Platz hinter der Herz-Jesu-Kirche zusammen, um ohne Druck und Stress spielerisch zu lernen, wie man sicher den Drahtesel beherrscht. „Ich bin am Anfang noch zwei-, dreimal gestürzt, jetzt schaffe ich sogar enge Kurven“, berichtet Maxim (8) von der Gartenschule. Richtig stolz machen ihn die Worte von Kursleiter Barakat Murad: „Du machst das schon richtig toll.“
Neumühl: Lehrer aus dem Irak bringt Kindern Fahrradfahren bei
Der 38-jährige Informatiklehrer kam mit Frau und vier Kindern nach der Flucht aus dem Irak 2015 nach Neumühl. Hier wurde die Familie von Pater Tobias, der Lebenswert-Geschäftsführerin Barbara Hackert und den Mitarbeitern unterstützt, konnte dadurch schnell Fuß fassen. „Ich wollte ein Stück von dem zurückgeben, was ich hier bekommen habe“, sagt Murad, der sich jetzt ehrenamtlich in mehreren Projekten des Paters engagiert.
Dass nun durch die neue Fahrradschule sogar ein bezahlter Teilzeitjob hinzukam, freut ihn besonders. Zusammen mit den 15 Wochenstunden, die er als Informatiklehrer in Vertretung an einer Moerser Schule unterrichtet, hilft das der geflüchteten Familie enorm weiter. „Das ist für alle eine Win-win-Situation“, meint auch Pater Tobias.
Dann kommt Amy (8) von der Salzmannschule angebraust, bremst gekonnt, und zeigt strahlend auf ihren „Fahrradlehrer“: „Der hat mich einfach losgelassen. Als ich das bemerkt habe, war ich schon längst selbst weitergefahren. Mein Papa hat gesagt, dass ich bald schon so gut fahren kann wie er“, berichtet sie.
Viele Kinder können bei Schuleintritt nicht Fahrrad fahren
Nicht nur die Fahrpraxis wird auf den vom Projekt Lebenswert zur Verfügung gestellten Kinderfahrrädern geübt, sondern auch das Verhalten im Verkehr, Regeln und Verkehrszeichen. Allerdings, so betonen die Initiatoren, soll bei den Kindern und Eltern nicht der Eindruck entstehen, dass man durch den Besuch der Fahrradschule jetzt komplett „verkehrstauglich“ sei. Barbara Hackert: „Die Kinder lernen vorrangig die Motorik und alles zum Thema Sicherheit und dann die Grundregeln im Straßenverkehr, die auch für Fußgänger gelten. Das Erlernte muss dann natürlich ständig geübt und gefestigt werden.“
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Im dritten und vierten Schuljahr steht an den Schulen die Radfahrausbildung mit Mobilitäts- und Verkehrserziehung an. Zu diesem Zeitpunkt sollten die Kinder eigentlich schon fahren können – doch bei vielen ist das nicht der Fall, hat Pater Tobias in Gesprächen mit den Schulleitungen erfahren. Je mehr Kinder in einer Klasse das betrifft, desto größer ist das Problem. Denn die Lehrkräfte können das motorische Training im Unterricht nicht leisten. Um ein Schulungsprojekt selbst umzusetzen, fehlen die Ressourcen.
Für die Kinder ist es zudem mit Stress verbunden, gleichzeitig die Verkehrsregeln und das Radfahren zu erlernen. Oft wird die Radfahrprüfung dann mehr schlecht als recht oder gar nicht bestanden. Außerdem erleben die Kinder nicht, wie viel Spaß es machen kann, sicher im Sattel zu sitzen. Am Ende bleibt das Fahrrad stehen oder es passieren im schlimmsten Fall Unfälle. Dem, so hoffen Schulen, Eltern und Kinder, wirkt die neue Fahrradschule entgegen.
>>PATER TOBIAS’ MARATHON-LÄUFE HELFEN KINDERN BEIM FAHRRADFAHREN
• Besuchen können die Fahrradschule Erst- und Zweitklässler der katholischen Grundschule am Bergmannsplatz, der katholischen Barbara-Grundschule, der GGS Gartenstraße und der GGS Salzmannschule.
• 15 Fahrräder, die zusammen fast 4500 Euro gekostet haben, stehen zur Verfügung. Die gespendeten Helme haben einen Wert von 900 Euro. All das, sowie Lernmaterial, eine Verkehrszeichentafel, Leitkegel oder Wippstangen konnte das Projekt Lebenswert auch durch die Marathon-Spendenläufe von Pater Tobias finanzieren.
• Nähere Informationen gibt es unter www.pater-tobias.de/projekt-lebenswert.