Duisburg-Röttgersbach. Historiker Thorsten Fischer schreibt ein Buch über Röttgersbach. Dabei war lange Zeit unklar, was mit dieser Ortsangabe überhaupt gemeint ist.
Was ist eigentlich Röttgersbach – und wo? Was heute die kommunale Gebietsaufteilung festlegt, ist historisch betrachtet gar keine so leichte Frage. „Wer 1920 vom Röttgersbach sprach, meinte damit etwas anderes als jemand, der das 1980 tat“, weiß der Geschichtswissenschaftler Thorsten Fischer, der selber ein Kind des heutigen Duisburger Stadtteils ist. Seit mehr als einem Jahr arbeitet Fischer an einem Buch zur Geschichte seiner Heimat – und kann noch immer die Hilfe anderer Röttgersbacher gebrauchen.
Stadt Hamborn baute nach dem Ersten Weltkrieg Siedlungen für Vertriebene
Fest steht: Schon vor dem Ersten Weltkrieg entstanden rund um den Röttgersbach die ersten größeren Siedlungen. Hamborn wuchs seit Ende des 19. Jahrhunderts stetig an, viele junge Männer kamen zum Arbeiten in die Stadt. Aber es wanderten auch viele ab: „Wenn es bei einer anderen Zeche mehr Geld gab, waren die Arbeiter wieder weg“, erklärt Fischer. „Die Mobilität zu dieser Zeit war viel größer, als wir immer angenommen haben.“
Dauerhaft blieben dagegen die vertriebenen Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg. In der Röttgersbachstraße wurden insbesondere Flüchtlinge aus Elsass-Lothringen und Oberschlesien angesiedelt. Die Namen der Querstraßen, Elsässer Straße, Lothringer Straße und Schlesische Straße, zeugen heute noch davon. „Das war eine Reaktion auf den Wohnraummangel in dieser Zeit und galt außerdem als Zeichen nationaler Solidarität“, sagt Fischer, der an der Universität in Essen mittelalterliche Geschichte lehrt.
Wann aber Röttgersbach mehr wurde als eine topografische Angabe, weiß Fischer noch immer nicht so recht. Im Laufe der 20er Jahre war in jedem Fall vermehrt von der „Röttgersbachsiedlung“ die Rede. „Die Leute hätten sich wohl dennoch weiter als Hamborner definiert“, meint der Historiker. Spätestens zu Beginn der 50er Jahre wurde Röttgersbach bei Bauprojekten gleichberechtigt neben anderen Stadtteilen genannt. „Aber auch da gab es noch eine Diskrepanz zwischen der Verwaltung und dem Empfinden der Menschen.“
Besiedlung in Röttgersbacher Waldgebiet seit Hochmittelalter belegt
Auch das Gebiet, auf das sich der Begriff Röttgersbach bezog, variierte im Laufe der Jahrzehnte. „Ich selber bin in der Schlachthofstraße aufgewachsen. Das war früher Obermarxloh, dann irgendwann gehörte es zu Röttgersbach.“ Über den Jubiläumshain könne man sich streiten, „aber historisch betrachtet ist das Marxloh.“ Beispiele gibt es noch mehr.
Während er diesen Leitfragen nachgeht, schlägt Fischer viele einzelne Kapitel der Röttgersbacher Geschichte auf. Er arbeitet die Entwicklung der örtlichen Kirchen auf, etwa die Gründung der Pfarrgemeinde St. Barbara 1909 und den Bau des heutigen gleichnamigen Gotteshauses, das 1952 geweiht wurde. Im Kontext der vielen Siedlungsprojekte untersucht Fischer außerdem die Geschichte der Wohnungsgenossenschaft (WoGe) Hamborn.
Schließlich sollen die großen Röttgersbacher Parks ihren Platz im Buch finden. Das Waldgebiet um den Mattlerhof erwarb die Stadt Hamborn 1914 von Holten. Beides ist jedoch weitaus älter, die Besiedlung des Gebiets seit dem Hochmittelalter belegt. Viel später, 1979, weihte der damalige Ministerpräsident Johannes Rau hier den Revierpark Mattlerbusch ein. Gemeinsam mit dem 1906 angelegten Jubiläumshain bildet er heute den sogenannten Freizeitpark Hamborn, der rund 123 Hektar umfasst. Die Geschichte der beiden Parkflächen will Fischer ebenso erzählen wie die der Röttgersbacher Kleingärten.
Röttgersbacher Historiker sucht noch weiteres Material
Der Historiker hat schon viel Material zusammengetragen. Dazu hat er in Archiven gestöbert, bekam aber auch nützliche Unterlagen aus privaten Beständen. Als nächstes sollen die Vereinsarchive an der Reihe sein, etwa das von Union Hamborn. Gebrauchen kann Fischer insbesondere noch Fotos aus den 60er und 70er Jahren: „Es ist immer schön, Bilder und Dokumente zu haben, die sonst nicht zugänglich sind“, sagt er.
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Für die Fertigstellung des Buchs war mal der Juni 2021 vorgesehen, um es beim Röttgersbacher Frühlingsfest zu präsentieren. Doch auch hier hat die Corona-Pandemie für Verzögerungen gesorgt. Aktuell will sich Fischer auf keinen Zeitpunkt festlegen. Unter Druck steht er nicht: „Ich mache das rein privat, bekomme kein Honorar und habe dementsprechend auch keine Abgabefrist.“
>> JEDER KANN SICH AM RÖTTGERSBACH-BUCH BETEILIGEN
• Wer noch Fotos oder andere Dokumente hat, die Thorsten Fischer bei seinen Forschungen helfen könnten, kann per E-Mail Kontakt aufnehmen: thorsten.fischer@uni-due.de.
• Wer selber etwas schreiben und zum Buch beisteuern möchte, kann das ebenfalls tun. Fischer denkt hier gerade an die Vereine, die ihre ganz eigenen Geschichten haben.