Düsseldorf. Der Loveparade-Prozess wird von den Verteidigern mit einer Flut von Anträgen dominiert. Den Vorwurf der Verzögerungstaktik weisen sie zurück.
Einige Verteidiger im Loveparade-Verfahren haben einen neuen Vorstoß gewagt, um den Prozess einzustellen. "Wir wissen gar nicht, gegen welche zur Last gelegte Tat wir uns verteidigen müssen", hatte Rechtsanwalt Philip von der Meden den Antrag begründet, über den das Gericht nun entscheiden muss. Von der Meden verteidigt den Lopavent-Mitarbeiter Lutz W., der bei der Duisburger Loveparade für die Sicherheit verantwortlich war. Der Staatsanwaltschaft wirft von der Meden erneut vor, dass es keine wirksame Anklage gebe. Weitere Verteidiger schlossen sich diesem Antrag an.
Diesen und weitere Sachverhalte wird das Gericht in den nächsten Tagen beraten müssen. Der für Donnerstag vorgesehene Verhandlungstag wurde deshalb aufgehoben - mittlerweile schon der dritte abgesagte Termin. Das nächste Mal tagt das Gericht erst im neuen Jahr, am 3. Januar 2018.
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Es war an diesem Tag nicht der erste Versuch, den Prozess zu beenden, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Dass bei dem Verfahren nicht die richtigen auf der Anklagebank sitzen, wurde im Vorfeld des Verfahrens oft gesagt. Aus Sicht der Angeklagten und ihrer Verteidiger müsste im Verfahren auch der Einsatz der Polizei aufgearbeitet werden.
Doch der damalige NRW-Innenminister Ralf Jäger (erst kurz vor der Loveparade kam er ins Amt), hatte bereits kurz nach der Duisburger Loveparade-Tragödie erklärt: "Die Polizei hat keine Fehler gemacht.“ Deshalb wirft Verteidigerin Katharina Kolbe (sie vertritt den Bauamts-Sachbearbeiter Peter G.) Ralf Jäger vor, die Ermittlungen erschwert, wenn nicht sogar in eine falsche Richtung geleitet zu haben.
Anwälte beklagen einseitige und tendenziöse Ermittlung
Polizei und Staatsanwaltschaft, die den Fall untersuchten, hätten diese Aussage schließlich als „Dienstanweisung verstehen können“, heißt es im Antrag. Der Staatsanwaltschaft wirft die Verteidigerin "einseitige tendenziöse Ermittlungen" vor. Trotz schwerwiegender Versäumnisse bei der Planung und am 24. Juli selbst sei die Polizei bei den Untersuchungen ausgeklammert gewesen.
Um dies zu untermauern und die Rolle der Polizei während der Loveparade-Planung und am 24. Juli 2010 herauszuarbeiten, fordern sie die Einbeziehung von wenigstens 33 Akten mit Berichten aus dem Innenministerium und die Akten des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Kölner Silvesternacht – hier spielten auch die Duisburger Loveparade-Ereignisse eine Rolle. Bis diese vorlägen, wollen die Verteidiger das Verfahren auch aussetzen.
Mehr Zeit erbitten sich die Verteidiger auch, um den ersten Teil des Sachverständigen-Gutachtens mit ihren Mandanten durchzuarbeiten. Dafür sei bislang noch keine Zeit gewesen, erklärte die Verteidigung. Eine Argumentation, die Nebenklage-Anwalt Khubaib-Ali Mohammed nicht ganz nachvollziehen kann: "Wenn sie es mit drei Verteidigern nicht schaffen, 2000 Seiten Gutachten zu lesen, dann weiß ich nicht, wie sie das Verfahren hier bearbeiten." Ein weiterer Schachzug um das Verfahren zu verzögern? Die Verteidiger bestreiten dies. Gibt es bis zum 27. Juli 2020 kein erstinstanzliches Urteil, verjähren die Vorwürfe und niemand kann mehr belangt werden.
Anwalt stellte umgehend eine neue Besetzungsrüge
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Zurückgewiesen hat die Sechste Große Strafkammer hingegen eine erste Besetzungsrüge der Verteidiger, der sich am vergangenen Sitzungstag auch Vertreter der Nebenklage angeschlossen hatten. Verteidiger hatten in dem mehr als 70 Seiten starken Schriftsatz behauptet, der Prozess finde vor der falschen Strafkammer statt. Das Oberlandesgericht hätte den Fall demnach nicht an eine andere Kammer übertragen dürfen. Damit sei das Prinzip des gesetzlichen Richters verletzt worden. Nach der Entscheidung des Gerichts stellte ein Anwalt umgehend eine neue Besetzungsrüge.