Duisburg. Anwohner haben die Besichtigung des St. Barbara-Hospitals in Duisburg als mögliche Asyl-Unterkunft abrupt enden lassen. Die Proteste wecken nicht nur bei der Flüchtlingsbeauftragten Erinnerungen ans aufgeheizte Klima der 90-er Jahre. Mehr und mehr rückt der öffentliche - und auch parteipolitische Konflikt in den Fokus.

Ein Menschenauflauf von 210 Anwohnern hat am Donnerstag die Besichtigung des ehemaligen St. Barbara-Hospitals in Neumühl als mögliche Unterkunft für Asylbewerber abrupt enden lassen. Die Stadt prüft derzeit fieberhaft insgesamt 26 Standorte, um angekündigte Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisengebieten aufnehmen zu können.

Mehr und mehr rückt der öffentliche - und auch parteipolitische Konflikt um die Unterbringung von Asylbewerbern in den Fokus, nachdem sich in den Monaten zuvor Auseinandersetzungen auf die Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien beschränkt hatten.

Polizei wähnte auch Rechtspopulisten unter Demonstranten

Als jetzt das St. Barbara-Hospital als einer der möglichen Standorte genannt worden war, regte sich sofort Widerstand vor Ort, rief laut Polizei eine Anwohnerin zu der Mahnwache auf, zu der sich neben Anwohnern auch rechtspopulistische Unterstützer aufmachten. Die Polizei entsandte beträchtliche Kräfte nach Neumühl. Es wurde lautstark, es blieb aber friedlich. Wegen rassistischer Schmierereien ermittelt allerdings der Staatsschutz.

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Auch CDU-Ratsherr Heidenreich und der SPD-Stadtverordnete Blumenthal hatten vor wenigen Tagen sofort Bedenken gegen den Standort in Neumühl geäußert. Die Stadt betonte am Donnerstag, dass sie das Krankenhaus ohnehin nicht für einen geeigneten Standort hält, für den andere städtebaulichen Entwicklungen angedacht sind.

Auch andere Asylbewerber-Standorte sind umstritten. Als das ehemalige Hamborner Gesundheitsamt kurzfristig mit Flüchtlingen belegt werden musste, weil das Walsumer Heim baufällig war, gab es postwendend Kritik von Lokalpolitikern. Genauso ergeht es den Plänen für die Notunterkunft an der Masurenallee in Wedau.

OB will Land an zusätzliche Belastung durch Armutsflüchtlinge erinnern

Oberbürgermeister Link warnt: „Es ist niemandem damit geholfen, wenn die Verantwortung hin und her geschoben wird.“ Die „aufgeheizte Stimmung“ in Neumühl bereite ihm Sorgen. Er erinnert daran, dass es sich bei den Asylbewerbern um Flüchtlinge aus Krisengebieten handele, bei denen es oft um das „nackte Überleben“ gehe. Zugleich erklärte der OB, dass er sich dafür einsetze, dass bei den Asylbewerberzuweisungen das Land die besondere zusätzliche Belastung Duisburgs durch die rund 8000 Armutszuwanderer berücksichtigen müsse.

Die Flüchtlingsbeauftragte des Diakoniewerks Regina Scheurer fühlt sich an das aufgeheizte Klima der 90-er Jahre erinnert: „Ich bin sehr entsetzt. Wir hatten hier im Land den Konsens, dass auf dem Rücken der Flüchtlinge keine politische Stimmung gemacht wird.“ Eindringlich warnt sie: „Wir müssen Ruhe bewahren und helfen.“

Halt, Zeit der Besinnung - Ein Kommentar von Oliver Schmeer 

Nein, die Aufwiegler, die Parolenschmierer, die Fremdenhass schüren, wird dieser Kommentar nicht erreichen. Sie sind unbelehrbar. Auch unter Anwohnern in Rheinhausen, Hamborn oder jetzt Neumühl mag es vereinzelt dumpfe Fremdfeindlichkeit geben. Bei den meisten ist es aber Sorge, Unsicherheit, Zweifel. Das muss man ernst nehmen. Viele fühlen sich durch die vergangenen Monate und die beunruhigenden Folgen des Massenexodus aus Bulgarien und Rumänien überfordert.

Zugleich vermischt sich das Problem der Armutszuwanderung aber mit den Menschen, die vor Krieg, Verfolgung fliehen, um ihr Leben fürchten. Duisburg hat fast 500 000 Einwohner. Kann es da 1000 Asylbewerber nicht verkraften?

Doch wie sollen die Bürger dies zumindest akzeptieren, wenn ihre politischen Volksvertreter, namentlich auch von CDU und SPD, ebenfalls reflexartig überall sofort rufen „hier nicht“. Mal plump, mal verklausuliert, mal mit scheinheiligen Begründungen, dass man die „armen Flüchtlinge“ so nicht unterbringen könne, und man sich vermeintlich um das Wohl seines Stadtteils bemüht. Das ist billiger Stimmenfang und Populismus, ja auch feige. So verliert die Stadt ihren gesellschaftlichen Konsens und lässt man Duisburg vor die Wand fahren. Es ist höchste Zeit, sich zu besinnen.