Hamborn. Der Hamborner Heimatbuchautor Hans Joachim Meyer erinnert sich an den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Als Benzin rationiert war, wurde es ernst.
Wenn der Hamborner Heimatkundler und Buchverleger Hans Joachim Meyer mit einem dicken Bündel Fotos, Zeitungsausschnitten und Dokumenten in der Redaktion erscheint, dann steht meistens ein historisch bedeutsamer Jahrestag an: Am ersten September 1939 begann mit den Schüssen der Deutschen auf die Halbinsel Westerplatte vor Danzig der zweite Weltkrieg. Den Anlass zur Kriegserklärung hatten die Nationalsozialisten selber vorgetäuscht, weil Hitler den Krieg gerne möglichst zügig beginnen wollte. Die Hamborner beschäftigte sich an diesem Tag ein lokales Unglück, das acht Menschenleben gekostet hatte.
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Am Vortag war eine Gruppe Bergleute auf der Neumühler Zeche bei einem Seilfahrtunglück 100 Meter tief abgestürzt, weil sich die Gegengewichte des nicht zur Personenbeförderung geeigneten Korbes gelöst hatten. Die Fotos der acht Särge gingen tagelang durch die Presse. „Aber es lag nicht nur an dem Unglück, dass beim Kriegsbeginn in Hamborn nichts von der Euphorie zu spüren war, wie sie für den ersten Weltkrieg belegt ist“, sagt Meyer und zeigt ein Foto von einem Trupp des Sicherheits-und Hilfsdienstes (SHD) auf dem man am Rand eine Ecke der Hamborner Berufsschule ausmachen kann.
Lebensmittelrationierung, Reparationszahlungen und Inflation
„Die wurden nach den Luftangriffen im späteren Kriegsverlauf als Brandbekämpfer eingesetzt“, erklärt er und überlegt weiter, „das waren alles gestandene Männer um die fünfzig Jahre, die konnten sich gut an den ersten Weltkrieg erinnern und hatten bei Kriegsbeginn vermutlich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was ein Krieg bedeuten würde.“ Das Ende des I. Weltkrieges lag 1939 gerade mal 21 Jahre zurück, den Hambornern standen Verwundete, Tote, Lebensmittelrationierung, Reparationszahlungen und Inflation noch deutlich vor Augen.http://funke-cms.abendblatt.de:8080/webservice/thumbnail/article/215751147
Freilich sieht man auf den Bildern aus der Zeit nichts von solchen Bedenken. Die Fotos zu den allgegenwärtigen Luftschutzübungen, die schon länger den Alltag der Nachbarschaften bestimmten, wirken heute eher wie Aufnahmen von fröhlichen Ausflügen. Da posieren die Hamborner Damen mit Gasmasken, Feuerwehrhelmen, Löschsandeimer und Wasserspritze im Anschlag. Die Gasmasken gab es bald in jedem Haushalt.
Auflistung von Anordnungen des Polizeipräsidenten
Am zweiten September erschien im Duisburger Stadtanzeiger eine lange Auflistung von Anordnungen des Polizeipräsidenten. Die Dachböden seien unverzüglich von allen brennbaren Materialien zu räumen, die Luftschutzkeller mit Splitterschutz vor den Kellerfenstern herzurichten, die Lebensmittel gasdicht aufzubewahren und alle Fenster mit Verdunklungsvorhängen auszustatten, um den Bomberpiloten die Orientierung zu erschweren. „Die deutsche Bevölkerung hoffte wohl trotz aller spürbarer Maßnahmen gegen einen möglichen Bombenkrieg aus der Luft, dass es schon nicht so weit kommen würde“, vermutet Meyer.
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Der Kriegsschauplatz Polen schien den Deutschen weit entfernt zu sein. Und nach dem Polenfeldzug sei dann Schluss mit dem Krieg, so dachten viele. Diese Hoffnung verschwand schon wenig später beim Kriegseintritt von England und Frankreich.
Im politisch sehr links geprägten Hamborn gab es allerdings weit mehr Kriegsgegner als anderswo. Die betrachteten die von langer Hand geplanten Kriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten schon länger mit großen Sorgen. Meyer legt einen als Geheimsache gestempelten Brief von Ende Juli 1939 vor, in dem es um die Rationierung von Treibstoff geht. Nur an Militärfahrzeuge dürften die Tankstellen noch unbegrenzte Mengen ausgeben.
Schutz der sogenannten kriegswichtigen Rohstoffe
Der Brief, dessen Fundort Meyer diskret für sich behält „ach, als Heimatkundler schnüffelt man halt überall herum“, ist mit einer damals im Ruhrgebiet geläufigen Doppelformel ausgestattet. Die unterzeichnenden Gebrüder Hoppe grüßen mit „Glückauf und Heil Hitler!“ in einem Atem-, beziehungsweise Schriftzug.
Um den Schutz der sogenannten kriegswichtigen Rohstoffe ging es auch bei den Artillerie Batterien, die bald an der Einmündung des Schwelgern-Hafens in Alsum ihre langen Rohre reckten. Die Bedienmannschaften wurden kurzerhand bei den Alsumer Bauern einquartiert, die dafür ihre Scheunen räumen mussten. „Da ging es um den Schutz der Hüttenwerke, die ungestört weiterarbeiten sollten“, erklärt der Hobby-Historiker.
Kirchenglocken eingeschmolzen
Der ungeheure Rohstoffhunger der waffenschmiedenden Industrie kostete viele wertvolle, teils uralte Kirchenglocken im ganzen Stadtgebiet das Leben. Auf dem Foto des Abtransports zweier reisefertig verschnürter Glocken aus dem Geläut der Abteikirche sieht man nicht nur ein paar neugierige Steppkes beim Turnen, sondern man kann auch in der Ferne den Hamborner Rathausturm ausmachen. Den könne man bei der heutigen Bebauung und Begrünung allerdings nicht mehr von so weit sehen wie damals, überlegt Meyer. Er selber kann einige persönliche Auswirkungen des Krieges, der am ersten September 1939 begann, bis heute spüren, obwohl er noch gar nicht geboren war.
Der Hamborner Heimatkundler kam 1944 in Ehingen an der Donau zur Welt. Dorthin war seine Mutter mit den Geschwistern evakuiert worden, als die Bomben fielen. Deshalb hat Meyer jetzt nicht Hamborn als Geburtsort in seinem Pass stehen, wo sein Vater getrennt von der Familie alleine zurückgeblieben war.