Obermeiderich. Thomas Fischer veranstaltet Klettertouren durch den Landschaftspark Nord. Auf dünnen Seilen klettern Teilnehmer zwischen Hochöfen.
Das Stahlseil unter seinen Füßen ist ganze 13 Millimeter dünn. Und doch bewegt sich Thomas Fischer so traumwandlerisch sicher darauf, als würde er hier nicht über dem Abgrund balancieren, sondern über eine drei Meter breite Betonbrücke stapfen. Zwei Karabiner verbinden das Kletter-Ass mit dem Sicherungsseil. Unter ihm tun sich 50 Meter Tiefe auf. Willkommen auf der „Steel Road“. Dieses zu überwindende Teilstück zwischen Hochofen 1 und 2 zählt zu den schwierigsten, aber auch spektakulärsten Aufgaben im Kletterparcours des Landschaftsparks Nord. Dessen Inhaber Thomas Fischer weiß aus Erfahrung, dass fast allen seinen Kunden dort oben kräftig die Knie schlottern.
Aus einem Einzelevent wurde eine Geschäftsidee im Landschaftspark
Den Kletterparcours, der sich durch und rund um die Gießhalle 2 in die Höhe erstreckt, gibt es fast so lang wie den Landschaftspark selbst. Der hatte 1994 seine Eröffnung erlebt und feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. „Wir haben hier damals mit unserer Agentur für einen Zigarettenhersteller ein Großevent auf die Beine gestellt und eine erste Kletterstrecke eingerichtet“, erinnert sich Fischer (52). Das „Wir“ bilden bis heute er sowie der zweite Geschäftsführer, Detlef Borbe (46).
Was als einmalige Aktion geplant war, stieß auf eine Riesen-Resonanz. „Die Eventteilnehmer waren damals total begeistert und fragten, wann sie wiederkommen könnten“, erzählt der in Hattingen lebende Familienvater. „Das hat uns inspiriert.“
Ihre ersten Pläne sahen dann vor, auf dem Gelände der Kokerei Zollverein in Essen einen Klettergarten zu errichten. „Doch die wollten nur Kunst – und nichts mit Klettern“, so Fischer. Also reifte die Idee, es am Ausgangsort zu versuchen. So gründeten Fischer und Borbe die Firma Power-Ruhrgebiet, die ihre Zelte im Landschaftspark aufschlug und dort bis heute ihren Sitz hat.
Kletterrouten werden ständig erweitert oder verändert
Es dauerte aber bis 1998, ehe der erste Kletterparcours komplett fertig war. Jedes Hindernis, jedes Sicherungsseil, jede Aufhängung hat Fischer persönlich befestigt. „Es gibt hier keine einzige Schraube, die ich nicht mindestens zehnmal angefasst habe“, stellt Fischer klar. Wo Sicherheit eine so zentrale Rolle spielt wie beim Klettern, vertraut er beim Auf- und Umbau des Parcours immer nur auf sein eigenes Können.
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Und Veränderungen und Erweiterungen an den Kletterstrecken gab es in den vergangenen zwei Jahrzehnten zuhauf. „Das ist auch wichtig für unsere Trainer. Es muss auch für sie immer abwechslungsreich bleiben, damit sie stets mit der vollen Konzentration bei der Sache sind“, so Fischer. „Unaufmerksamkeiten können wir hier nicht gebrauchen.“
Zum Trainerteam zählt auch der älteste Sohn des Inhabers
40 kletteraffine Routiniers gehören zum Trainerteam. Immer jeweils zwei kümmern sich um eine Gruppe, die bis zu 15 Teilnehmer haben darf. Werden es mehr, wird auch die Traineranzahl sofort aufgestockt. Und wie findet er stets neue Trainer? „Das Wichtigste ist, dass sie Ängste der Teilnehmer sofort erkennen können und sie sicher durch den Parcours begleiten. Doch sie müssen auch die richtige Ansprache draufhaben und über eine hohe Vermittlungskompetenz verfügen“, nennt Fischer die Kern-Voraussetzungen für eine Einstellung.
Einer der Trainer ist sein ältester Sohn Paul (23). Auch seine Frau und seinen jüngsten Sohn hat Fischer mit dem Kletterbazillus infiziert. Nur die Tochter kann der Kraxelei im Schatten der Hochöfen nichts abgewinnen. „Im Gegenzug hat mir meine Frau das Kanufahren beigebracht“, erzählt Fischer und lacht.
Bei den meisten seiner Kunden handelt es sich um Firmengruppen, darunter viele aus dem Ausland. „Ich hatte Inder und Pakistani hier. Wenn die von ihrer Firma zu etwas eingeladen werden, dann verbietet es die Höflichkeit, das Angebot abzulehnen“, sagt Fischer. Und so kam es, dass selbst Teilnehmer mit Höhenangst die dreistündige Kletterrunde mit dem schönen Namen „Expedition Stahl“ in Angriff nahmen.
Mit aller Kraft am Sicherungsseil
An der besagten „Steel Road“ in 50 Metern Höhe zwischen Hochofen 1 und 2 trennt sich dann die Spreu vom Weizen. „Entweder, man geht rauf aufs Stahlseil – und dann in einem Rutsch die 35 Meter rüber zum anderen Hochofen. Oder: Man geht einen Schritt – und macht sofort wieder kehrt“, weiß der Inhaber aus Erfahrung.
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Infos zum Kletterpark
Wer den Kletterparcours erobern will, muss mindestens 16 Jahre alt sein. Aber auch Senioren jenseits der 60 gehören zu den Stammgästen.
Auch Einzelpersonen können Termine vereinbaren. Aus ihnen wird dann eine eigene Gruppe gebildet. Die Gruppendynamik spiele beim Überwinden von Ängsten eine große Rolle, weiß Fischer. „Jeder traut sich mehr. Die Gruppe macht jeden Einzelnen stärker.“ Infos und Buchung: power-ruhrgebiet.de.
Was alle Erstnutzer der „Steel Road“ eint: Sie klammern sich mit aller Kraft am Sicherungsseil fest. „Dabei macht ein Fehltritt überhaupt nichts aus. Die Sicherungsseile tragen locker das Gewicht von zwei Elefanten“, so Fischer. Wer aber auf der anderen Seite ankommt, der reagiert immer gleich: mit einem strahlenden Lächeln.