Duisburg. 17 Aldi-Süd-Filialen werden mit Waren der Duisburger Bäckerei Bolten beliefert. In der Bäckerbranche sorgt die Kooperation für Misstöne.

Brötchen für wenige Cent und Billigbrot: Discounter haben vor wenigen Jahren mit einem großen Angebot den Backwaren-Markt gekapert. Für das Bäckerhandwerk waren die Backautomaten samt offensiver Preispolitik ein harter Schlag. Doch verändertes Kundenverhalten führt nun bei Aldi Süd zu einem Umdenken – und aus Konkurrenten werden Partner.

Wie der Discounter mitteilt, beliefern derzeit 44 regionale Bäckereien täglich mehr als 1000 Aldi-Süd-Filialen mit einer Auswahl frischer Backwaren ­­– Tendenz steigend. Einer der Kooperationspartner ist die Duisburger Bäckerei Bolten, die aktuell 16 Standorte des Discounters beliefert. „Derzeit bieten wir rund 20 unterschiedliche Artikel von Bolten an“, erklärt eine Aldi-Sprecherin.

Bäckerei Bolten: Neuer Absatzmarkt durch Aldi-Kooperation

Für Bolten bedeutet die Kooperation ein neuer Absatzmarkt. „Aldi ist auf uns zugekommen“, erklärt Tim Schenkel-Bolten, Mitgeschäftsführer. Ähnlich wie Krankenhäuser werden nun auch morgens die Aldi-Filialen als Lieferkunde angesteuert. Durch die Auswirkungen der Pandemie fehlt derzeit der vollständige Umsatz durch den Cafébetrieb. Gerade in diesen Zeiten sorge die Kooperation für eine „zusätzliche Auslastung der Backstube“, erklärt Schenkel-Bolten den wirtschaftlichen Hintergrund.

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Hinzu kommt ein positiver Werbeeffekt: „Unser Name steht an den Produkten.“ So zum Beispiel auf Plakaten oder dem Preisstreifen mit dem Logo der Bäckerei. Neue Kunden könnten deshalb gewonnen werden – und so im nächsten Schritt für zusätzlichen Umsatz in den Bäckerei-Filialen sorgen, die mit einem deutlich umfangreichen Sortiment warten.

Aldi profitiert von langer Tradition der Bäckerei Bolten

Der Discounter schmückt sich indes mit reichlich Tradition: Bolten gibt es in Duisburg seit über 60 Jahren. 1959 eröffnen Bäckermeister Hans-August Bolten und seine Frau Birgitta die erste eigene Bäckerei in Neudorf. Mittlerweile hat das Unternehmen rund 450 Mitarbeiter. Von der Backstube in Großenbaum werden 43 Filialen beliefert, davon alleine 33 in Duisburg.

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Doch die Zusammenarbeit von Aldi Süd und rund 44 regionalen Bäckern lässt auch aufhorchen: Die Kooperation sei „ein Thema, über das die Branche intensiv diskutiert“, erklärt Henning Funke, Geschäftsführer des Verbandes des Rheinischen Bäckerhandwerks.

Welche Konsequenzen hat die Stärkung von Aldi für andere Duisburger Bäcker?

Die zwar nachvollziehbare „unternehmerische Entscheidung“, den Discounter mit Backwaren in handwerklicher Qualität zu beliefern, sei berufspolitisch kritisch zu sehen. Schließlich werde das Alleinstellungsmerkmal der Bäckereibetriebe, eben die Qualität der Backwaren, durch das Anbieten der Ware im Discounterumfeld ein Stück weit aufgeweicht.

Hinzu kommt das veränderte Einkaufsverhalten, erklärt Funke. Viele Verbraucher agieren nicht nur in Zeiten der Pandemie nach dem ‘Einmal hin, alles drin’-Prinzip und vermeiden zusätzliche Wege. Die mögliche Konsequenz dieser Veränderung: Während Bolten profitiert, müssen andere Bäcker ohne Discounter- oder Supermarkt-Anschluss befürchten, Umsatz an den durch einen Mitbewerber gestärkten Konkurrenten zu verlieren.

Aldi begründet Wandel bei Backwaren mit Kundenwünschen

Einen Konkurrenten, der zuvor mit seinem Backautomaten recht zahnlos daher kam: „Der Kunde hat den Backautomaten abgewählt“, glaubt Funke. Vielmehr würden Verbraucher weg wollen von industriell gefertigter Massenware und interessierten sich mehr für Qualität. „Die Wertschätzung für regional produzierte Lebensmittel nimmt zu. Der Kunde möchte keine Teigrohlinge, die in Polen produziert und durch die Republik befördert werden“ sagt auch Michael Wippler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks.

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Eine Entwicklung, die auch Aldi Süd beobachtet – und deshalb korrigierend handelt. Mit der Einführung der großen Backwelt-Abteilung wurde dieser Veränderungsprozess vorangetrieben, jetzt folgt der Einsatz von regionalen Bäckern. „Ausschlaggebend für die Sortimentserweiterung war der Wunsch der Kunden nach mehr Regionalität“, teilt der Discounter mit. Und dieser wird in Duisburg von der Bäckerei Bolten erfüllt.

>> UMSATZ DER BÄCKER STEIGT

• Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks verbraucht jeder Haushalt in Deutschland 56,5 Kilogram Brot und Backwaren. Auch der Umsatz steigt: So verzeichneten die Handwerksbäcker laut den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2019 ein deutliches Umsatzplus von 3,7 Prozent auf 15,22 Milliarden Euro.

• Allerdings sank die Zahl der Handwerksbäckereien in den letzten 60 Jahren von rund 55.000 im alten Bundesgebiet auf 10.491 Betriebe. 1959 gab es 292 backende Betriebe in Duisburg – ohne das linksrheinische Gebiet rund um Rheinhausen. Heute sollen es 14 backende Betriebe mit Backstube sein.