Duisburg. Auf dem Gebiet der heutigen Ratingsee-Siedlung stand früher ein KZ. Politische Häftlinge starben hier vor allem an den Folgen der Zwangsarbeit.

Auschwitz, Theresienstadt, Sachsenhausen, Buchenwald. Namen, die heute synonym für das unvorstellbare Grauen des Holocaust verwendet werden. Für viele Menschen sind die Orte aber auch geografisch kaum greifbar, so weit sind sie von Duisburg entfernt. Dass es aber auch in Duisburg ein Konzentrationslager gab, dürfte eher wenigen bekannt sein. Auf dem Gebiet der heutigen Ratingsee-Siedlung in Mittelmeiderich stand von 1942 bis 1945 ein Arbeitslager für politische Gefangene aus vielen Ländern.

Auch wenn das Duisburger KZ kein Vernichtungslager war, starben dort viele hundert Menschen an Unterernährung, Erschöpfung oder durch Bombenangriffe. Der Duisburger Stadthistoriker Kurt Walter erzählt von dem Schicksal der Häftlinge und vom Engagement Duisburger Schüler, die Vergangenheit trotz Widerstand aus der Bürgerschaft aufzuarbeiten.

Wie eine Duisburger Lehrerin das KZ in Meiderich entdeckte

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Anneliese Klothe, in den 80er Jahren Lehrerin am damaligen Theodor-Heuss-Aufbaugymnasium, erzählte ihren Schülern vom KZ Ratingsee. „Das hat bei den Jugendlichen Entrüstung ausgelöst“, erinnert sich Stadthistoriker Kurt Walter. Damals, in seiner Tätigkeit beim evangelischen Bildungswerk, begleitete Walter ein Projekt der Schüler, das auf die Unterrichtseinheit aufbaute. Schon vor Richard von Weizsäckers berühmter „Tag der Befreiung“-Rede engagierten sich die Schüler in der Aufarbeitung dieses dunklen Duisburger Kapitels.

Die Meidericher Bevölkerung war vom Projekt der Schüler zunächst überhaupt nicht begeistert. Auf der Von-der-Mark-Straße informierten die Jugendlichen die Duisburger über „ihr“ KZ – und ernteten Antworten wie „bei uns doch nicht“ oder „das war ja gar kein KZ“. Neben Selbstschutz durch Vergangenheitsleugnung vermutet Kurt Walter noch einen anderen Grund hinter der Ablehnung der Meidericher. „Ferdinand aus der Fünten war Teil der ’Vier von Breda’, NS-Kriegsverbrecher, die in Holland im Gefängnis saßen, und kam hier aus der Gegend. Ein Schulleiter hier in Meiderich hieß auch ‘aus der Fünten’, vielleicht besteht da ein Zusammenhang.“ Das sei aber rein spekulativ, betont Walter.

200 Tote durch „Herzversagen“ im Konzentrationslager

Der Stadthistoriker Kurt Walter setzt sich gegen das Vergessen des Duisburger KZ ein.
Der Stadthistoriker Kurt Walter setzt sich gegen das Vergessen des Duisburger KZ ein. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die Zwangsarbeiter, die in Duisburg inhaftiert waren, wurden vor allem für Räumungsarbeiten nach Bombenangriffen eingesetzt. Nominell gehörte das Duisburger Lager zum KZ Buchenwald, in vier Wohn- und einer Wirtschaftsbaracke lebten die Häftlinge auf engstem Raum. „Unterernährung war natürlich ein großes Problem“, weiß Kurt Walter, im offiziellen Bericht der SS-Lagerleitung ist an einer Stelle von 200 Toten die Rede – angeblich erlagen alle einem „Herzversagen“.

Wie die sowjetischen Kriegsgefangenen am Rönsbergshof in Beeck durften auch die KZ-Häftlinge am Ratingsee bei Bombenangriffen nicht in den benachbarten Bunker. Stattdessen war das Lager hell erleuchtet – und so ein leichtes Ziel für die britischen Bomber.

Zwei Mahnmale erinnern heute an das Duisburger KZ

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An zwei Stellen in Meiderich wird heute den Opfern des Duisburger KZ gedacht. Beide hat Kurt Walter mitinitiiert. Zum einen erinnert auf der Westender Straße, neben der MSV-Geschäftsstelle, eine Steele und eine Bodenplatte an die Häftlinge. „Da waren zur Enthüllung Schüler, ehemalige Soldaten und italienische und belgische Partisanen da“, erinnert sich Walter.

Gegossen wurde die Platte mit Erinnerungen an die Häftlinge von „antifaschistischen Arbeitern“ der damaligen Thyssen-Gießerei. Das zweite Mahnmal, eine Gedenktafel, hängt an der Mauer der Kirche St. Michael auf der Von-der-Mark-Straße. „Wir haben gemerkt, dass die Leute das KZ vergessen, deswegen haben wir uns 1998 dazu entschieden, ein neues Mahnmal in zentralerer Position zu errichten.“