Duisburg-Aldenrade. Das Walsumer Traditionsunternehmen Bongartz schließt überraschend alle Filialen in Duisburg. Diese Gründe nennt der Chef – und so geht es weiter.
Zunächst wollten viele Walsumer es nicht wahrhaben. Doch die Aushänge an der Konditorei Bongartz sind echt. Das Traditionsunternehmen, das seit fast 60 Jahren zuckersüße Torten, leckere Kuchen und seit 1970 auch Brot nach eigenen Rezepten verkauft, gibt jetzt alle drei Filialen auf. Sonntag ist der letzte Öffnungstag.
„Natürlich ist Wehmut dabei, denn das Herz sagt: ,Bongartz muss in Walsum bleiben‘. Aber das ist eine Kopfentscheidung“, sagt Firmeninhaber Ludger Bongartz. Er ist der Sohn der Firmengründer. Für seinen Entschluss nennt der Konditormeister gleich mehrere Gründe. Seine beiden erwachsenen Söhne haben sich für andere Berufe entschieden und wollen das Familienunternehmen nicht fortführen.
Das Copenhagen Coffee Lab zieht an den Kometenplatz
„Ich hätte noch ein paar Jahre machen können“, sagt der 55-Jährige und betont, dass nicht Corona ihn zur Betriebsaufgabe bewogen hat. Bongartz möchte nicht bis hohe Alter allmorgendlich Brot backen und suchte daraufhin nach einem Nachfolger – und fand gleich zwei, die jeweils eine Filiale übernehmen werden. Lediglich die Backstube mit dem integrierten, kleinen Laden wird nicht wieder öffnen.
„Entscheidend war, dass fast alle meine Mitarbeiter einen Arbeitsplatz angeboten bekommen haben“, freut sich Ludger Bongartz. Elf Angestellte werden übernommen und eine Auszubildende kann noch bis zur Abschlussprüfung im Frühjahr bleiben, um danach ihr Studium zu beginnen. Die zweite, neue Auszubildende soll in einem anderen Betrieb unterkommen.
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Ab Montag wird demnach die Filiale am Kometenplatz saniert, komplett umgebaut und nach wenigen Wochen unter Leitung der dänischen Café-Kette „Copenhagen Coffee Lab“ eröffnen. Statt Prager Torte und Steinofenbrot nach Rezepten der Familie Bongartz gibt es dann etwa Zimtschnecken und Spandauer, also dänische Blätterteigteilchen mit Vanillecrème.
Die zweite Bongartz-Filiale übernimmt eine Traditionsbäckerei
„Das wird ein tolles, neues Café“, hofft Ludger Bongartz, der sich auf Anhieb gut mit Geschäftsführer David Kropp verstanden habe. Dies habe ihm Entscheidung leichter gemacht, seinen Betrieb aufzugeben. „Viele halten in der Pandemie die Füße still, und er gibt hier jetzt Gas“, lobt er seinen Nachfolger. Dass zusätzlich ein traditioneller Bäcker sein Geschäft an der Friedrich-Ebert-Straße 174 übernimmt, habe ebenfalls dazu beigetragen. Die Bäckerei Bergmann ergänzt mit dieser Filiale ihren Stammsitz in Alt-Walsum.
„Die Lösung ist super, ganz toll“, findet der Konditormeister, dessen Eltern Heinz-Peter und Josefine Bongartz das gleichnamige Café 1962 als Konditorei eröffneten. Acht Jahre später kam dann die Bäckerei dazu. „Ich habe meine Kindheit hier im Betrieb verbracht“, sagt der Chef und erinnert sich besonders gerne an die rauschenden Karnevalspartys seiner Eltern, die sie mit Kostümen und Spanferkel in der Backstube feierten. Solche Sausen sind zwar wegen schärferer Bestimmungen dort schon seit langem nicht mehr möglich, doch Karneval sei in Walsum immer ein Highlight. Und ohne beschwipste Berliner oder Krapfen aus der Bäckerei würde den Jecken sicherlich etwas fehlen.
Konditormeister ist längst noch nicht reif für die Rente
Fehlen werden die Bongartz-Filialen dagegen vielen Stammkunden, die sich aktuell bei Facebook mit Kindheitserinnerungen an Zuckerstütchen, Nussnougatringe, Rosenbrötchen und Bienenstich verabschieden. Zurücklehnen kann sich Ludger Bongartz aber noch nicht, für Sonntag haben ihn noch unerwartet viele Vorbestellungen erreicht, so dass er noch viele Brote und Kuchen backen muss. Doch dieser Andrang rührt ihn: „Die Walsumer sind ganz treue Seelen.“ Leider wird er sich nicht von allen verabschieden können, da er in der Backstube arbeitet und nicht hinter der Theke. „Ich hoffe, dass die Walsumer meine Nachfolger genauso unterstützen.“
Er selbst werde auch beim Copenhagen Coffee Lab und bei der Bäckerei Bergmann einkaufen. „Ich esse jeden Tag Kuchen, mache aber auch viel Sport“, sagt Bongartz und lacht. Das soll sich künftig nicht ändern. Jedoch ist die Zeit als Selbständiger jetzt vorbei. Seitdem er 1997 den Betrieb übernahm, habe er tagtäglich in der Backstube gestanden.
Natürlich ist er mit 55 Jahren noch längst nicht reif für die Rente und wünscht sich eine Zukunft als angestellter Backmeister, der für Spezialmühlen neue Produkte und Rezepte vorstellt und diese an Bäckereien verkauft. Dass die Familie Bongartz leckere und beliebte Rezepte entwickeln kann, hat sie schließlich seit fast 60 Jahren in Walsum erfolgreich bewiesen.