Duisburg. . Der Duisburger Günther Kolodziej (75) baut seit fast fünf Jahrzehnten Seifenkisten für Kinder- und Jugendeinrichtungen in der Stadt. Bei den Rennen an diesem Wochenende auf dem Alsumer Berg sind er und seine jungen Rennpiloten mit dabei.

Wenn sich Friedhelm in die orangefarbene Seifenkiste mit der auffälligen Flammenlackierung an den Seiten hineinkauert, sind außer seinem silbernen Sturzhelm nur noch ein Paar Augenschlitze zu erkennen. Im Rennen muss er diese unbequeme, aber ungeheuer windschnittige Haltung einnehmen – sonst wird es nichts mit der Höchstgeschwindigkeit. Der Zehnjährige hofft auch an diesem Wochenende auf die richtige Aerodynamik. Beim „Duisburger Seifenkisten Derby 2014“, das am Samstag und Sonntag die Massen zum Alsumer Berg locken will, zählt Friedhelm zum Starterfeld.

„Das ist eine Eigenkonstruktion“, sagt Günther Kolodziej und deutet auf die Seifenkiste zu seinen Füßen. Der 75-Jährige ist gelernter Maschinenbauer, hat im beruflichen Alltag über Jahrzehnte elektronische Anlagen für den Bergbau hergestellt. Seit 1966 verwandelt er sich in seiner Freizeit zudem zum Seifenkisten-Konstrukteur aus Leidenschaft. Zunächst im damaligen Großenbaumer Kinderdorf Maria in der Drucht. Inzwischen baut er die fahrbaren Untersätze für die jungen Rennpiloten der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe St. Joseph mit Sitz an der Bismarckstraße in Friemersheim zusammen. Und zu den insgesamt zehn Bewohnern dieser Kinderheimgruppe gehören eben auch die beiden Seifenkisten-Fans Friedhelm und Angelina.

Angelina ist elf. Und sie durfte in ihrer zweijährigen Rennkarriere bestimmt schon 20 Mal in die aus Holz und Kunststoff gefertigten Boliden klettern. „Ich mag die direkte Lenkung und das Fahren in den Kurven“, erzählt sie. Im Gegensatz dazu liebt Friedhelm vor allem das Gefühl der unmittelbar erlebten Geschwindigkeit. In den Seifenkisten sitzen oder liegen die Piloten nur ganze acht Zentimeter über der Straße – also praktisch hautnah auf dem Asphalt. Ein solch tief liegender Schwerpunkt macht den Fahrspaß zu einer ganz besonders rasanten Angelegenheit.

Eine Art Ersatzfamilie

„Das Basteln mit den Kindern ist für mich ein großer Spaß“, begründet Kolodziej sein Engagement. Die vielen, vielen Kinder und Jugendlichen, mit denen er in den vergangenen Jahrzehnten geschraubt hat, sind für den ledigen Mann stets eine Art Ersatzfamilie gewesen.

Einer seiner früheren Mit-Bastler ist Sebastian Cloth. Der 19-Jährige lebte einst selbst in der Friemersheimer Einrichtung. Inzwischen hat er den Sprung ins selbstständige Leben geschafft, hat eine eigene Wohnung und arbeitet fokussiert auf seinen Traumberuf Lokomotivführer hin. Den Kontakt zu St. Joseph hat er aber nie abbrechen lassen. Heute steht er Günther Kolodziej stets als Co-Konstrukteur helfend zur Seite. Und auch am Sonntag, wenn Angelina und Friedhelm auf die Piste am Alsumer Berg in Marxloh gehen, wird der junge Mann wieder helfend zur Seite stehen. Denn so eine Seifenkiste wird vor dem Abtransport im Anhänger stets in ihre Einzelteile zerlegt. Und am Ziel angekommen, muss sie natürlich dann auch wieder zusammengesetzt werden. Im Gegensatz zu früher fährt Sebastian nun nicht mehr. Und Günther Kolodziej, der Konstrukteurs-Routinier, hat selbst sogar noch nie in einer Seifenkiste gesessen.

In der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe St. Joseph in Friemersheim leben in Friedhelms und Angelinas Wohngruppe derzeit zehn Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 5 und 17 Jahren. Betreut und begleitet werden sie von vier Erzieherinnen und einem angehenden Sozialpädagogen. „Die Teilnahme an dem Seifenkisten-Projekt ist für die Kinder enorm wichtig“, berichtet Julia Tschentscher (29). Sie ist eine der vier Erzieherinnen und füllt diesen Job seit sechs Jahren mit viel Herzblut und Hingabe aus. Die Kinder könnten sich dort mit anderen messen und zudem ein Stück Alltags-Normalität erleben.

Nach 21 Jahren Pause gehen die Rennen in Duisburg weiter 

Das „Duisburger Seifenkisten Derby 2014“ lässt am Samstag und Sonntag (6./7. September) eine alte Tradition wieder aufleben. Duisburg galt früher nicht nur in Fachkreisen als absolute Seifenkisten-Hochburg. Kein Wunder, donnerten zwischen 1951 und 1971 doch auf der Uhlenhorststraße in Neudorf die Teilnehmer der Deutschen Meisterschaften dem Titelgewinn entgegen. Danach folgten – über die Jahre verstreut – acht weitere Wettrennen. Das vorerst letzte in 1993. Nun, 21 Jahre später, geht es also an anderer Stelle weiter: auf der Alsumer Straße zwischen Alsumer Steig und Matenastraße in Marxloh.

Am Samstag werden zwischen 12 und 17 Uhr die Spaß-Rennen gestartet, an denen Jedermann teilnehmen kann. Die Anmeldefrist wurde auf den morgigen Donnerstag um 12 Uhr verlängert. Startgebühr pro Seifekiste – egal, ob Einzelstarter oder Team: 15 Euro. Start der Trainingsläufe: ab 10 Uhr. Am Sonntag steigt dann der erste Qualifizierungslauf (Training ab 10, Rennen ab 13 Uhr) zur Deutschen Meisterschaft 2015. Es gibt verschiedene Alters- und Wertungsklassen.