Duisburg-Hamborn. . Dr. Peter Seiffert und sein Team helfen Säuglingen und Müttern mit der Babyklappe an der Kinderklinik St. Johannes. Doch dafür gibt’s auch Kritik

„Wir kämpfen um jedes Kind, um die kranken und die zu früh geborenen“, sagt Dr. Peter Seiffert, der Chefarzt der Hamborner Kinderklinik. „Daher tut es uns umso mehr weh, wenn auch gesunde Kinder nicht überleben.“ Seiffert kam 1997 ans Helios-Klinikum St. Johannes und erlebte seitdem, dass in Duisburg einige tote Neugeborene gefunden wurden. Daher richtete er eine Babyklappe an der Klinik ein – bislang ist sie die einzige in Duisburg.

Bewährt hat sie sich bereits mehrfach. Seit sie 2001 eröffnet wurde, haben Seiffert und seine Mitarbeiter mit der Babyklappe schon 18 Säuglinge gerettet. „Wenn es ein Kind lebend in die Klappe schafft, dann überlebt es, dann kümmern wir uns“, sagt Seiffert. Denn dahinter verbirgt sich ein Wärmebettchen. Wird die grüne, gesicherte Tür geöffnet, geht in der Kinderintensivstation ein Alarm los und eine Kamera schaltet sich ein, die auf das Bett gerichtet ist. Auf dem schnellsten Weg kommt sofort Hilfe, etwa Schwester Regina Lange, die Stationsleiterin.

Ein Wärmebettchen erwartet die Säuglinge

Das Wärmebettchen wartet darauf, dass eine Mutter ihren Säugling dort ablegt. Seit 2001 hat die Kinderklinik so bereits 18 Kinder gerettet.
Das Wärmebettchen wartet darauf, dass eine Mutter ihren Säugling dort ablegt. Seit 2001 hat die Kinderklinik so bereits 18 Kinder gerettet. © Zoltan Leskovar

„Ist die Klappe wieder geschlossen, verriegelt sie sich“, erklärt sie. Das soll verhindern, dass Fremde den Säugling wieder herausnehmen, nachdem die Mutter ihn abgelegt hat. „Wir wollen aber Kind und Mutter wieder zusammenführen“, sagt Lange, daher liege im Wärmebettchen immer ein Umschlag, indem erläutert wird, wie das Helios-Klinikum mit dem Säugling weiter verfährt – in zehn verschiedenen Sprachen. Darin ist zudem ein Code, mit dem sich die Mutter beim Klinikum identifizieren kann, falls sie die Entscheidung bereut, ihr Baby abgegeben zu haben. Ansonsten wird es nach zwölf Wochen zur Adoption freigegeben. Kontakt kann aber später noch hergestellt werden.

Ebenfalls wichtig sei das Klemmbrett mit Stift, das im Wärmebett liegt. So kann die Mutter den Vornamen des Neugeborenen und das Geburtsdatum hinterlassen. „Das Kind soll später etwas haben, das ihm von den leiblichen Eltern gegeben wurde“, sagt Peter Seiffert.

„Wie lebt man weiter, wenn man sein Kind umgebracht hat?“

Dass er aber auch den Müttern hilft, weiß er, weil sich eine Handvoll mit dem Code gemeldet haben. Eine war etwa noch minderjährig, hatte Probleme mit ihren Eltern und wusste nicht mehr weiter. Zusammen mit dem Chefarzt fanden alle Beteiligten eine Lösung. Andere Frauen hätten ihre Schwangerschaft verdrängt, und hatten dann plötzlich eine Blutlache und ein Neugeborenes im Bett – und natürlich einen Riesenschock. „Ich würde das nicht glauben, wenn ich es nicht selbst erleben würde“, sagt Peter Seiffert.

Er weiß: „Kinder, die in dieser Situation keine Babyklappe finden, überleben nicht.“ Ein Säugling, der im Winter irgendwo abgelegt wird, überstehe höchstens eine Stunde, bevor er stirbt. Auch vor Kirchentreppen seien schon Babys gestorben. „Unsere Klappe ist so auch für die Mütter lebensrettend. Denn wie lebt man weiter, wenn man sein Kind umgebracht hat?“

Kritik trifft den Chefarzt sehr

Kritik an der Babyklappe trifft den Mediziner allerdings sehr, weil er alle Möglichkeiten wahrnehmen möchte, um Leben zu retten. Der Vorwurf, dass dieser „letzte Rettungsanker“, wie Seiffert sagt, junge Frauen dazu animiere, ihr Baby abzugeben, lässt er nicht gelten: „Keine Mutter legt ihr Kind weg, die nicht in tiefster Not ist.“ Diese sieht man auch den Neugeborenen an. Zwar waren bislang alle gesund, aber unprofessionell abgenabelt, schmutzig und teilweise sogar in Hundedecken eingewickelt.

Allen durch die Klappe geretteten Babys gehe es inzwischen aber gut, sie seien entweder wieder bei ihren leiblichen Eltern oder bei Adoptiveltern, denn das Jugendamt arbeitet eng mit der Klinik zusammen.

Seither keine toten Babys mehr in Duisburg gefunden

Als Menschenhändler sehen sich Peter Seiffert und Regina Lange nicht, obwohl auch dieser Vorwurf von Kritikern mitunter erhoben wird. „Wir wissen gar nicht, welche Familien die Kinder bekommen, darum kümmert sich das Jugendamt.“

Was aus den Kindern wird, würde Seiffert gerne erfahren, aber die Babyklappe ist anonym. So begnügen sich Dr. Peter Seiffert und sein Team damit, zu wissen, dass sie damit schon viele junge Leben gerettet haben. „Seitdem wir diese Klappe haben, ist in Duisburg kein totes Kind mehr gefunden worden.“ Allerdings, das weiß der Mediziner, „werden die meisten ungewollten Neugeborenen nie gefunden“. Daher kämpf er dafür, dass möglichst jede Klinik eine Babyklappe bekommt.

>>> Anonyme Geburten sind inzwischen erlaubt

  • Die Babyklappe liegt bewusst etwas abgelegen an der Dieselstraße, abseits vom Haupteingang des Helios-Klinikums.
  • „Die Babyklappe muss nichts Endgültiges sein, sie ist eine lebensrettende Zwischenstation“, sagt Chefarzt Dr. Peter Seiffert.
  • Zusätzlich gibt es inzwischen für Schwangere die Möglichkeit, in einem Krankenhaus ihre Kinder anonym zur Welt zu bringen.