Duisburg-Hamborn. . Bislang verschwundene Papiere dokumentieren die Anfangsgeschichte der Kaufmannsfamilie Pollmann. Der Sohn eines Bauern baute ein Imperium auf.
Eingerüstet präsentiert sich das alte Hamborner Rathaus derzeit den Besuchern, und auch in der vom Heimatverein angemieteten Bürgermeisterwohnung sieht es nach wie vor nach viel Arbeit aus. „Eigenleistung ist ja für unsere Mitglieder das große Thema hier“, sagt der Vereinsvorsitzende Jörg Weißmann und schiebt im vornehm vertäfelten Entrée vorsichtig mit dem Fuß einen Farbeimer zu Manfred Küppens hinüber, der sich gerade erinnert, wie oft die Wände gestrichen werden mussten, bevor die Farbe deckte. Unter dem Arm trägt er zwischen staubigen, welligen Buchdeckeln die Pollmann-Papiere, die vor kurzem durch die Vermittlung von Schriftsteller Dieter Ebels zum Heimatverein fanden.
Die Papiere zur Familie Pollmann lagen schon im Müll
Der Fahrner Klaus Wenzel hatte die mitgenommene Mappe nach einer Haushaltsauflösung in seiner Nachbarschaft aus dem Container gefischt und Ebels um seinen heimatfreundlichen Rat gebeten. Der freute sich sehr, seinen Vereinskameraden den interessanten Fund zugänglich machen zu können, der ohne Wenzels Aufmerksamkeit auf der Kippe gelandet wäre.
Die Papiere beziehen sich zum großen Teil auf den Fahrner Pollhof und dokumentieren damit ein Stück Vorgeschichte der Kaufmannsfamilie Pollmann. Den Namen verbinden viele Duisburger mit der Kreuzung, die vor 150 Jahren innerhalb einer Generation von der menschenleeren Heide zum Dreh-und Angelpunkt der Industriestadt Duisburg-Hamborn aufstieg.
Arnold Pollmann wagte mit 24 Jahren den Neuanfang
Verwunderung habe es damals schon gegeben, als sich der dritte Sohn des Bauern Arnold Pollmann mit seiner Frau Anna (geborene Krüßmann) selbstständig machte, davon ist Historiker und Heimatvereinsvorstand Thorsten Fischer überzeugt. Arnold Junior hätte als Schmied und Wagenbauer auf dem elterlichen Hof sicher genug zu tun gehabt, aber ab 1877 wagte der 24-Jährige einen Neuanfang. Er verließ den Hof, von dessen Stallungen es in der geretteten Dokumentenmappe detaillierte Grundrisse und Fassadenansichten gibt. Er baute mitten im Nirgendwo, wo damals die Provinzialstraße der Ruhrorter- und Sterkrader Straße gute Nacht sagte, einen Schmiede-und Schlossereibetrieb mit Werkstatt und etwas später auch ein Wohnhaus.
Arnold Pollmann wusste mehr als seine Mitbürger
„Wo will der Junge bloß die Arbeit herkriegen?“ zerbrachen sich die wenigen Nachbarn in den verstreuten Häusern und Höfen ringsum den Kopf des jungen Handwerkers. Der wusste vermutlich etwas, was den anderen noch unbekannt war. Bald sah man in Marxloh den Unternehmer Wilhelm Grillo täglich von Oberhausen aus herbeieilen, um den Aufbau seiner Zinkhütte zu überwachen. Die Fahrerei wurde Grillo schnell zu bunt, und er bat den Nachbarn Pollmann darum, sein fertiggestelltes Wohnhaus mieten zu dürfen, bis die geplante Grillo-Villa stand. Arnold willigte ein, hatte aber Probleme, seiner frisch angetrauten Ehefrau die Verzögerung ihres Einzugs ins Eigenheim zu erklären. Lisbeth Pollmann (verwitwete Oberscheidt) tröstete sich damit, dass ihre Schwiegermutter ihr zuredete: „Morgens, wenn du aufstehst, hast du schon drei Mark Miete verdient.“
Aus einem Haus wurde ein ganzes Imperium
Die Geschäftsbeziehungen zwischen Grillo und Pollmann blieben auch nach Grillos Umzug bestehen. Pollmann bekam den lukrativen Dauerauftrag, sich um die Instandsetzung der Säurekanister aus der Zinkhütte zu kümmern. Der geschickte Kaufmann mit dem guten Riecher für Standorte und Gelegenheiten profitierte weiter vom rasanten Industrie-und Bevölkerungswachstum und verfügte bei seinem Tod im Jahre 1915 über einen ganzen Straßenzug und ein Imperium, das unter seinen Erben aufgeteilt wurde. Aus der alten Schmiede waren bis 1924 ein Eisen-und Haushaltswarengeschäft, ein Gasthof, ein Möbel-und Luxuswarenhandel sowie ein Betten- und Wäschekaufhaus hervorgegangen.
Es könnten neue Veröffentlichungen erscheinen
Arnold Pollmann jun. wurde nur 62 Jahre alt. Das kantige Pollmannhochhaus, das bis heute seinen Namen trägt, erlebte er nicht mehr. Es wurde erst 1929/31 an der Stelle gebaut, an der ein dritter Sohn mit einer Nase fürs Geschäftliche über 50 Jahre zuvor seine Werkstatt auf die menschenleere Heide gesetzt hatte.
Tief beugen sich im alten Rathaus die Köpfe der Heimatforscher über die Pollmann-Papiere und helfen sich gegenseitig beim Entziffern der Urkunden und Pläne. Noch gibt es keine größeren Veröffentlichungen zur Geschichte der Familie Pollmann. Aber das kann ja noch werden.