Duisburg. Die hoch ansteckende Delta-Variante wurde in mehreren Teilen Duisburgs nachgewiesen. Das Gesundheitsamt greift restriktiver ein, auch an Schulen.
Einerseits muss sich das Gesundheitsamt zurzeit um so wenige aktive Corona-Fälle kümmern wie seit Mitte März 2020 nicht mehr, als sich die erste Corona-Welle langsam auftürmte: Am Sonntagabend waren nur noch 32 Duisburgerinnen und Duisburger bekannt infiziert. Andererseits gehen inzwischen fast alle Neuinfektionen in Duisburg aufs Konto zweier Mutanten, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „besorgniserregende Varianten“ einstuft: Noch dominiert die zuerst in England nachgewiesene britische Virusvariante Alpha (B. 1.1.7), aber Delta (B.1.617) ist inzwischen in mehreren Teilen der Stadt nachgewiesen worden. Wie die hochansteckende indische Variante das Gesundheitsamt herausfordert, berichtet Amtsleiter Ludwig Hoeren.
„Wir gehen bei Delta-Nachweisen und -Verdachtsfällen deutlich restriktiver vor, um Infektionsketten frühestmöglich zu unterbrechen“, berichtet Hoeren. Das Ordnungsamt kontrolliere die Einhaltung der Quarantänepflicht besonders penibel, und das Gesundheitsamt habe mehrmals aufwendige Umfeld-Testungen in Schulen und Betrieben veranlasst sowie vorsorglich für größere Gruppen möglicherweise infizierter Kontaktpersonen Quarantäne angeordnet. „Wenn es beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus einen Fall gibt, versuchen wir, alle Bewohner des Hauses schnellstmöglich testen zu lassen.“
Delta-Variante: 31 Fälle in Duisburg, 18 in einem Cluster in Ruhrort
In Schulen habe die Behörde jüngst mehrmals vorsichtshalber ganze Klassen in Quarantäne geschickt, so Hoeren. In der Vergangenheit waren bei Infektionsfällen in Klassen wegen der geltenden Schutzmaßnahmen oft nur Sitznachbarn und enge Kontaktpersonen infizierter Schüler isoliert worden.
Doch Delta erfordert besonders entschiedenes Eingreifen. Das zeigen auch Daten englischer Behörden: Danach erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, sich im eigenen Haushalt zu infizieren, im Vergleich zur bereits infektiöseren Alpha-Variante nochmals um 64 Prozent.
Betroffen war in Duisburg zuletzt auch die Aletta-Haniel-Gesamtschule in Ruhrort. Die Ausbreitung dort ist in mehrerer Hinsicht typisch für das bevorstehende Infektionsgeschehen unter vorrangig Jüngeren. Bis Sonntagabend wurde Delta 31-mal in Duisburger Corona-Proben nachgewiesen, allein 18 dieser Fälle gehen auf das Ruhrorter Cluster zurück.
Der Indexfall dieser Infektionskette war ein Reiserückkehrer, der in Indien war. Über die Familie gelangte das Virus in die Gesamtschule, wo es zu weiteren Übertragungen kam. Auch in England gibt es Ausbrüche vermehrt an weiterführenden Schulen unter – noch ungeimpften – Jugendlichen.
Reiserückkehrer aus mehreren Ländern brachten Delta mit nach Duisburg
Anfang Mai bereits hatte sich ein Student aus Duisburg in Indien mit Delta angesteckt. „Zum Glück blieb das ein Einzelfall, weil der Betroffene als Reiserückkehrer ohnehin in Quarantäne musste“, erklärt Gesundheitsamtsleiter Hoeren.
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Danach aber sind in Duisburg Ansteckungen durch fünf Rückkehrer dokumentiert. Sie hatten sich in Indien, Russland, im Irak und in der Türkei infiziert. „Anfangs hatten wir sehr begrenzt Fälle im Stadtgebiet“, so Hoeren. Inzwischen jedoch gab es unabhängig vom Ruhrorter Cluster „weitere auch im Süden, linksrheinisch und in der Stadtmitte“.
Sicher ist inzwischen: B.1.617 ist ansteckender und befällt auch unvollständig Geimpfte häufiger als Alpha und die Ursprungsvariante. Dass jüngst in England auch vollständig Geimpfte nach einer Delta-Infektion gestorben sind, erklärt sich unter anderem damit, dass die Impfstoffe nicht zu 100 Prozent vor schweren Verläufen schützen und Personen mit geschwächtem Immunsystem weiterhin ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben.
31 Delta-Infizierte – mehrere wurden stationär behandelt
Von den 31 Duisburger Delta-Infizierten mussten nach Angaben von Amtsleiter Hoeren „vier ins Krankenhaus. Eine Person war vital gefährdet, ein Todesfall ist uns bislang nicht bekannt.“
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Hoeren rechnet damit, dass Delta in Kürze mehr als die Hälfte aller Neuinfektionen ausmacht und die Infektionszahlen – auch wegen der Reiserückkehrer – bereits im Laufe der Ferien wieder ansteigen. „Wir müssen deshalb jetzt weiter schnell Erst- und Zweitimpfquote erhöhen, um das Risiko vor Ansteckungen und schweren Verläufen weiter zu verringern.“
Mit den Duisburger Schulen will das Gesundheitsamt wegen des Delta-Risikos noch während der Ferien beraten, kündigt Ludwig Hoeren an: „Wir wollen dann auf das Infektionsgeschehen und die Erlasslage schauen, aber auch eigene Konzepte prüfen.“
>> DELTA UND DER SCHUTZ DURCH DEN EINMALIMPFSTOFF
• Bis Sonntag waren in Duisburg 7680 Alpha-Infektionen nachgewiesen (18 Befunde in der vorigen Kalenderwoche), erst 31 mit der Delta-Variante (sechs in der Vorwoche). Die Labore führen nach RKI-Vorgabe bei zehn Prozent aller positiven Proben eine Genomsequenzierung durch. Ein Problem auch für das Duisburger Gesundheitsamt: Die Ergebnisse der Sequenzierungen und Typisierungen werden, abhängig vom Labor, oft mit tagelangem Verzug übermittelt. Das erschwert schnelles gezieltes Eingreifen.
• Grundsätzlich gilt: Die Studienlage zu Delta ist noch dürftig, das gilt auch für den Schutz durch den Einmalimpfstoff „Janssen“ von Johnson & Johnson. Prof. Ulf Dittmer, Leiter der Virologie am Uniklinikum Essen, hatte jüngst darauf hingewiesen, dass „bei Johnson & Johnson der individuelle Schutz vor einer Erkrankung sicher auch gegen die Delta-Variante sehr gut“ sei, er jedoch befürchtet, dass einmal geimpfte Menschen „sich infizieren und, ohne selber zu erkranken, das Virus weitergeben können“ (wir berichteten).
• In Duisburg sind mehr als 15.000 Menschen mit Janssen geimpft. Gesundheitsamtsleiter Ludwig Hoeren setzt weiter auch auf die Einmalimpfung mit „Janssen“, solange RKI und Ständige Impfkommission (Stiko) nichts anderes empfehlen: „Da müssen wir alle erste Studienergebnisse abwarten. Bis dahin gilt wie für alle Impfstoffe: Jede Impfung ist besser als keine Impfung.“