Duisburg. Aktivisten, überwiegend aus der Kulturszene, besetzen am Montag den Paternoster im Duisburger Rathaus. Sie wollten mit dem Oberbürgermeister über das Kunstwerk „Totlast“ sprechen. Sören Link hatte das Werk verboten, weil es an der Wunde der Loveparade rühre. Der Diskussion ging er aber aus dem Weg.
Oberbürgermeister Sören Link bleibt den Bürgern weiterhin eine schlüssige Erklärung schuldig, warum er die Skulptur „Totlast“ von Gregor Schneider, die anlässlich der Ruhrtriennale im Lehmbruck-Museum gezeigt werden sollte, abgesagt hat. Die gut 20 Aktivisten überwiegend aus der Kulturszene, die am Montag zum Protest unter dem Motto „Nicht reif“ ins Rathaus gekommen waren, konnten nicht mit dem OB sprechen und wurden von Stadtsprecherin Anja Kopka abgewimmelt: Wenn sie beim OB ein Anliegen vorzubringen hätten, könnten sie in die Bürgersprechstunde kommen oder um einen Termin bitten — für September.
Dann habe auch Gerhard Losemann einen Termin beim OB, hieß es gestern aus Künstlerkreisen. Der Duisburger Künstler, der das Mahnmal für die Loveparade-Opfer entworfen hat, hatte für die Kunst-Absage ebenfalls kein Verständnis gezeigt.
Gefühl der Entmündigung
Die Teilnehmer der Aktion trugen den Schriftzug „Nicht reif“ auf ihren schwarzen T-Shirts. Damit bezogen sie sich auf ein Zitat von Link, mit dem er die Absage begründet hatte: Vor dem Hintergrund der „noch nicht geschlossenen Wunden“, die die Loveparade-Katastrophe hinterlassen habe, ließ er mitteilen: „Duisburg ist noch nicht reif für ein Kunstwerk, dem Verwirrungs- und Paniksituationen immanent sind, welches mit dem Moment der Orientierungslosigkeit spielt.“
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Die Aktivisten besetzten die zwölf Kabinen des Rathaus-Paternosters. Auf einem Flugblatt war unter dem Titel „Nicht reif“ der Text zu lesen: „Was können, was müssen wir tun, um die notwendige Reife zu erlangen? Aber vielleicht können wir auch gar nichts tun, da die attestierte Unreife systemimmanent ist. Dann müssten wir weiterhin ewig jung sein. Unentwickelt, nicht entscheidungsfähig. Analog zu dem Ort, an dem wir leben. Duisburg verweilt seit vier Jahren in einem Moratorium. Durch das Verbot von Kunst und den Querverweis auf die Unreife der Bürger wird deutlich – in diesem sollen wir auch bleiben.“
Das Gefühl der Entmündigung des Bürgers ist das eine, was viele Duisburger empört. Das andere die Kritik am Umgang mit dem Künstler. Gregor Schneider habe doch mit der Bauordnung lange verhandelt und deutlich auf die Vorgaben reagiert. „Sieben Monate Arbeit — und dann Pustekuchen. Das ist eine Missachtung“, sagt Elisabeth Höller. Man habe für den Protest eigens den Jahrestag der Loveparade-Katastrophe abgewartet.
"Mehr Sportsgeist erwartet"
„Wir hätten mehr Sportsgeist erwartet von den Stadtoberen“, sagte Alexander Klomparend als einer der Initiatoren des Protests. Er findet dass man Bürger mit einem Anliegen nicht „abbügelt wie Schulkinder“. Aber das passe letztlich zum Stil, in dem das Schneider-Werk verboten worden sei.
Die Aktion sei nicht einmal eine Überraschung gewesen. „Der OB wusste, dass wir kommen.“ Man habe ihm die Frage stellen wollen, wo man die „Reifeprüfung“ ablegen könne, „die dazu befähigt, künftig selbst zu entscheiden, welche Kunst uns zumutbar erscheint“.