Duisburg-Obermeiderich. Interaktive Online-Predigten, Kneipenabende und blutrünstige Bibelgeschichten: Eine Duisburger Gemeinde weiß, wie man junge Menschen erreicht.

Zuletzt haben 150 Gläubige die Gottesdienste gesehen, manchmal sind es sogar 400. Das gibt es sonst nur an Weihnachten. Doch der Kirchsaal, in dem Pfarrerin Sarah Süselbeck oder Prädikant André Welters predigen, ist leer. Wegen Corona musste das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Obermeiderich beschließen, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Die Gemeinde bleibt dennoch miteinander verbunden und lässt sich dafür einiges einfallen.

Das jüngste Projekt ist eine interaktive Online-Predigt, bei der die Zuschauer am Computer entscheiden, wie sie weitergeht und endet. Zwei Stunden lang wird André Welters gefilmt, für eine Predigt, die später keine zehn Minuten dauert. Diesen Aufwand treibe er gerne. „Wir wollen es aber nicht dabei belassen, sondern auch andere Formate ausprobieren“, sagt er.

Das Online-Angebot wird in Obermeiderich immer aufwendiger

„Wir haben ja ganz klein angefangen“, erinnert sich Pfarrerin Süselbeck an den März 2020, als sie allabendlich in der leeren Kirche ein Gebet sprach. Das Gebet war zuvor im Internet veröffentlicht worden, damit alle Interessierten zuhause zeitgleich mitbeten konnten. Doch das Internet war bereits zu dieser Zeit für die Gemeinde „absolut kein Neuland“. Schon der frühere Pfarrer Michael Schurmann sei sehr innovativ gewesen und Küster Peter Wolf kümmere sich hervorragend um die Technik. Ob Homepage, Facebook, Youtube oder Instagram, die Obermeidericher sind längst auch im Netz vertreten.

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Der Lockdown hat die Digitalisierung nochmals beschleunigt, und die Mitarbeiter und Ehrenamtler ziehen nach Kräften mit. Jedoch sei die Gemeinde schon immer – lange vor Corona – sehr innovativ und kreativ gewesen, betont der 40-jährige André Welters, der seit 1996 aktiv mitgestaltet. Ob regelmäßige Kneipenabende, für die sich das Gemeindezentrum in „Emil’s Pub“ verwandelt oder nachmittags in ein Kaffeehaus, ein Motorradtreff, eine MSV-Fangruppe oder Rudelgucken bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010.

Wenn man bei einer Cola oder einem Bier zusammensitzt, so Welters, „entwickelt man zwangsläufig Ideen“. Vielleicht ist auch mal eine Schnapsidee dabei, aber so mancher Vorschlag fruchtete. Diese Impulse kommen aber nicht ausschließlich durch die regen Jugendgruppen wie Ten Sing oder die Konfirmanden, sondern vor allem durchs Presbyterium. Dies sei nämlich mit einem Altersschnitt von gut 40 Jahren „sehr, sehr jung“, so Süselbeck.

Lieder von Metallica in Duisburger Gottesdiensten

Ein großer Vorteil der Gemeinde seien die vielen aktiven Ehrenamtler, auch in der Coronakrise. Sie bringen aus vielen Bereichen ihre Expertise ein. Ob sie fotografieren, Videos schneiden, singen oder das perfekte Rindersteak grillen können. „Hier wird die Verantwortung auf viele Leute verteilt“, sagt Süselbeck.

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Innovationen müssen nicht immer digital sein. So hat die Pfarrerin im Frühjahr hoffnungsspendende Bibelverse im Stadtteil verteilt, wo sie jeder nach Bedarf mitnehmen konnte. Im Dezember durfte es aber auch eine Laserwand mit Neujahrswünschen sein.

Kern der Gemeindearbeit bleibt der Gottesdienst als zentraler Treffpunkt aller Altersklassen. „Der Obermeidericher Gottesdienstbesucher ist auf alles gefasst“, weiß Süselbeck. So kann es durchaus passieren, dass eine Band ein Lied der Rockband Metallica schmettert. Und natürlich benutzen Jugendliche bei ihren Gebeten ihre eigenen Worte und nicht den üblichen Kirchensprech.

Blutrünstige Bibelgeschichten inspirieren einen Krimi-Gottesdienst

„Ideen werden nicht sofort abgeschmettert“, betont Pfarrerin Sarah Süselbeck – und so manche „verrückten Idee“ sei sehr erfolgreich geworden.
„Ideen werden nicht sofort abgeschmettert“, betont Pfarrerin Sarah Süselbeck – und so manche „verrückten Idee“ sei sehr erfolgreich geworden. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Dass es aktuell keine Präsenzgottesdienste gibt, schmerzt die Gemeinde. „Da blutet uns allen das Herz“, sagt André Welters. Doch als Christen wolle man während der Pandemie soziale Verantwortung übernehmen und kein Risiko eingehen. Aber nichts werde Corona zum Opfer fallen, sagt Pfarrerin Süselbeck voraus: „Alles, was vor dem Lockdown war, wird wieder anlaufen.“ Gottesdienste, Gruppentreffen oder Chorproben.

„Wir packen bestimmt noch die eine oder andere bekloppte Idee aus, auch nach dem Lockdown“, verspricht Welters und plant bereits einen lauten Männergottesdienst, von Männern für Männer über Männerthemen. Angedacht ist auch ein Krimi-Gottesdienst, angelehnt an ein Krimi-Dinner. „Blutrünstige Bibelgeschichten gibt’s ja eine Menge“, weiß Sarah Süselbeck und denkt spontan an Salomé, die den Kopf Johannes’ des Täufers auf einem Silbertablett geschenkt bekam.

>> DUISBURGER GEMEINDE IST KREATIV IM LOCKDOWN

● Auf Präsenzgottesdienste will die Evangelische Gemeinde Obermeiderich mit ihren rund 4000 Mitgliedern verzichten, solange der Inzidenzwert nicht deutlich und langfristig unter 50 fällt.

● „Durch den Lockdown sind viele Gemeinden kreativ geworden“, sagt der Sprecher des Kirchenkreises Duisburg, Rolf Schotsch. Gerade die Online-Angebote seien beliebt, auch bei vielen älteren Gläubigen. Die interaktive Predigt aus Obermeiderich hat auch in anderen Gemeinden für Interesse gesorgt und könnte sich ausbreiten. Schotsch ist zudem überzeugt: „Vom Online-Gottesdienst gibt es kein Zurück mehr.“

● Ein nichtdigitales Projekt hat bereits in der Meidericher Nachbargemeinde Anklang gefunden und wird nun zusammen organisiert: Für die Gläubigen in den Heimen des Christophoruswerks werden „Kurzpredigten zum Mitnehmen“ verteilt und verschickt.

● Weitere Infos gibt es auf www.obermeiderich.de