Duisburg. Bettina Böttcher hat rege Erinnerungen an ihre Kindheit im Meiderich der 70er. Daraus entstand nun ein Podcast in bestem Ruhrpott-Sprech.

Kann Duisburg sein wie Lönneberga? Glaubt man Bettina Böttcher, konnte es das zumindest früher mal. Spricht Böttcher über ihre Kindheit im Meiderich der 70er Jahre, vergleicht sie sich mit Pippi Langstrumpf oder mit Michel, der in jenem Lönneberga so viel Unfug trieb. Der Unterschied zu den Kinderbuchhelden Astrid Lindgrens: Was Böttcher in ihrem Podcast „Ruhrpottblag auf Asche geboren“ erzählt, ist wirklich passiert.

Eine „Haudegenkindheit“ wie ihre gebe es heute kaum noch, sagt die inzwischen 47-Jährige. „Eine Kindheit war damals viel lockerer, und es gab keine Helikopter-Eltern. Kinder konnten sich besser entfalten, durften auch mehr Fehler machen als heute.“

Meiderich: Mädchen erlebten in den 70ern viele Abenteuer

Und Fehler haben Böttcher und ihre beste Freundin Andrea jede Menge gemacht – „die Eltern hatten es wirklich nicht leicht mit uns“, sagt sie amüsiert. Heute sind das freilich die besten Geschichten, etwa der Streifzug in ein kleines Waldstück, um den es in einer Folge geht. Mit den Worten „Kuck ma, watt ich hier hab’“ zieht Andrea ein Feuerzeug aus der Jackentasche. Eigentlich wollen die beiden Mädchen nur ein Lagerfeuer machen, doch wenig später brennt ein ganzer Baum, dann noch einer, und dann noch einer… Helfen kann schließlich nur noch die Feuerwehr.

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Ein großer Unterschied zwischen heute und damals ist laut Böttcher außerdem: „Die Kinder sind kaum noch draußen.“ Die Geschichten im Podcast spielen sich dagegen vor allem im Freien ab: Ihre Abenteuer erleben Klein-„Betty“ und „Andi“ auf dem Heimweg nach der Schule, auf der Beecker Kirmes, oder auf der gemeinsamen Suche nach neuen Matschlöchern.

Der Podcast ist ein echtes Zeitzeugnis, wenn Böttcher von den Menschen in ihrem damaligen Umfeld erzählt. Oppa Theo, Tante Fienchen, die Nachbarn Frau Schopps und Familie Knaps – sie alle verkörpern das typische Klientel, das zu dieser Zeit in Meiderich lebte, „die gutsituierte Duisburger Arbeiterklasse“, wie Böttcher sagt.

Entwicklung des Stadtteils Meiderich „sehr, sehr traurig“

Mit vielen Werksschließungen und dem Wegzug dieser Menschen habe sich ihre Heimat sehr verändert. Die Entwicklung Meiderichs findet Böttcher „sehr, sehr traurig“: „Früher war es da immer sauber, und es war lebendig. Wenn ich allein an Meiderich-Berg denke, da gab es Metzger, Bäcker, Schneider und ganz viele andere Geschäfte. Heute ist da nichts mehr, und es ist einfach nur runtergekommen.“ Der Heimat hat sie schon vor vielen Jahren den Rücken gekehrt und wohnt heute im Duisburger Süden.

Damals wie heute beste Freundinnen: Bettina und Andrea wuchsen in den 70er Jahren in Meiderich auf.
Damals wie heute beste Freundinnen: Bettina und Andrea wuchsen in den 70er Jahren in Meiderich auf. © Bettina Böttcher

Trotzdem sind die Erinnerungen an Meiderich und die Kindheit noch immer lebendig und voller Details. Schon oft hat Böttcher mit ihnen Freunde und Familie unterhalten. Als sie bei einer Teilnahme an der TV-Show „Das perfekte Dinner“ damit auch die Crew zum Lachen brachte, sagte ein Mitarbeiter des Senders zu ihr: „Du musst das alles mal zu Papier bringen!“

Bis sie den nötigen „roten Faden“ im Kopf hatte, dauerte es aber noch. Die zündende Idee kam dann im Frühjahr 2020, eines Abends, als Böttcher schon im Bett lag. „Ich habe sofort das Licht wieder angemacht und das Intro in mein Smartphone getippt.“

App-Anbieter stellte Erzählungen einfach als Podcast ins Netz

Geplant war zu diesem Zeitpunkt noch ein Buch, das die Tochter zu Weihnachten bekommen sollte. „Es sollte etwas sein, was meine Tochter später auch ihren Kindern mal schenken und dann sagen kann: ‘Omma Betty, dat war vielleicht eine!’“

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Dass daraus ein Audio-Format wurde, hatte schließlich einen ganz praktischen Grund: „Am Ende wurde es zeitlich sehr knapp und die Druckerei hätte das Buch nicht rechtzeitig liefern können. Also habe ich jedes Kapitel über eine Podcast-App eingesprochen und der ganzen Familie jeweils mit Kopfhörern geschenkt.“

Nicht nur Böttchers Verwandten, sondern auch den Mitarbeitern des App-Anbieters „Anchor“ scheinen die amüsanten, in bestem Ruhrpott-Sprech erzählten Geschichten gefallen zu haben. Denn die Entscheidung, die Kapitel als Podcast-Folgen ins Netz zu stellen, traf der App-Anbieter selbst: „Ich war ziemlich überrascht“, sagt Böttcher, „ich dachte eigentlich, den Link zu den Kapiteln gebe ich nur meiner Familie. Auf einmal konnte die ganze Welt sich das anhören.“

Nun hofft sie, mit ihren Erzählungen gerade in der Pandemie Menschen eine Freude zu machen: „Ich glaube, dass sich im Moment besonders gerne an ,die gute, alte Zeit’ zurückerinnert wird.“ Hörer hat Böttcher in jedem Fall schon einige, und das nicht nur in Duisburg: Von etwa 2000 Aufrufen seit Dezember erfolgten 17 Prozent sogar aus dem Ausland, darunter vor allem aus den USA, aber auch aus anderen Ländern wie Spanien oder Iran.

>>INFO: „RUHRPOTTBLAG, AUF ASCHE GEBOREN“

Der Podcast „Ruhrpottblag auf Asche geboren“ von Bettina Böttcher ist abrufbar auf allen bekannten Plattformen, wie Google Podcasts, Apple oder Spotify.