Duisburg. Eva Welskop-Deffaa aus Duisburg ist die erste Präsidentin der deutschen Caritas. Für ihre Aufgaben hat sie einen klaren Plan. Ein Interview.

Zum ersten Mal in der 125-jährigen Geschichte der Caritas in Deutschland wurde ein Frau zur Präsidentin gewählt: Die Duisburgerin Eva Welskop-Deffaa, Mutter dreier erwachsener Kinder, hat ihr neues Mandat jetzt für sechs Jahre inne. Über ihren Werdegang, ihre Schwerpunkte und Ziele sprach Eva Arndt mit der 62-Jährigen.

Wie fühlt sich das an, an der Spitze einer so großen Organisation zu sein?

Ich finde es toll, dass zur selben Zeit gleich zwei Frauen aus Duisburg hohe Ämter bekleiden dürfen. Ich freu mich, dass Bärbel Bas Bundestagspräsidentin geworden ist

Sie haben auch hohe politische Ämter gehabt. Was fasziniert Sie an politischer und caritativer Arbeit?

Ich bin katholisch sozialisiert und hatte beruflich ganz andere Ideen. Als sechsjähriges Kind wollte ich Kinderbuchschreiberin werden, so nannte ich das damals. Später wollte ich Journalistin werden. Beides ist es nicht geworden. Ich bin ein Stück weit eine Spätberufene.

Wo ist eigentlich Ihr Zuhause?

Ich pendle seit vielen Jahren und habe das Glück, dass ich überall schlafen kann. Seit 2006 lebe ich in Berlin, mein Mann arbeitet in München.

Sie sind Diplom-Volkswirtin und waren von 2006 bis 2012 Ministerialdirektorin im Bundesfamilienministerium. Im März 2013 wurden Sie erstmals in den Verdi-Bundesvorstand gewählt. Wie kam der Wandel und Wechsel zur Caritas?

Ich war für vier Jahre gewählt, und als ein halbes Jahr vorbei war, kam die Anfrage von der Caritas. Ich wollte nicht wechseln, weil ich erst so kurz dabei war, aber der Verband ließ nicht locker.

Wie schnell ging es dann nach ganz oben an die Spitze der Caritas?

Ach, das dauerte länger. Im November 2020 wurden die Mitglieder aufgefordert, Vorschläge zu machen. Ich war bereits seit vier Jahren im Vorstand und habe mich selbst gefragt, ob ich diese Funktion ausüben möchte. Schließlich habe ich meinen Hut in den Ring geworfen.

Sie haben sich immer darum gekümmert, dass Strukturen geschaffen werden, die das Leben der Menschen verbessern. Sie hatten Geflüchtete, Gleichstellungsfragen, Wohnungsnot und die Belange der Schwerbehinderten im Fokus. Was ist Ihnen in Zukunft wichtig?

Ich möchte die sozialpolitische Stimme des Verbandes sein. Dass ich eine Frau bin, ist in den vergangenen Jahren wichtiger geworden. Man muss Orte suchen, wo Frauen Führungsaufgaben übernehmen können.

Das ist ja gerade im katholischen Bereich nicht einfach. 80 Prozent der Mitarbeiter bei der Caritas sind Frauen. Aber Führungsaufgaben haben fast immer Männer. Wie wollen Sie das ändern?

Als ich Präsidentin wurde, habe ich sehr viel ehrlich gemeinte Gratulationen bekommen. Auch von Bischöfen. Ich bin überzeugt, dass es sehr viele Männer gibt, die die Situation ändern wollen und sich wünschen, dass sich in der Gesellschaft etwas bewegt.

Was möchten Sie in Ihrem Amt in Zukunft bewegen?

Ein großes Anliegen ist mir, die nationale und internationale Arbeit. Die Caritas ist ja der Geburtsort einer weltweiten Verbindung. Uns gibt es in 186 Staaten und das ist ganz wichtig. Gerade in diesen Coronazeiten, in denen die Grenzen oft geschlossen wurden, habe ich die Befürchtung, dass es wieder die Tendenz gibt, die Grenzen auch für Geflüchtete geschlossen zu halten. Das darf nicht passieren.

Wollen Sie auch auf dem Arbeitssektor, in dem Sie viele Kompetenzen erworben haben, weitere Verbesserungen vorantreiben?

Ja, auf jeden Fall. Wir müssen das Miteinander von Sozialversicherungen und Transferzahlungen einerseits und subsidiärer sozialer Infrastruktur als die beiden Säulen des Sozialstaats weiter entwickeln. Vieles ist bereits gut in Deutschland, aber wir dürfen nicht locker lassen und müssen auf jeden Fall besser werden. Gerade die zweite Säule müssen wir auf die jeweiligen konkreten Notlagen hin anpassend gestalten. Das ist eine meiner großen Erfahrungen der Pandemie.

Was fasziniert Sie am Sozialstaat Deutschland?

Die Vielfalt und die Wahlmöglichkeiten. Ich kann Hilfe der Caritas in Anspruch nehmen, aber auch der Awo. Das ist ein ausgesprochen gutes Angebot, je nachdem, welcher Ausrichtung ich näher stehe.

Freuen Sie sich auf die Arbeit, die vor Ihnen liegt. Es gibt ja viel zu tun?

Ja, auf jeden Fall. Ich bin ganz verliebt in die Aufgaben, die ich anpacken will. Und ich kann von meinen unterschiedlichen Erfahrungen in unterschiedlichen Arbeitsbereichen profitieren. Die Caritas wird ja auch nicht von oben nach unten regiert. Die Themen, für die wir uns einsetzen sollen, kommen aus den Ortsverbänden. Ich trage das dann in die Gremien, damit sich etwas ändern kann.